Vorboten des Endes
Außergewöhnliche Umstände tragen außergewöhnliche Früchte. Das zeigt sich bei der Suche nach Impfstoffen gegen das neuartige Coronavirus Sars-CoV-2. Weltweit ruhen die Hoffnungen auf der Impfung. Und die kommt nun im Eiltempo näher. Über 200 Impfstoffe befinden sich derzeit in Entwicklung. Darunter zwei, die in diesen Tagen auf die Zielgerade einbiegen: BNT162b2 der Hersteller BioNtech/Pfizer und mRNA-1273 der Firma Moderna.
Am 30. November wurde für beide Impfstoffe ein Zulassungsantrag bei der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) eingereicht. Üblicherweise dauern Entwicklung und Zulassungsverfahren von Impfstoffen rund zehn Jahre – bei Covid-19 drückt man aufs Gas. Am Ende werden nicht mehr als zwölf bis 18 Monate vergangen sein. “Abweichungen von den üblichen Entwicklungsplänen sind im Notfallszenario möglich, und die Entwickler können Zeit sparen, indem sie zum Beispiel manche Studien parallel anstatt nacheinander durchführen”, erklärt die Europäische Kommission, die für die Erteilung der in allen EU-Ländern gültigen Zulassung zuständig ist. Diese “wird nur unter der Voraussetzung erteilt, dass das Nutzen-Risiko-Verhältnis nach einer Bewertung der Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit des Arzneimittels positiv ausfällt”, unterstreicht die Kommission. Die Regulierungsprozesse seien zwar flexibel, büßten aber nichts von ihrer üblichen Strenge ein.
Sobald EMA und Europäische Kommission grünes Licht geben, können die EU-Mitgliedsstaaten ihre Bevölkerung impfen lassen. Die Vorbereitungen dazu laufen auf Hochtouren. Italien hat sich insgesamt 202 Millionen Dosen Impfstoff gesichert. Im Jänner soll mit den Impfungen begonnen werden. Zunächst ist das Sanitätspersonal an der Reihe, dann Bewohner und Angestellte in Seniorenheimen. Die Impfung wird freiwillig und kostenlos sein. Grundsätzlich Anrecht darauf haben alle.
Doch was steckt hinter bzw. in den Impfstoffen, die den Countdown zum Ende der Corona-Pandemie einleiten sollen?
Sowohl BioNtech/Pfizer als auch Moderna setzen auf Boten-RNA-Impfstoffe, so genannte “messenger RNA”, kurz mRNA. Diese werden synthetisch hergestellt und können daher schnell in großen Mengen und relativ kurzer Zeit verfügbar sein. BioNtech soll in 2021 1,3 Milliarden Dosen zur Verfügung stellen können. Da dieser zwei Mal verabreicht werden muss, bedeutet das, dass 2021 650 Millionen Menschen nur mit dem BioNtech-Impfstoff geimpft werden könnten. Moderna will noch 2020 20 Millionen Dosen herstellen.
In Punkto Lagerung hat BioNtech jüngst Entwarnung gegeben: Ursprünglich war davon die Rede, dass BNT162b2 bei -70 Grad Celsius gelagert werden muss. Laut Hersteller lasse er sich aber bedenkenlos für bis zu fünf Tage in handelsüblichen Kühlschränken bei zwei bis acht Grad aufbewahren. Genauso wie der Moderna-Impfstoff, der für dessen Lagerung generell Kühlschranktemperaturen ausreichen.
Wie mRNA wirkt – und wo nicht
Mit den mRNA-Impfstoffen, die im Zuge der Corona-Pandemie erstmals zur Anwendung kommen, ist eine neue Ebene in der Impftechnik erreicht. Den zentralen Unterschied zu herkömmlichen Impfstoffen erklärt die gebürtige Brixner Biologin Monika Schwienbacher, die in München an der FGK Clinical Research GmbH, einem Unternehmen für Auftragsforschung, tätig ist: “Bisher wurden für einen Impfstoff entweder stark abgeschwächte Formen des Erregers oder Teile des Erregers für eine Immunisierung verwendet.”
Bei mRNA-Impfstoffen wird dem Körper hingegen einzig eine Bauanleitung injiziert, das die Zellen dazu veranlasst, das Protein herzustellen, gegen das der eigene Körper dann Antikörper bildet. “Die mRNA – eine Abschrift eines DNA-Abschnitts – wird mit Hilfe von Fettmolekülen in den Körper gebracht und die Zellen stellen dann die Enzyme für die Andockstellen des Impfstoffs, so genannte Stachelproteine oder Spikes her”, führt Schwienbacher aus. Etwas laienhafter ausgedrückt: “Man kann sagen, dass der Körper den Impfstoff selbst herstellt, der dann die Immunreaktion auslöst und somit den Körper für eine reale Infektion mit dem Virus trainiert. Das Immunsystem hält dann bereits ‘Polizisten’ breit, die das ‘Stachelprotein’ sofort erkennen und das Immunsystem für dessen sofortige Eliminierung anleiten.”
Eine Frage, die im Zusammenhang mit mRNA-Impfstoffen zuletzt immer wieder aufgetreten ist, ist, ob sie die DNA des Menschen verändern, also in das Erbgut eingreifen und Autoimmunerkrankungen hervorrufen könnten. Die Sorge vor Genmutationen haben Wissenschaftler bereits entkräftet. “Wir haben keinerlei Hinweise darauf, dass die RNA in den Zellkern gelangen und sich ins Genom integrieren könnte”, sagt Carlos Guzmán, Leiter der Abteilung Vakzinologie am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig, zu Spektrum der Wissenschaft. “Die bisherigen Studien besagen, dass die mRNA innerhalb weniger Tage abgebaut wird und nicht ins Erbgut des Menschen eingreift”, bestätigt Monika Schwienbacher.
Wovor schützen BNT162b2 und mRNA-1273?
Die Wirksamkeit der beiden Impfstoffe von BioNtech/Pfizer und Moderna werden mit 95,4 bzw. 94,1 Prozent angegeben. Das bedeutet allerdings nicht, dass über 9 von 10 Geimpften vor einer Covid-19-Infektion geschützt sind. Darauf weisen die Experten der “Unstatistik” des RWI - Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung in Essen hin. Die jeweilige Prozentzahl und damit die Wirksamkeit bezieht sich vielmehr auf die Corona-Infizierten. Schwienbacher erklärt: “In einer Studie werden Probanden in zwei Gruppen eingeteilt: Eine Gruppe erhält den Impfstoff, die andere einen Scheinimpfstoff. Nach einer festgelegten Zeit wird die Infektionszahl kontrolliert. Beim Moderna-Impfstoff waren es wohl 95 bestätigte Infektionen, ähnlich wie bei BioNtech. Dabei entfielen 90 Infektionen auf Personen, die einen Scheinimpfstoff erhalten hatten und nur fünf auf Personen, die den Impfstoff erhalten hatten.” Die hohe Wirksamkeit der beiden mRNA-Impfstoffe muss nun mit weiteren Studien belegt werden. Laut Schwienbacher “wird es mit Sicherheit noch zu Schwankungen kommen”.
Der mRNA-Impfstoff schützt also nicht vor einer Ansteckung mit Sars-CoV-2, sehr wohl aber vor einer Covid-19-Erkrankung – das zeigten bisherige Studien, schildert Schwienbacher. “Er mildert den infektiösen Verlauf der Erkrankung ab – ein Infizierter wird möglicherweise gar nicht merken, dass er infiziert war oder ist.” Wenn sich ein Geimpfter also mit dem Coronavirus infizieren kann, kann er dann auch andere damit anstecken? “Es ist nicht sicher belegt, bisher ist jedoch davon auszugehen, dass das Sars-CoV-2 auch von einer geimpften Person weitergegeben werden kann”, meint die Brixner Biologin.
Nebenwirkungen und Ausblicke
Eine weitere häufig gestellte Frage ist die nach der Verträglichkeit der beiden Corona-Impfstoffe. “Die Nebenwirkungen sind wohl nicht anders als bei anderen Impfstoffen”, kann Monika Schwienbacher berichten. Es sei “ganz normal, dass der Körper sich mit der fremden Substanz auseinandersetzen muss und eine Immunreaktion ausgelöst wird”. Wobei es häufig die Adjuvantien – Hilfsstoffe wie Aluminiumsalze, die die Wirkung von Impfstoffen verstärken – seien, die für heftigere Immunreaktionen sorgten als die wirksame Substanz selbst – “und diese Adjuvantien fehlen bei den mRNA-Impfstoffen”, zeigt die Biologin auf. “Trotzdem kann es vorübergehend zu Rötungen, Verhärtungen und Schmerzen an der Einstichstelle kommen, unter gewissen Umständen auch zu Gliederschmerzen und/oder Kopfschmerzen, Erschöpfung und Fieber”.
Noch unklar ist, wie lange der Schutz bzw. die Immunisierung von Geimpften anhält. Und was, wenn das Virus mutiert – werden die aktuell entwickelten Impfstoffe wirkungslos? “Wenn der Virus mutiert, was er in jedem Fall tun wird, denn das ist eine natürlicher Vorgang, muss es nicht unbedingt zu einer Verminderung der Wirksamkeit kommen”, erläutert Schwienbacher. “So gibt es Impfungen, wie z.B. die Masernschutzimpfungen, die schon seit Jahrzehnten wirksam sind.”
Der Erfolg der derzeit in Entwicklung bzw. im Zulassungsverfahren befindlichen und künftiger Impfstoffe gegen das Coronavirus hängt letztlich von mehreren Faktoren ab. Einen kurzfristigen Erfolg werden die Impfstoffe mit der synthetisch hergestellten mRNA mit Sicherheit liefern, sagt Monika Schwienbacher. Danach würden weitere Kategorien den Erfolg bestimmen: ob Geimpfte infektiös bleiben oder nicht, wie anwenderfreundlich die Impfstoffe sind und wie aufwändig die Logistik für Transport und Aufbewahrung ist. “Es gibt noch weitere sehr interessante Ansätze”, weiß die Biologin in München. “Mal sehen, was die Zukunft bringt.”
"Italien hat sich insgesamt
"Italien hat sich insgesamt 202 Millionen Dosen Impfstoff gesichert."
Vogelgrippe, Schweinegrippe und vieles mehr hab ich mit und ohne Impfungen und Nebenwirkungen überlebt. Nun wird man mich weiter schutzimpfen bis ans Ende meiner Zeit und für Covid hat der Staat schon mal 3,5 Dosen für mich reserviert.
Antwort auf "Italien hat sich insgesamt von rotaderga
202 Millionen Dosen für 60
202 Millionen Dosen für 60 Millionen Einwohner... 2 Dosen pro Einwohner...
Antwort auf 202 Millionen Dosen für 60 von Christian I
Na ja, man wird sich ja jedes
Na ja, man wird sich ja jedes Jahr aufs Neue impfen lassen müssen.
Antwort auf Na ja, man wird sich ja jedes von G. P.
Mit weiterentwickelte
Mit weiterentwickelte Impfungen, wenn man bedenkt, dass wir anscheinend gerade bei der dritten Mutation sind.
Möchte nicht, dass es so endet wie bei der letzten Pandemie, wo sehr viele Impfdosen übrig blieben und diese dann... was passierte eigentlich mit den übrig gelassen Impfdosen??
Antwort auf Mit weiterentwickelte von Christian I
......was passierte?? Ist ja
......was passierte?? Ist ja vollkommen wurscht, in jedem Falle wurden alle gut und teuer bezahlt. So gesehen alle Jahre wieder, nur von Jahr zu Jahr heftiger.
(Vielleicht wurde auch mit der Sondermüllabfallentsorgung noch ordentlich gecasht)
Antwort auf ......was passierte?? Ist ja von rotaderga
Man darf schon differenzieren
Man darf schon differenzieren zwischen den riesigen Umsatzrenditen welche die Pharma mit solchen staatlichen Impfprogrammen erzielt und der Wirksamkeit des Serums für jeden Einzelnen.
Persönlich bleibt einem die eigene Risikoabwägung, von der eigenen Gengrundlage bis zu den persönlichen alltäglichen Lebensumständen.
Und wie bei den meisten neu entwickelten Produkten muss man sich nicht umbdingt vordrängeln und sollte vielleicht erstmal abwarten... wenn es die eigene Risikobewertung zulässt.
Etwas mißverständlich dieser
Etwas missverständlich dieser Titel ...
Bin kein Impfgegner, aber
Bin kein Impfgegner, aber wenn ich den Artikel lese, bekomme ich ein ungutes Gefühl, um nicht zu sagen etwas Angst. Da ist mir sehr Vieles noch viel zu wage.
„Üblicherweise dauern
„Üblicherweise dauern Entwicklung und Zulassungsverfahren von Impfstoffen rund zehn Jahre – bei Covid-19 drückt man aufs Gas. Am Ende werden nicht mehr als zwölf bis 18 Monate vergangen sein“ Klingt nicht gerade beruhigend.
Antwort auf „Üblicherweise dauern von Martin Mayr
"Klingt nicht gerade
"Klingt nicht gerade beruhigend" ... wenn noch keine zwölf Monate um sind, meinen Sie?
95,4 oder 94,1%! Diese Zahlen
95,4 oder 94,1%! Diese Zahlen sind beeindruckend, die Realität aber leider nicht. Angaben in Relativprozenten sind extrem irreführend, in der Medizin aber wie gesagt dann üblich, wenn es darum geht, einen Effekt sehr zu beschönigen und jemand schnell zu einer Therapieentscheidung zu bewegen. Man hat die Pfizer/Biontec Studie geöffnet, nachdem man 1% Probanden mit Symptomen dokumentiert hatte. Das sind 170 Personen von 44.000 insgesamt. Wenn man nur die Erkrankten in der Studie anschaut und diese Zahlen zwischen geimpfter (8 Personen mit Symptomen) und nicht geimpfter Studiengruppe (162 Personen) vergleicht, so kommt die Zahl 162/8*100 = 95% heraus. Auf die Gesamtpopulation bezogen profitiert in Absolutprozenten aber nur (162-8)/22.000*100= 0,7%. Das heisst konkret für die Zulassungsstudie (PhaseIII) dass ca. 140 gesunde Personen geimpft werden müssen, damit eine davon profitiert. Profitieren heißt in dem Fall keine Symptome zu bekommen! Vermittelt wird aber durch interpretierende Artikel wie diesen, dass der Nutzen weitaus grösser ist. Zumindest hofft man es so! Weil die Studie nur gesunde Probanden von 18 bis 55 Jahren eingeschlossen hat, wissen wir nichts über die Situation bei Kindern und Jugendlichen und bei älteren Menschen sowie bei chronisch kranken Risikogruppen. Weil ja auch die aufwendigste der 4 Stufen, die Phase IV- Studie fehlt, welche auch seltene und schwerere sowie spätere Nebenwirkungen erfaßt, gibt es sehr viele Unbekannten. Ich halte es als praktischer Arzt mit den Piloten, die solange warten, bis sich der Nebel lichtet, um auf die Reise zum sicheren Ziel zu gehen. Gut Ding braucht Weile, auch wenn Eile geboten ist.
Antwort auf 95,4 oder 94,1%! Diese Zahlen von Rudolf Gruber
Sehr schön Herr Dr. Gruber.
Sehr schön Herr Dr. Gruber. Auch das muss in der Diskussion definitiv Platz haben. Mir persönlich sind die bisherigen Angaben und Studien ebenfalls zu unvollständig. Diese Daten sagen, um es gelinde zu formulieren, gar nichts aus.
Antwort auf Sehr schön Herr Dr. Gruber. von Klemens Riegler
Es ist nichts neues: Big
Es ist nichts neues: Big Pharma verkauft ihre Produkte durch selbst- und schöngeschriebene Studien! Erst die Praxis bringt dann die Wahrheit und zeigt ob das Produkt wirklich gut ist oder ob es "Überraschungen" mit sich bringt, so wie Vioxx und Depakin um nur zwei zu nennen.
Italien hat sich ca. 200 Mio.
Italien hat sich ca. 200 Mio. Impfdosen gesichert, Deutschland ca. 300 Mio. Jene Impfdosen, die im eigenen Land nicht benötigt werden, werden umsonst oder zu günstigen Preisen an Länder abgegeben, die sich den Impfstoff selbst nicht oder in nicht ausreichendem Maße leisten können.
Interessant wie sich die Lage
Interessant wie sich die Lage bis jetzt entwickelt hat!