Am vergangenen Dienstag ist Chick Corea 80jährig in Tampa in Florida verstorben. In den vergangenen Tagen haben weltweit, berufenere und profunde Kenner und Kommentatoren dem Jazzpianisten und einem der Gründerväter des Jazz-Rock die letzte Ehre erwiesen. Dabei ist (fast) alles gesagt und geschrieben worden.
Trotzdem möchte ich hier mein ganz persönliches Erlebnis mit Chick Corea wiedergeben. Es ist nur ein kleiner Mosaikstein in Leben eines musikalischen Genies, der aber deutlich macht, wie bescheiden und menschlich dieser große Star war.
Ich bin Chick Corea genau zweimal im Leben persönlich begegnet. Das letzte Mal als er vor knapp sieben Jahren mit seinem kongenialen Partner und Bassisten Stanley Clark in der Produktionshalle der Leitner-Firma „Prinoth“ in Sterzing auftrat. Es war ein wunderschöner Abend. Die beiden Ausnahmemusiker zelebrierten kein steriles Hochamt des Jazz, sondern vor den Zuhörern saßen zwei Freunde, die sich lässig und locker durch die Musikgeschichte spielten, die miteinander scherzten und lachten. Es war der Spaß und die Leidenschaft an ihrer Musik, die vom ersten Ton an auf die Zuhörer übersprangen und die die Produktionshalle für Schneekatzen in einen magischen Ort verwandeten. Ich bin glücklich, dass ich an diesem Abend im Publikum saß.
Das erste Mal begegnet bin ich Chick Corea aber 27 Jahre vorher. Damals nicht als Zuhörer, sondern auf der Bühne.
Es war am Nachmittag des 27. Juni 1987 in der Bozner Stadthalle (Palasport in der Reschenstraße). Wir arbeiteten als „Stage Hands“, sozusagen als Hilfsarbeiter, für den „Jazz Summer“, das damals noch „echte“ Jazzfestival von Nicola Ciardi organisiert. Für musikbegeisterte Typen – wie Reinhold Giovanett und mir – war es nicht nur ein gutbezahlter Sommerjob, sondern auch eine faszinierende Gelegenheit hinter die Kulissen des großen Musikbusiness zu blicken.
Chick Corea trat an diesem Abend ebenfalls im Duo auf. Mit dem Vibraphonisten Gary Burton. Die wenigen Instrumente waren relativ schnell auf der Bühne platziert und so warteten wir am Nachmittag auf die Musiker, die den Soundcheck machen sollten. Irgendwann – als wir alleine in der Halle waren - habe ich mich dabei ganz frech an den Yamaha-Flügel gesetzt und zu klimpern begonnen. Und ganz plötzlich stand wie aus dem Nichts gekommen Chick Corea hinter mir.
Das erste Mal bin ich Chick Corea vor fast 34 Jahren begegnet. Auf der Bühne.
Ich wollte eigentlich unmittelbar in den Boden versinken. Doch Chick Corea lächelte nur, als es mich erschrocken aufspringen sah, und sagt freundlich: „Nein, bleib sitzen und spiel“. Als ich ganz kleinlaut erwiderte, „Ich kann nicht spielen“ wurde sein Grinsen noch breiter. „Jeder kann spielen“, war sein Kommentar.
Das war Chick Corea ein völlig unprätentiöser Künstler. Irgendwann während des Soundchecks wollte er einen Kaffee. Er fragte ganz ruhig und höflich, ob ich ihm nicht ein Espresso holen könnte. Wobei er ein „sorry“ an den Satzanfang stellte. Er bedanke sich mehrmals für den Kaffee. Das alles war nicht gekünstelt, sondern Ausdruck seiner Umgangsformen. Selten habe ich einen so großen Star erlebt, der so höflich und bescheiden war.
Ähnlich war nur Trilok Gurtu, der in jenem Jazz-Sommer 1987 mit dem legendären Quartett „Oregon“ ebenfalls in der Bozner Stadthalle auftrat. Der geniale indische Perkussionist spielte unter anderem mit Kübeln, die mit Wasser gefüllt waren. So wurden wir an diesem Abend im wahrsten Sinne des Wortes zu seinen Wasserträgern. Auch Gurtu war dabei von einer Direktheit und Freundlichkeit, die einem das Herz erwärmten.
Dass es auch ganz anders geht und man auch im Jazz die miesesten Seiten des Starrummels heraushängen lässt, zeigte wenige Tage später die „Pat Metheny Group“. Die Details will ich lieber vergessen.
Aber an den großen Chick Corea werde ich mich immer erinnern. Und sein: „Bleib sitzen und spiel“.