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Geschäft Fahrplan
Foto: Thomas Ohnewein
„Kein gedruckter Fahrplan: Ärger groß“ titelte die Tageszeitung Dolomiten am Dienstag. Es ist dann Otto von Dellemann, Vorsitzender der SVP-Seniorenbewegung und des Südtiroler Seniorenbundes, der sich in einem Interview darüber beschwert, dass es heuer den Fahrplan für Bus und Bahn erstmals nicht mehr als gedrucktes Buch gibt, sondern nur mehr online.
Von Dellemann weist darauf hin, dass für die meisten Senioren ein Online-Fahrplan nicht ausreiche. „Oft haben ältere Menschen weder ein Handy noch ein Tablet. Und auch für solche, die sich mit dem Handy einigermaßen auskennen, ist es schwierig, sich zurecht zu finden, weil auf dem Handy die Schrift so klein abgebildet ist“, sagt der ehemalige Andrianer Bürgermeister und SVP-Landtagsabgeordnete.
Am Mittwoch fordern dann in den Dolomiten unter dem Titel „Rückschritt für Senioren-Mobilität“ die Seniorenchefin im KVW, Maria Kußtatscher, und der Präsident der Bauernbund-Senioren, Gottfried Oberstaller, „ dass die Verantwortlichen ihre Entscheidung noch einmaüberdenken und den Fahrplan weiterhin in Papierform zur Verfügung stellen“.
Das Problem
Joachim Dejaco kann der Kritik durchaus etwas abgewinnen. Der Direktor der Südtiroler Transportstrukturen AG (STA) nimmt sich aber kein Blatt vor den Mund: „Mir ist lieber ein richtiger Fahrplan auf Papier ausgedruckt, als ein falscher auf Hochglanzpapier.“
Es ist ein Satz, der den Kern des Problems trifft. Denn die STA hat mit einem Problem zu kämpfen, das in Corona-Zeiten viele Branchen trifft. Weil sich die Pandemiesituation andauernd ändert, müssen auch die Sicherheitsbestimmungen im Nahverkehr angepasst werden. Niemand kann sagen, wie viele Busse mit wie vielen Passagieren in zwei Monaten in Südtirol fahren können. Und ob die Busse überhaupt fahren.
Wie schwierig die Situation ist, zeigt sich in der Diskussion um die geplante Öffnung der Oberschulen am 7. Jänner. Der Fahrplan-Fachmann des Amtes für Mobilität Heinz Dellago geht davon aus, dass man mit dieser Öffnung südtirolweit täglich 150 Busse mehr einsetzen muss. Diese Zahl macht deutlich, wie breit das Spektrum sein kann.
Vor diesem Hintergrund ist es einfach nicht möglich, das Buch drucken zu lassen, das traditionell am zweiten Sonntag im Dezember erscheint. „Ich muss den Druckauftrag Anfang Dezember erteilen“, beschreibt Dejaco das Unmögliche, „und habe aber keine Ahnung, wie viele Menschen ich im Jänner in den Bus lassen darf und ob die allgemeine Mobilität überhaupt frei erlaubt ist“.
Vor diesem Hintergrund haben STA und Land entschieden, heuer den Fahrplan nur mehr online zu Verfügung zu stellen und das normale Fahrplanbuch vorerst nicht mehr zu drucken. „Das heißt aber keineswegs, dass es nicht auch ausgedruckte Fahrpläne geben wird“, sagt der STA-Direktor.
Denn es ist vorgesehen, dass die PDFs für einzelne Linien an den Bahnhöfen oder den Haltestellen durchaus ausgedruckt und jenen ausgehändigt werden, die es wünschen. Man habe dafür absichtlich „ein tintensparendes Titelbild“ gewählt. „Ältere Leute bekommen damit jene Fahrpläne, die sie brauchen, auch ausgedruckt“, sagt Dejaco.
Der Hintergrund
Dass viele Senioren mit dieser Umstellung keine Freude haben und deshalb Kritik aufbrandet, ist eine Tatsache. Es gibt aber auch einen wirtschaftlichen Hintergrund, der den selbstlosen, publizistischen Einsatz aus dem Hause Athesia in ein etwas differenzierteres Licht rückt.
Seit vielen Jahrzehnten wird der Fahrplan der Tageszeitung Dolomiten und auch dem Alto Adige beigelegt. Zudem wird das rund 300 Seiten starke Buch bei der Athesia gedruckt. Es ist ein seit Jahren fix eingeplantes und gutes Geschäft für das Medienhaus. Rund 75.000 Euro gibt die STA AG dafür jährlich aus.
Zwischen 44.000 und 37.000 Euro kostete in den vergangenen Jahren der Druck des Fahrplans bei der Athesia Druck GmbH. Die Verteilung über die Tageszeitung Dolomiten wird per Direktvergabe gesondert bezahlt: Für den Fahrplan 2020 blättert die STA dafür weitere 37.000 Euro hin.
Dieses Geschäft entgeht der Athesia, wenn der Fahrplan in Zukunft nur mehr online erscheint.
Deshalb brandet der Zorn der Senioren auch in den Dolomiten auf und er wird diort auch nicht so schnell verrauchen.
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il trucco cé,ma non si vede
il trucco cé,ma non si vede-hahaha
So schlimm wird‘s schon nicht
So schlimm wird‘s schon nicht sein! Ältere Menschen sind vielfach cleverer als man glauben macht und wissen sich zu helfen!
für das Geld kann die STA
für das Geld kann die STA lange einzelne Fahrpläne und nicht gleich ein ganzes Buch drucken lassen.
die meisten interessiert sowieso nur 1-2 Linien
Auch wenn aus
Auch wenn aus nachvollziehbaren Gründen gedruckte Fahrpläne für den öffentlichen Nahverkehr bis auf weiteres nicht zur Verfügung gestellt werden sollen, wäre es mehr als sinnvoll und sicherlich machbar, auf der Homepage südtirolmobil die jeweils aktuelle Planübersicht auch als einheitliches und ganzes Dokument on-line zu stellen. Dies würde es Nutzern nämlich ersparen, bei der Planung von Fahrten mit Beanspruchung mehrerer Linien und möglicherweise unterschiedlicher Verkehrsmittel (Zug, Bus und Seilbahn) weniger umständlich zu switchen und nicht jedesmal für jeden benötigten Einzelfahrplan das vorher studierte Dokument schließen und gesondert das neue aufrufen zu müssen.
Für ein eventuell gewünschtes, nicht auf das Gesamtpaket bezogenes Herunterladen müssten freilich weiterhin die Einzelfahrpläne mit ihrer jeweiligen Kennzahl als selbständige Dokumente gelistet bleiben.
Könnte es aber in diesen ungemütlichen Zeiten sogar angedacht sein, dass vor allem Senioren dazu animiert werden sollen, möglichst wenig unproduktiv herumzureisen und also die kostbaren Sitzplätze in Verkehrsmitteln denjenigen zu überlassen, welche mit möglichst geringem Risiko ihre Schulen oder Arbeitsplätze ansteuern können sollen? Gesunder Auslauf ohne überlange Anfahrt könnte ja auch schon gut tun.
Kann mir jemand ganz einfach
Kann mir jemand ganz einfach erklären,warum diese Fahrpläne immer wieder "NUR" die Athesia druckt,gab es da keine Gegenangebote,oder ist dies ein SVP Privileg !!!!
Das hatte wahrscheinlich auch
Das hatte wahrscheinlich auch damit zu tun, dass das Fahrplanbuch über die Dolomiten-Zeitung großflächig verteilt wurde. Die Dolomiten enthielt zwei Mal im Jahr (Sommer- bzw Winterfahrplan) das große Fahrplanbuch. Diese Art der Verteilung gehört meiner Meinung nach sofort eingestellt, einerseits weil die Fahrpläne von vielen Haushalten gleich weggschmissen werden, da keine ÖPNV-Nutzer und diese in kurzer Zeit eh nicht mehr 100% aktuell waren und immer wieder nachgebessert werden müssen (jetzt in Coronazeiten sowieso). Die Bezieher anderer Zeitungen waren außerdem benachteiligt!! Beinahe eine Wettbewerbsverzerrung. Deshalb sollten gedruckte Fahrpläne nur mehr in den Servicestellen des ÖPNV gedruckt zu erhalten sein. Dies ist für den Nutzer leicht zumutbar und mit weniger Aufwand hätte man erhebliche Kosten eingespart.
Antwort auf Das hatte wahrscheinlich auch von m s
Genau richtig erkannt. So wie
Genau richtig erkannt. So wie 90 % der Bevölkerung schon seit Jahren das Telefonbuch nicht mehr brauchen, braucht der Großteil der Leute auch das Fahrplanbuch nicht.
Antwort auf Das hatte wahrscheinlich auch von m s
"Deshalb sollten gedruckte
"Deshalb sollten gedruckte Fahrpläne nur mehr in den Servicestellen des ÖPNV gedruckt zu erhalten sein".?? Also müssten Nutzer vom Land eigens in die Stadt fahren! Die Fahrpläne sollten zudem auch in den Bussen erhältlich sein!