Gesellschaft | salto Gespräch

„Es gibt kein Argument gegen Veganismus"

Der Tierschutzaktivist Daniel Felderer behauptet, es gäbe keinen Grund, nicht Veganer zu sein. Salto.bz wurde neugierig und hat mit dem 22-Jährigen Vinschger gesprochen.
Daniel Felderer
Foto: Daniel Felderer

 

Der Videograph Daniel Felderer ist seit fünf Jahren Vegetarier und lehnt seit zwei Jahren tierische Produkte komplett ab. Aber das genügt ihm nicht, er möchte mit seinem Podcast „Af Dialekt“ Aufklärungsarbeit leisten und mehr Menschen überzeugen, keine tierischen Produkte mehr zu konsumieren. Dabei hält der ehemalige Fitnesstrainer wenig von Kompromissen. Veganismus ist für ihn der einzige Weg um Tiere vor Leid zu bewahren. Auf seinem Instagram-Kanal fordert er Skeptiker zu einer Debatte auf. Angebot angenommen!

Salto.bz: Herr Felderer, wie oft ecken Sie mit Ihrem veganen Lifestyle an?

Daniel Felderer: Um ehrlich zu sein gar nicht, also mir fällt keine konkrete Situation diesbezüglich ein.

Zum Beispiel im Restaurant?

Klar, ich kriege jetzt nicht immer genau das, was ich mir gerade wünsche, aber in fast jedem Lokal gibt es Reis, Nudeln, Gemüse, Obst, Brot etc. Man findet immer eine Alternative. Und auch wenn es jetzt nicht genau das Gericht ist, was ich mir vorstelle, aber dafür musste kein Tier wegen mir ausgebeutet werden.

Wenn Sie sich zum Essen verabreden, müssen Sie aber auf jeden Fall die Speisekarte zuerst checken?

Wenn ich mit Freunden essen gehe, schlage ich meist vegane Lokale oder Lokale mit veganen Optionen vor. In meinem Umfeld hat auch niemand etwas dagegen mal ein veganes Gericht zu probieren. Normalerweise gibt es aber auch in anderen Lokalen immer eine vegane Option. Manchmal muss man auch nur ein tierisches Produkt von einem Gericht weglassen, beispielsweise die Mozzarella auf der Pizza. In den Städten gibt es natürlich bereits vegane Alternativen zu den angebotenen Gerichten, die Pizza wird dann beispielsweise mit veganem Käse serviert. Das kommt jetzt auch in Südtirol vermehrt.

Und wenn man eingeladen wird?

Klar, am Anfang habe ich oft noch tierische Produkte angeboten bekommen. Ich habe aber von Anfang an erklärt, dass ich mich nur mehr pflanzlich ernähre. Das ist meine Aufgabe als Veganer. Es reicht nicht zu sagen, ich mag das nicht mehr, sondern man muss den Menschen auch die Hintergründe von Veganismus erklären, dann verstehen mich die Leute auch. Mittlerweile wissen alle in meinem Umfeld Bescheid und ich werde von ihnen auch kaum mehr mit tierischen Lebensmitteln konfrontiert. Ich bekomme auch beispielsweise keine Schokolade oder Produkte aus Leder mehr geschenkt, denn alle die mich kennen wissen, dass ich sie nicht annehmen würde.

Insektenhaltung finde ich ethisch korrekter

Wo liegen die größten Herausforderungen eines veganen Lifestyles?

Die Herausforderungen liegen am ehesten im Ausland oder in neuen Geschäften. Da muss man sich anfangs ein wenig herantasten und auch mal die Inhaltsstoffe der Produkte durchlesen. Aber im Endeffekt ist es daran noch nie gescheitert. Es dauert ein wenig, bis man ein Gefühl für vegane Inhaltsstoffe bekommt, das gebe ich zu, aber es ist auf jeden Fall kein Problem und kommt mit der Zeit eigentlich von alleine.

Vermissen Sie nicht den Geschmack von Fleisch, wenn Sie ein hochwertiges Fleischgericht sehen?

Bei mir überwiegt die moralische Überzeugung. Ich sehe gar kein saftiges Stück Fleisch mehr, sondern ein Lebewesen, das für meinen Genuss sterben musste. Die meisten von uns könnten keinen Hund essen, aber bei „Nutztieren“ fehlt jegliches Mitgefühl. Sobald dieser Gedanke einmal erzeugt wurde, dass diese Tiere jedoch gleichwertig fühlende Wesen sind, stellt sich diese Frage nicht mehr. Mein Geschmackserlebnis ist nicht wichtiger als die Existenz eines Tieres. Und selbst wenn ich Lust darauf hätte, gibt es mittlerweile leckere Ersatzprodukte wie beispielsweise „Beyond Meat“ aus Erbseneiweiß. Man hat also diese Option, warum lässt man dann trotzdem noch Tiere schlachten?

Vielleicht aus traditionellen/kulturellen Gründen oder aus Bequemlichkeit?

Ja sicher, aber was sind das für Argumente? Nur weil wir etwas immer schon getan haben, müssen wir es weiterhin tun? Mit dieser Einstellung hätte die Menschheit auch die Sklavenhaltung nie abgeschafft.

Es gibt unzählige Konsumenten aus ärmeren Gesellschaftsschichten, die billige Tierprodukte bevorzugen, weil sie weder die finanziellen Ressourcen haben gute Produkte zu kaufen, noch die Energie sich mit solchen Thematiken auseinanderzusetzen. Wie würden Sie dieses Problem lösen?

Ich finde diesen Punkt immer interessant, weil pflanzliche Produkte im Endeffekt am günstigsten sind. Nehmen wir Reis, Linsen, Weizen, Getreide, Brot, Obst, Gemüse, Nüsse etc. her. Diese Lebensmittel sind eigentlich für fast alle Menschen zugänglich.

Ich sehe gar kein saftiges Stück Fleisch mehr, sondern ein Lebewesen, das für meinen Genuss sterben musste

Es gibt aber Regionen, die begrenzten Zugang zu pflanzlichen Lebensmitteln haben beispielsweise Inuit-Dörfer in Grönland, Nomadenhirten in den kargen Gegenden Asiens oder Afrikas: Diese Völker hätten ohne die Nutzung von Tieren teilweise keine Lebensgrundlagen. Was sagen Sie dazu?

Auch hier würde es wahrscheinlich Wege geben, aber wenn es ums pure Überleben geht, ist der Konsum von tierischen Produkten wieder ein anders Thema. Aber hier handelt es sich eher um eine Minderheit würde ich sagen. Wir sind ja zum Glück in der privilegierten Lage, uns mit dieser Thematik auseinandersetzen zu dürfen und sollten es daher auch machen.

 

Werden bei einer konsequent veganen Ernährung nicht genauso moralisch wichtige Faktoren wie Regionalität und Saisonalität bei Lebensmitteln vernachlässigt? Stichwort CO2 Ausstoß etc.?

Ich bevorzuge auch regionale Produkte, aber der Fokus eines Veganers liegt beim Tierschutz. Obwohl regionale Produkte nicht immer eine bessere Qualität garantieren.

Ist für Sie also der Konsum einer Avocado aus Südamerika welche pro Kilogramm 1.000 Liter Wasser verbraucht und um die halbe Welt transportiert wird moralisch vertretbarer, als ein Ei eines Huhns, welches jemand nach bestem Wissen und Gewissen in seinem Garten hält?

Für eine Avocado musste halt kein Lebewesen ausgebeutet werden. Pflanzliche Produkte haben allgemein einen viel geringeren Einfluss auf die Umwelt als tierische Produkte. Und wie viele Hühner leben in Wirklichkeit auf diese Art und Weise?

In Südtirol beispielsweise gibt es durchaus Bauernhöfe wo darauf Wert gelegt wird, dass es den Tieren gut geht.

Ja das mag schon sein, aber sie werden trotzdem als möglichst profitable Ressource missbraucht (beispielsweise durch künstliche Befruchtungen, Verabreichung von Präparaten etc.) und landen am Ende auf der Schlachtbank.

Nur weil wir etwas immer schon getan haben, müssen wir es weiterhin tun?

Sie setzen mit Ihrem Aktivismus beim Konsumenten an, auch werden Missstände oft auf das Konsumverhalten geschoben, obwohl die Politik unzumutbare Zustände wie Massentierhaltungsanlagen, Überfischung nicht nur erlaubt, sondern teilweise sogar subventioniert. Finden Sie nicht, dass es auch die Aufgabe der Politik wäre, Maßnahmen für ein anderes Konsumverhalten zu setzen?

Der Konsument drückt mit seinem Konsum den imaginären Knopf, der die Versklavung, Misshandlung und Tötung eines Tieres veranlasst. Es fängt beim Konsumenten an und hört beim Produzenten auf. Aber auch Politik und Wirtschaft müssten handeln.

Wissen alle Konsumenten über diesen Knopf Bescheid?

Viele vielleicht nicht, vor allem bei tierischen Produkten wie Milch, Milchprodukte und Eier. Über diese Themen wusste ich auch lange nicht Bescheid. Aber sobald einem diese Vorgänge bewusst werden, macht man sich selbst verantwortlich für das, was geschieht. Politik kann viel erreichen, aber der Konsument sorgt für die Nachfrage und der Produzent reagiert. Deshalb will ich ja aufklären…

Kann man so viel Aufklärungsarbeit überhaupt leisten? Jemand hat mal gesagt: „So lange ein totes Tier mehr Wert ist, als ein lebendes wird es Massentierhaltung geben.“ Die Fridays For Future Bewegung beispielsweise richtet ihren Protest primär an die Politik und nicht an den Konsumenten…

Ich sehe das eher als Schuldzuweisung. Weil dann esse ich beruhigt meine tierischen Produkte und warte, bis die Politik handelt.

Aber wieso muss man als Konsument bei jedem Produkt darauf achten, dass es nicht unter ungeheuerlichen Umständen produziert wurde?

Ich bin der Meinung, es fängt beim Konsumenten an und die Politik und Wirtschaft muss dann auch dementsprechend handeln, mit Subventionen etc. Der Konsument finanziert halt diese Prozesse.

Was halten Sie von Labels wie Bio etc.?

Gar nichts! Ich finde diese Labels sogar gefährlich, weil mit glücklichen Tieren geworben wird. Viele Konsumenten haben aber keine Ahnung von Schlachtungen etc. Und nur weil ein Tier glücklich war, darf ich es töten?

Wer heute noch in die tierische Landwirtschaft einsteigt oder investiert, schießt sich selbst ins Knie

Was ist mit den ganzen Arbeitsplätzen, die an die Tierzuchthaltung gebunden sind? Was ist mit Bauern, Landwirten und Metzgern?

Ich sehe diese Situation aus der Sicht des Opfers und nicht des Täters. Ein Tier hat keine Chance, sein Leben zu ändern, der Mensch schon. Die Veganisierung ist kein Prozess, der von heute auf morgen eintritt. Wo eine Tür zugeht, geht die nächste auf. Wir brauchen keine tierische Landwirtschaft, wir werden aber immer Landwirtschaft brauchen. Anstatt die Preissenkung von Eiern und Milch zu subventionieren oder Verluste der Tierlandwirtschaft auszugleichen, müsste man den Ausstieg der Bauern aus der tierischen Landwirtschaft fördern. Es gibt auch bei uns bereits solche Bauernhöfe, die komplett auf pflanzliche Landwirtschaft umgestiegen sind, beispielsweise ein Hof in Tanas. Ein weiteres Beispiel, das ich live erlebt habe: In England hat eine Milchfarm ihre Kühe auf Lebenshöfe geschickt und auf pflanzliche Landwirtschaft umgerüstet. Sie produziert jetzt Gemüse und Hafermilch und verbraucht mittlerweile einen Bruchteil der ursprünglichen Ressourcen. Der Lebenshof ist ein spendenfinanziertes Konzept, wo Tiere bis an ihr Lebensende bleiben dürfen, ohne für die Milch- oder Fleischindustrie missbraucht zu werden.

Die können aber nicht von heute auf morgen ihren Lebensunterhalt komplett umstellen, wer finanziert den Umstieg?

Es gibt bereits Ausstiegsprogramme, wie beispielsweise „Refarm‘d“ in Europa, die sehr gut funktionieren. Und ganz ehrlich: Wer heute noch in die tierische Landwirtschaft einsteigt oder investiert, schießt sich selbst ins Knie.

Insekten werden oft als Nahrungsmittel der Zukunft gehandelt. Sie haben einen hohen Nährwert, viele Proteine und einen geringen CO2 Wert. Außerdem verbrauchen sie sehr wenig Platz, Wasser und Futter. Was halten Sie davon?

Ich finde es besser als die momentane Tierlandwirtschaft, aber es ist meiner Meinung nach keine Patentlösung.

Besser weil Sie glauben, dass Insekten weniger fühlen?

Insekten haben sicher auch eine Art Schmerzempfinden, aber ich glaube, für sie ist es weniger schlimm auf kleinem Raum herangezüchtet zu werden. Insektenhaltung finde ich daher ethisch korrekter. Dennoch sind es immer noch Lebewesen, die ich bewusst heranzüchte und umbringe. Obwohl es pflanzliche Alternativen gäbe…

Vegane Produkte sind oft hoch verarbeitet und werden im Labor zusammengepantscht. In industriellem Fleischersatz stecken oft Geschmacksverstärker, zu viel Salz und Fett. Das kann wohl kaum gesünder sein als beispielsweise ein Milchprodukt einer Alm-Ziege?

Fleischersatzprodukte sind nicht das Optimum, aber meiner Meinung nach immer noch gesünder als Fleisch. Es gibt natürlich bessere und schlechtere, man sollte beispielsweise Transfette vermeiden. Fleischersatzprodukte sind aber immer noch pflanzlicher Herkunft und haben keine gesättigten Fettsäuren und kein Cholesterin. Diese verursachen Diabetes, Herz-Kreislaufstörungen und Schlaganfälle. Auch ist rotes Fleisch krebserregend. Niemand muss Fleischersatzprodukte konsumieren, es gibt genügend natürliche, pflanzliche Lebensmittel. Ich persönlich esse kaum Fleischersatzprodukte, weil ich sehr auf meine Gesundheit achte. Wenig verarbeitete pflanzliche Lebensmittel sollten da schon ca. 80% der Ernährung ausmachen.

Wir sind zum Glück in der privilegierten Lage, uns mit dieser Thematik auseinandersetzen zu dürfen und sollten es daher auch machen

Obwohl der größte Anteil der Sojafelder für Tierzuchtanlagen in Europa verwendet wird, ist Soja häufig ein Inhaltsstoff in veganen Produkten. Für den Anbau wird Regenwald abgeholzt, Unmengen an Wasser verbraucht und solche Mengen Glyphosat versprüht, dass die Einheimischen krank werden. Wäre es nicht ökologisch sinnvoller Lebensmittel zu konsumieren, die die unmittelbare Natur hergibt, wie früher auf einem Selbstversorger-Hof beispielsweise?

Soja ist gesund und ressourcenschonend. 86% der Sojafelder in Südamerika werden für die Tierlandwirtschaft verwendet und nur 6% für den direkten Konsum. Also Veganismus mit der Abholzung des Regenwaldes in einen Topf zu werfen, macht keinen Sinn. Es gibt ein super Produkt namens „Taifun“, das wird in Frankreich, Deutschland, Österreich etc. produziert. Soja hat ein super Aminosäuren-Profil und ist eine hervorragende Proteinquelle. Die ökologischen und gesundheitlichen Aspekte sind für mich aber ein anderes Paar Schuhe. Mein Ziel ist es, das Tierleid so gut es geht zu minimieren.

Laut neusten Ergebnissen eines Studienprojekts des deutschen Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) wurde ein erheblicher Jodmangel bei der sich vegan ernährenden Testgruppe festgestellt. Außerdem gibt es weitere Mängel an Nährstoffen, beispielsweise Eisen oder B12. Wie gefährlich ist ein radikaler Umstieg auf vegane Ernährung für unsere Gesundheit?

Es gibt keine tierischen Lebensmittel die Nährstoffe enthalten, welche nicht auch in pflanzlichen Lebensmitteln vorkommen. Auch Jod, Eisen, Omega3 etc. Am ehesten sind die Nährstoffe mangelhaft, die auch bei Vegetariern und Fleischessern mangelhaft sind. Ich persönlich supplementiere ausschließlich Vitamin B12.

Wie gut muss man sich also in Bezug auf Nährstoffmängel bei der Umstellung auf eine vegane Ernährung auskennen?

Man sollte sich allgemein dafür interessieren, wenn einem etwas an seiner Gesundheit liegt. Ein Bluttest hat noch niemand geschadet und dann weiß man genau, welche Nährstoffe dem Körper fehlen. Man sollte auf jeden Fall so viele unverarbeitete Lebensmittel wie möglich zu sich nehmen, beispielsweise Reis, Quinoa, Nüsse, Linsen, Obst, Gemüse etc., dann hat man einen riesigen Anteil an Mikronährstoffen bereits abgedeckt.