Gesellschaft | brennglas

“Offen zum Ausdruck gebrachte Wut”

Beim Katholische Forum sorgt man sich um den sozialen Frieden – und lanciert einen Aufruf an Politik und Gesellschaft.
Demo 7 febbraio 2021
Foto: Othmar Seehauser

“Wir sehen die zunehmende Verrohung im öffentlichen Diskurs mit großer Sorge.” Franz Tutzer spricht als einer der Vorsitzenden des Katholischen Forums für 15 Laienorganisationen. Nicht erst seit dem Protest vom Sonntag sorgt man sich dort – und mahnt nun mit einem öffentlichen Aufruf zum gesellschaftlichen Zusammenhalt. Denn: “Das Netz des sozialen Friedens ist zerbrechlich.”

 

Der Aufruf im Wortlaut

 

Die medial übermittelten Bilder von der Versammlung der “Freien Bürger” vor dem Landhaus am vergangenen Sonntag sind noch frisch. Erinnerungen an die Erstürmung des Kapitols in Washington Anfang Jänner tauchen auf. Gemeinsam ist beiden Anlässen eine offen zum Ausdruck gebrachte Wut. Zielscheibe der Wut sind  “die da oben”, verantwortlich für alles, was nicht gut geht. 
Die derzeitige Situation der anhaltenden Pandemie ist schwierig, ja für bestimmte Berufsgruppen, für Familien, für Kinder und Jugendliche oder Arbeitslose extrem schwierig. Wie durch ein Vergrößerungsglas werden soziale Nöte, Brüche und Verwerfungen in dieser lang andauernden Krise mit einer kaum gekannten Deutlichkeit sichtbar. Der Unmut der Betroffenen ist verständlich, das Vertrauen in  die Kompetenz der Politik scheint mehr und mehr zu schwinden. 
In dieser schwierigen Situation erscheint uns der gesellschaftliche Zusammenhalt als eine Grundvoraussetzung, um die großen Herausforderungen, die diese Pandemie zweifellos für alle darstellt, bewältigen zu können. Von Wut und Hass erfüllte Tiraden gegen demokratisch gewählte Personen und Institutionen, menschenverachtende Botschaften in sozialen Medien und digitalen Foren sind Gift für das zerbrechliche Netz des sozialen Friedens. Dafür gibt es keine Rechtfertigung. 
Das Katholische Form sieht die zunehmende Verrohung im öffentlichen Diskurs mit großer Sorge. Demokratie lebt vom Streit und von der harten Auseinandersetzung in der Sache. Rationale Auseinandersetzung erfordert allerdings mehr Anstrengung als emotionale Schuldzuschreibung. Die Pandemie hat uns noch im Griff, doch es wird eine Zeit nach der Pandemie kommen. Es geht für die politischen Vertreter darum, das Gespräch mit den Entmutigten und Enttäuschten dort nicht abbrechen zu lassen, wo es noch eine gemeinsame Basis für ein Gespräch gibt. Ein Aufruf ergeht aber an uns alle: nicht leichtfertig über mediale Hassbotschaften und öffentliche Hetze  hinwegzusehen, sondern zu einer maßvollen und konstruktiven Gesprächskultur beizutragen. Dies ist unabdingbar für das Durchstehen der Pandemie und für ein gutes Leben danach.