Conte, Giuseppe
Foto: Filippo Attili Ufficio Stampa Palazzo Chigi
Politik | Regierungskrise

Wer wird Regierungschef?

Die Regierungskrise ist eröffnet. Die Spekulationen blühen. Eine deutliche Mehrheit der Italiener tritt für einen Verbleib Contes als Premier ein.

Alles wie gehabt. Seit Kammerpräsident Roberto Fico vom Staatsoberhaupt einen Sondierungsauftrag erhalten hat, blühen die Spekulationen. Nicht zuletzt darüber, wo die Grenzen eines solchen Auftrags liegen. Darf nur über die wesentlichen Punkte eines Regierungsprogramms gesprochen werden oder auch über die Personen, die es verwirklichen sollen?
Natürlich übt sich Italiens Presse in den gewohnten Spekulationen des totoministri. Und natürlich spielt der 73-jährige Mario Draghi in diesen Spekulationen eine wesentliche Rolle. Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt. Draghi äussert sich dazu nicht, sei aber nach Indiskretionen bereit, das Schatzministerium in einer Regierung zu übernehmen, die auch von Berlusconi und der Lega unterstützt werden müsse. Das löst im Partito Democratico Naserümpfen aus.

Im Gespräch ist auch eine andere Lösung: die ehemalige Präsidentin des Verfassungsgerichts, Marta Cartabia führt eine Regierung mit Draghi als Schatzminister. Kernfrage: Bleibt Giuseppe Conte Regierungschef? Seine Bestätigung gilt  als nahezu sicher, auch wenn sein Erzfeind Matteo Renzi ihn ersetzen will. Dabei riskiert er jedoch Rücktritte in den eigenen Reihen. Auch die Vorstellung eines governo istituzionale löst bei PD-Chef Nicola Zingaretti unliebsame Erinnerungen an Mario Monti aus. Als besonders gefährdet gelten Verkehrsministerin Paola De Michelis, Justizminister Alfonso Bonafede und Unterrichtsministerin Lucia Azzolina. Paola Severino könnte nach mehrjähriger Pause ins Justizministerium zurückkehren. Die in Südtirol gewählte Senatorin Maria Elena Boschi ist als ministra alle riforme  im Gespräch.

Natürlich übt sich Italiens Presse in den gewohnten Spekulationen des totoministri. Der Phantasie sind dabei keine Grenzen gesetzt.

Für den Fünf-Sterne-Chef Vito Crimi bleibt Giuseppe Conte "una scelta indiscutibile che garantisce un equilibrio". Ein wesentlicher Faktor in diesem Tauziehen ist, dass der Ausweg vorgezogener Neuwahlen weitgehend versperrt bleibt: Mit dem Beginn des semestre bianco, das zur Neuwahl des Staatspräsidenten führt, kann nicht mehr gewählt werden. Für das Tagblatt La Stampa ist diese Regierungskrise "una straziante e straniante opera buffa".
Und was man im Rest Europas über eine Regierungskrise mitten in der Pandemie denkt, formuliert die Frankfurter Allgemeine mit unmissverständlicher Deutlichkeit:

"In Italien hat sich die politische Klasse daran gewöhnt, entweder der EU oder Deutschland die Schuld an der Misere des Landes zu geben. Dabei ist es fast schon egal, worum es geht; zuletzt schnappte die böse deutsche Regierung den Italienern angeblich Impfdosen weg. Und was haben die Politiker des Landes auf die europäischen Partner geschimpft, weil die im Frühjahr nicht sofort bereit waren, riesige Hilfspakete für die von Corona schwer getroffenen Mitgliedstaaten zu schnüren. Jetzt ist das Geld da, Italien bekommt die gigantische Summe von 209 Milliarden Euro. Kein anderes EU-Land erhält mehr. Undwas passiert passiert in Rom? Das, was seit Jahren geschieht: Die regierende Koalition zerfleischt sich in internem Streit und fällt auseinander."

Aufschlussreich ist vor diesem Hintergrund eine am Wochenende publizierte Umfrage des Meinungsforschungs-Instituts Ipsos, nach der Giuseppe Conte mit 58 Prozent Italiens beliebtester Politiker ist. Es folgen Roberto Speranza (39), Giorgia Meloni (33), Nicola Zingaretti (30), Dario Franceschini (30), Matteo Salvini und Luigi Di Maio (28), Silvio Berlusconi (27), Vito Crimi (22) und Matteo Renzi (10). Unter den Parteien führt die Lega mit 22 Prozent vor dem Partito Democratico mit 19,3 , der Fünf Sterne-Bewegung mit 18 und Fratelli d'Italia mit 15,3 Prozent. Italia Viva bildet das Schlusslicht mit 2.3 Prozent.

Kammerpräsident Fico beginnt am Montag früh  mit seinen Beratungen. Am Verhandlungstisch sitzen PD, die Fünfsterne-Bewegung, LEU, Forza Italia, Lega, gemischte Fraktion, Autonomie-Gruppe, Italia viva und der neu gebildete gruppo dei responsabili um Tabacci. Bereits morgen muss Fico dem Staatspräsidenten über das Ergebnis seiner Beratungen berichten.

Renzi hat die vergangenen Tage zu einem umstrittenen Besuch  in Saudi-Arabien benützt, wo er sich mit dem Kronprinzen traf, für 80.000 Euro einen Vortrag hielt und sich als Werbeträger für das saudische. Regime betätigte. In dem diktatorisch regierten Land ortete Renzi eine "erhebliche Dynamik."

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Heinrich Zanon Mo., 01.02.2021 - 09:15

Matteo Renzi war mir nach seinem Erscheinen auf der großen politischen Bühne durchaus als Hoffnungsträger erschienen. Bedauerlicherweise hat sich in den späteren Jahren wohl mehrmals katastrophal verrechnet, das erste Mal, als er die Volksabstimmung zur Verfassungsreform zu einem Votum über sein weiteres politisches Wirken missbrauchen wollte.
Einer eklatanten Fata morgana scheint er auch diesmal zum Opfer gefallen zu sein.
Sein jüngster Besuch in Saudi-Arabien bei einem genauso zwielichtigen Zeitgenossen berechtigt zu einer naheliegenden Anregung: sollte man Renzi nicht nochmals und endgültig in die Wüste schicken?

Mo., 01.02.2021 - 09:15 Permalink
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Heinrich Zanon Mo., 01.02.2021 - 09:23

Matteo Renzi war mir bei seinem Erscheinen auf der großen politischen Bühne als erfrischender Hoffnungsträger erschienen. Bedauerlicherweise hat er sich aber in den folgenden Jahren wiederholt katastrophal verrechnet, das erste Mal wohl, als er die Volksabstimmung über die von ihm angebahnte Verfassungsreform als Votum zu seiner Person und zu seiner weiteren politischen Zukunft verstanden wissen wollte.
Offensichtlich ist er auch jetzt wieder einer Fata Morgana zum Opfer gefallen.
Sein jüngster Besuch in Saudi-Arabien bei einem ebenso zwielichtigen Zeitgenossen berechtigt zu einer Anregung: sollte man Renzi jetzt nicht nochmals und endgültig in die Wüste schicken?

Mo., 01.02.2021 - 09:23 Permalink
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Hartmuth Staffler Mo., 01.02.2021 - 09:25

Senatorin Unterberger hat im Fernsehen einer Regierung Conte die bedingungslose Unterstützung zugesagt. Das hat es noch nie gegeben, dass die SVP an die Unterstützung der Regierung keine Bedingungen knüpft. Es ist auch politische gesehen absurd. Die Unterwürfigkeit der Unterberger gegenüber Conte ist wirklich seltsam.

Mo., 01.02.2021 - 09:25 Permalink
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Hartmuth Staffler Mo., 01.02.2021 - 14:55

Senatorin Unterberger hat ausdrücklich erklärt, dass die Unterstützung der Regierung durch die SVP ohne Bedingungen erfolgt. Die Floskel vom Schutz der Minderheiten und der Autonomien ist daher nur ein frommer Wunsch bzw. ein Feigenblatt, um zu verdecken, dass die SVP sich dem Conte bedingungslos (so das Wort der Unterbergerin) ausgeliefert hat. Gute Politik geht anders.

Mo., 01.02.2021 - 14:55 Permalink
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Unterberger Julia Mo., 01.02.2021 - 16:31

Ihre Interpretation ist schon sehr böswillig, lieber Herr Staffler. Ich wollte zum Ausdruck bringen, dass die SVP sich in dieser Krisensituation verantwortungsvoll verhält und nicht versucht politisches Kleingeld aus den knappen Mehrheitsverhältnissen zu schlagen. Italien braucht jetzt dringend eine handlungsfähige Regierung. Dazu tragen wir bei. Unsere Anliegen bringen wir zum gegebenen Zeitpunkt natürlich wieder deutlich vor.

Mo., 01.02.2021 - 16:31 Permalink
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Hartmuth Staffler Mo., 01.02.2021 - 17:02

Antwort auf von Unterberger Julia

Ich habe festgestellt, dass die SVP bisher ihre Unterstützung von Regierungen in Rom immer an Bedingungen geknüpft hat. Eine bedingungslose Unterstützung ist vollkommen neu und in meinen Augen auch politisch gesehen falsch. Gerade in Rom funktioniert ja alles nur nach dem Motto "do ut des". Ich habe das seltsame Verhalten der SVP weder böswillig noch sonst wie interpretiert, sondern lediglich festgestellt, dass es neu und nach politischen Kriterien absurd ist. Das ist meine Meinung als politischer Beobachter.

Mo., 01.02.2021 - 17:02 Permalink
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Hartmuth Staffler Mo., 01.02.2021 - 16:31

Das hat mit meinem Weltbild nichts zu tun, und verdreht habe ich schon gar nichts. Die Unterberger hat im Fernsehen erklärt, dass sie die Regierung Conte bedingungslos unterstützt. Das kann dann jeder interpretieren wie er will, Tatsache ist, dass die SVP ihre Unterstützung für Conte an keine Bedingungen knüpft, und das ist neu. Ob man es gut oder schlecht, richtig oder falsch findet, das muss jeder selbst entscheiden. Ich finde es zumindest seltsam, aber das hat nichts mit meinem Weltbild zu tun, sondern höchstens mit meiner Kenntnis der politischen Gepflogenheiten.

Mo., 01.02.2021 - 16:31 Permalink
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evelin tschenett Mo., 01.02.2021 - 17:39

Bisher war es effektiv so, dass die SVP in Momenten wie diese, wo jede Stimme von Bedeutung war, ihre Stimme im Vorfeld an Bedingungen geknüpft hat, wie Herr Staffler richtig zum Ausdruck bringt. Die Aussage von Frau Unterberger, dies im Nachhinein einzuhandeln ist auch für mich schwer nachvollziehbar. Zudem habe ich am Regionenminister Boccia bis dato keine Autonomiefreundlichkeit erkennen können, im Gegenteil. Dies ist weder böswillig gemeint, sondern ebenfalls eine persönliche Meinung.

Mo., 01.02.2021 - 17:39 Permalink
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Christian I Mi., 03.02.2021 - 12:30

Was Italien dringend braucht, mehr noch als ein Regierungswechsel, ist ein KULTUR-Wechsel: 110 Milliarden Steuerhinterziehung, Korruption auf alle Ebenen, "furbetti" als Lebenseinstellung, Bürokratie zum Umfallen.

Mi., 03.02.2021 - 12:30 Permalink