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Gesellschaft | Lockdown-Tagebuch

Tag 8: The horror, the horror!

Statt dem erwarteten Horror-Schocker made in Südtirol gab es uninspiriertes 08/15-Gefluche, wie man es von Überlebenden des Männerschnupfens zur Genüge kennt.

Liebes Tagebuch,

gestern wollte ich mir einen Horror-Schocker made in Südtirol anschauen: Der Corona-Test im Selbstversuch, zu sehen auf einem lokalen Schwurbelkanal, den ich hier nicht verlinken möchte. Das Standbild (schmerzverzerrtes Gesicht und Wattestab in Aktion) versprach Dramatik, die eingeblendete Warnung „Video nicht geeignet unter 18 Jahren“ Grusel pur. Ich holte Popcorn. Leider fiel die Show dann doch sehr mau aus. Eine Ärztin rührte der Testperson ein wenig in der Nase herum, die Testperson machte ein verbales Theater, wie man es von Überlebenden des Männerschnupfens zur Genüge kennt. Much ado about nothing, hätte Shakespeare gesagt. Ich war enttäuscht, hatte ich mir doch zumindest eine abgebrochene Nase erwartet. Bei Tarantino wäre ja eine ordentliche Portion Hirn mit dem Wattestab aus der Nase geflutscht, aber Südtirol ist eben nicht Hollywood, oder aber das betreffende Hirn…egal. Stattdessen gab es uninspiriertes 08/15-Gefluche, das angesichts der vorgeblich erlittenen Schmerzen erstaunlich emotionslos ausfiel. „Wos hotn der Monn?“, fragte das Kind, das sich unbemerkt angeschlichen hatte. Ja, was hat denn der Mann? Wenig Schauspieltalent offenbar, oder erfreulicherweise (für ihn) noch nie größere Unbill in seinem Leben erlitten als einen Nasen-Rachen-Abstrich. Das Kind war unbeeindruckt. Seine Freundin hatte ihm erzählt, dass der Abstrich gar nicht so schlimm gewesen war. Die Freundin ist sechs. Der wahre Schrecken, der lauert indes auf den Intensivstationen; das sollten wir nicht vergessen. Alles wird trotzdem gut.