Kultur | SALTO GESPRÄCH

„Das Blödeln lass ich“

Lukas Lobis im Gespräch über den Stellenwert der Kulturschaffenden in der Gesellschaft, „Dumpfbacken“ und Humor in der Krise.
Lukas Lobis
Foto: Arno Dejaco

Ohne Kunst und Kultur wird`s still. Trotz der momentanen Stille blickt der Kabarettist, Komiker und Schauspieler Lukas Lobis optimistisch in die Zukunft, hat sein Lachen nicht verloren und erkennt Chancen in der Krise. 

salto.bz: Herr Lobis, lachen Sie noch?

Lukas Lobis: Natürlich! Es wäre sehr traurig, wenn man nichts zum Lachen hätte. Humor ist in Krisenzeiten noch wichtiger als in guten Zeiten. Denn die pointierte Betrachtung von Dingen macht vieles erträglicher und Lachen hat etwas Befreiendes. Außerdem trägt die Pointierung zur geistigen Flexibilität und Offenheit bei. Die große Kraft der Satire ist es, festgefahrenes Denken aus einer überraschend anderen Perspektive zu sehen. Gerade in schwierigen Zeiten und bei der Auseinandersetzung mit ernsthaften Themen ist das Eröffnen neuer Blickwinkel wesentlich.  

Humor ist in Krisenzeiten noch wichtiger als in guten Zeiten.

Wie gelingt es Ihnen den Humor in diesen Tagen nicht zu verlieren?

Ich bin ein großer Freund des schwarzen Humors, wo aus existentiellen Dingen überraschend etwas Skurriles oder Witziges entsteht. Ich mag die Art des britischen Humors und auch den jiddischen Witz sehr gern. Nach dem Zweiten Weltkrieg hat es eine Blüte um den jiddischen Witz gegeben, der für die Volksgruppe wahrscheinlich überlebenswichtig war. Daran erkennt man, wie essenziell Humor in der Aufarbeitung von Traumata ist oder als Antwort auf Absolutismus oder Nazis. Mit Humor kann ich aufzeigen, wie lächerlich bestimmte Dinge sind.

 

Nach einem kurzen Aufatmen im Sommer ist es in der Kulturbranche wieder still geworden. Wie geht es den Kulturschaffenden?

Es gibt viele Branchen, die massiv unter den Einschränkungen leiden. Künstler, Schauspieler, Musiker, Leute aus der Eventbranche gehören dazu, wir sind zum Nichtstun verurteilt. Sicher kann ich in der Zwischenzeit daheim an Sachen arbeiten wie an der Konzeption meines nächsten Programms. Aber das ist nicht immer einfach, oft fehlt die Leichtigkeit des Seins. Viele Kollegen stehen vor dem Abgrund, in finanzieller und wirtschaftlicher Hinsicht. Erst jetzt beginnen wir uns in der Branche zu organisieren, um eine starke Gruppe mit politischem Gewicht zu werden. Dabei gibt es mehrere Initiativen unter anderem die von Manfred Schweigkofler. Es laufen bereits Gespräche mit dem hds zur Bildung der Berufsgruppe Künstler. In Südtirol existiert bis dato nicht mal das geschützte Berufsbild Künstler! Oft werden mir Fragen wie „Ach ja Künstler, dann arbeitest du nicht? Was machst du untertags, wenn du am Abend Theater spielst?“ gestellt. Daran erkennt man, dass wir als Künstler in der Gesellschaft noch nicht verankert genug sind. Vor allem Schauspiel ist ein junger Bereich, ich gehöre zur ersten Generation der professionellen Schauspieler in Südtirol. Es ist an der Zeit, dass sich ein Berufsbild etabliert, das ausdrückt: Wir zählen auch, wir sind wichtig, es braucht uns. Wir Künstler müssen uns Gehör verschaffen und mehr Anerkennung bekommen. Außerdem finde ich die Einteilung in systemrelevante Berufe problematisch. Wer ist denn nicht systemrelevant? Wenn jemand von systemrelevanten und nicht systemrelevanten Berufen spricht, bedeutet das im selben Atemzug, dass es Menschen gibt, die im System nicht wichtig sind.

Wir Künstler müssen uns Gehör verschaffen und mehr Anerkennung bekommen.

Haben es die Kulturschaffenden an Sonnentagen versäumt sich zusammenzuschließen?

Das liegt in der Natur der Sache: Ein Künstler ist an sich in hohem Grad individuell und hat oft auch narzisstische Züge. Vielleicht hat man die Organisation nicht versäumt, sondern gar nicht so gewollt. Das in Gruppen organisieren und ins Kollektiv einzutauchen, wurde immer mit der Befürchtung in Verbindung gebracht, dass die individuelle Entfaltung nicht mehr gänzlich möglich ist. In der Krise haben wir gemerkt, dass der Zusammenschluss notwendig ist, um einen gewissen Schutz zu haben. Vielleicht ein positiver Aspekt in diesem negativen Zusammenhang.

Wenn jemand von systemrelevanten und nicht systemrelevanten Berufen spricht, bedeutet das im selben Atemzug, dass es Menschen gibt, die im System nicht wichtig sind.

Wir haben davor über Systemrelevanz gesprochen. Finden Sie, dass die Gesellschaft endlich beginnen sollte zu reflektieren wie wichtig Kultur ist?

Es ist an sich schon sehr traurig, dass man sich diese Frage überhaupt stellen muss. Kultur ist alles:  Was wir essen, was wir sind, wie wir uns kleiden, wie wir denken, der Umgang mit der Welt. Wenn es keine Kultur gibt, dann gibt es keinen Film, keine Musik, nichts. Wenn Leute sagen, Theater brauchen sie nicht, dann sind das einfach Dumpfbacken. Das ärgert mich und mit solchen Themen will ich mich gar nicht auseinandersetzen. Wenn sich etwas in dieser Zeit herauskristallisiert hat, dann, dass es eine relativ hohe Anzahl von ungebildeten Menschen gibt. Die, die sich vor 30 Jahren am Stammtisch ihre „Deppenwelt“ bestätigt haben, toben sich heute öffentlich auf Sozialen Medien aus. Das ist das große Dilemma! Ich bin ein hoffnungsvoller Optimist, aber plötzlich ist man konfrontiert mit einer Gruppe Menschen, die starke Verbreitung finden und unsinnige Thesen in die Welt rufen. Wie ist das möglich? Das ist eine Bankrotterklärung unseres Bildungssystems.

Wie ist das möglich? Das ist eine Bankrotterklärung unseres Bildungssystems.

Ich merke, das bringt Sie in Rage.

Ich befinde mich in einer schwierigen Phase, bei mir findet ein Umdenken statt. Nach dieser Zeit werde ich nicht mehr der sein, der ich vorher war. Das „Blödeln“ lass ich. Mein nächstes Programm wird kabarettistischer sein, teilweise wird's weh tun. Ich versuche mich nicht mehr in Comedy-Figuren zu flüchten, das fühlt sich für mich nicht mehr richtig an. Mit dem Alter entwickelt man sich weiter und Corona hat diesen Prozess verstärkt.

 

Wir sind ständig mit Weiterentwicklung konfrontiert. Glauben Sie, dass virtuelle Angebote wie Netflix das lokale Theater verdrängen?

Diese Diskussion kennen wir seit der Erfindung von Radio und TV. Das Theater wurde schon unzählige Mal totgesagt und lebt heute mehr denn je. Theater ist ein ausgezeichnetes Gegenstück zum virtuellen Erlebnis. Es handelt sich dabei um eine andere Form des Erlebens: Der Mensch braucht das Live-Erlebnis und das Erleben in der Gruppe. Ich mache mir keine Sorgen, dass das Theater ersetzt wird.

Ich mache mir keine Sorgen, dass das Theater ersetzt wird.

Künstler werden öfters aufgefordert, ihre Leistung unentgeltlich zu erbringen. Nach dem Motto: Ich gebe dir eine Bühne, zahlen kann ich leider nichts.

Da geht es wieder um den Stellenwert: Das Künstlersein wird oft nicht als ernstzunehmende Tätigkeit wahrgenommen. Das Bewusstsein für die künstlerische, musikalische Leistung fehlt vielfach. Manchmal wird die Aufforderung für einen unentgeltlichen Auftritt, damit gerechtfertigt, dass Kulturschaffende ihrer Arbeit gern nachgehen. Aber ich kann auch nicht zum Metzger gehen und sagen: „Gib mir das Stück Fleisch gratis, du bist ja gern Metzger und willst auch nicht, dass das Fleisch schlecht wird.“ Wir kämpfen an vielen Fronten für unseren Beruf, aber es wird besser.

Wäre ein monatliches Grundeinkommen für Kulturschaffende ein Lösungsansatz?

Das ist eine zweischneidige Geschichte. Früher oder später werden wir an einem bedingungslosen Grundeinkommen für alle nicht vorbeikommen. Das hängt mit dem gesellschaftlichen Umbruch und der Notwendigkeit einer gerechteren Umverteilung zusammen. Es stellt einen kompletten Paradigmenwechsel dar und würde starken Einfluss auf unsere Art des Wirtschaftens und des Zusammenlebens nach sich ziehen, damit umzugehen müssen wir erst lernen. Im Idealfall hätte es zur Folge, dass wir viel freier im Denken und Handeln wären. Jeder, nicht nur explizit der Künstler, könnte seine Kreativität und seine individuellen Stärken besser entfalten. Das Grundeinkommen ist aber Zukunftsmusik, da steckt der Teufel im Detail. Ein erster Schritt im Hier und Jetzt wäre es, wenn Kulturschaffende durch ihr eigenes Tun und Schaffen die Anerkennung bekommen würden, die es ihnen ermöglicht, ein gutes Auskommen zu finden. Die Aussicht auf ein vielleicht kommendes Grundeinkommen würde uns in unserem Bestreben nach Anerkennung zur Zeit eher lähmen als beflügeln.

Die Krise hält einem den Spiegel vor Augen, die eigene Zerbrechlichkeit und Vergänglichkeit.

Was wünschen Sie sich?

Ich wünsche mir, dass wir nicht ständig erklären müssen, was wir machen. Ich hoffe, dass wir nicht ständig vor der unwürdigen Frage stehen, ob wir systemrelevant sind.  Ich strebe danach, dass wir den Stellenwert bekommen, den wir uns verdienen.  

Erkennen Sie Chancen in der Krise?

Wer einer Krise keine Chance gibt, hat verloren. Die Krise hält einem den Spiegel vor Augen, die eigene Zerbrechlichkeit und Vergänglichkeit. Jede Krise eröffnet die Möglichkeit des Scheiterns und die Möglichkeit zu wachsen, Antworten zu suchen und neue Sichtweisen zu entwickeln. Erfolg ist relativ kurz und ein fruchtloser Genuss. Scheitern ist das, was uns weiterbringt. Wir sind alle sehr erfolgsverwöhnt, wir leben in einer Gesellschaft, die sich schon lange keine existentiellen Fragen mehr stellen muss. Krisen kannten wir viele Jahrzehnte nur aus dem persönlichen Bereich. Diese kollektive Krise, die durch die Verunsicherung entstehenden Egoismen, die Auswirkungen, die teils ins Absurde gehen, sind für uns alle neu. Eine Möglichkeit mit der derzeitigen Situation umzugehen, besteht darin, Themen zu evaluieren und zu erkennen wie schnell Dinge kippen können, die wir für unumstößlich gehalten haben. Das ist auch schon ein Verdienst der Krise.

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Martin Kinigadner Mo., 16.11.2020 - 11:14

Wie Gery Seidl,wenn er gegen die Helmpflicht protestiert,weil:"nicht jedes Hirn ist schuetzenswert"..ich wuensche Ihnen und mir,dass Sie bald wieder bloedeln.

Mo., 16.11.2020 - 11:14 Permalink