Es war eine Szenerie ganz nach Mass: im überfüllten Pressesaal des Parlaments drängten sich in- und ausländische Journalisten und Kamerateams. Und Matteo Renzi tat das, war er am liebsten tut: er stand ausgiebig im Scheinwerferlicht. Was am Mittwochabend in Rom über die Bühne ging, war keine Überraschung, sondern der unvermeidliche Endpunkt einer seit Wochen dauernden Eskalation: eine schon lange schwelende Krise wurde offiziell eröffnet. Der Jargon, mit dem Renzi den Rücktritt seiner beiden Ministerinnen Teresa Bellanova (Landwirtschaft) und Elena Bonetti (Familie) ankündigte, hätte typischer kaum ausfallen können: "Io ritiro le mie ministre." Beide übermittelten ihre Rücktrittsgesuche per E-Mail. Auch Staatssekretär Ivan Scalfarotto trat zurück. Neuwahlen schloss Renzi aus: "Si voterà nel 2023." Als politischer Pokerspieler bestritt er zudem die Eröffnung einer Regierungskrise: "La crisi è aperta da mesi."
Es ist ein Rücktritt, in dem es weniger um Inhalte geht als um eine Person: den von Renzi verabscheuten Regierungschef Giuseppe Conte, dessen Name nie genannt wurde. Gnadenlos kritisierte Renzi dessen Regierungsstil ("der schlechteste der italienischen Geschichte") , dessen mangelnde Einbeziehung der Parteien, sprach die Meinungsverschiedenheiten um den Einsatz der EU-Milliarden an. Dabei äusserte der Italia-Viva-Parteichef kein Wort der Kritik am Partito Democratico und der Fünf-Sterne-Bewegung.
Er wolle aber weiter der Regierungsmehrheit angehören: "Resteremo nella maggioranza, se vogliono." Beim Verlassen des Saales empfahl er fast beiläufig Innenministerin Lamorgese als mögliche Nachfolgerin des Premiers.
Renzi eröffnete damit eine Regierungskrise auf dem Rücken eines schwer geprüften Landes mit über 80.000 Pandemie-Opfern. Doch der Corona-Virus war nur ein nebensächliches Randthema im Muskelkrieg mit dem Regierungschef. Renzi vermied es bewusst, über das zu sprechen, was nun bevorsteht. Der Partito Democratico sprach von einem "errore gravissimo". Conte, der im Senat wegen der wachsenden Zahl der Überläufer die Mehrheit verloren hat, besteht nun auf einem klärenden Votum im Parlament.
Und weil Italiens Politik ein Zirkus bleibt, hat die zurückgetretene Ministerin Elena Bonetti ihre surreale Bereitschaft signalisiert, dennoch in der Regierung zu bleiben: "Dipende dalle condizioni." Ein Kunststück, das nurein der Zirkuskuppel der römischen Politik vorstellbar ist. Die Vertrauensabstimmungen finden am Montag im Senat und am Dienstag in der Kammer statt.