Die Zahl der Frauenmorde in Italien wächst bedrohlich. Besonders tragisch muten die Begleitumstände der jüngsten Ermordung in Genua an. Dort wurde die 69-jährige Inhaberin eines Schuhgeschäftes vor wenigen Tagen von ihrem ehemaligen Lebensgefährten mit über 30 Messerstichen umgebracht. Clara Ceccarelli war offenbar davon überzeugt, ihrem Schicksal nicht entgehen zu können. Sie hatte ihre eigenen Beerdigungskosten bereits bezahlt und ein Grab am städtischen Friedhof erworben, einen Tutor für ihren behinderten Sohn und den greisen Vater engagiert. Die Frage, warum sie keine Anzeige erstattet hat, erübrigt sich.
"È un caso frequente", bestätigt Manuela Cecconi, Leiterin des centro antiviolenza Mascherona in Genua, das vor dem Geschäft des Opfers eine Kundgebung organisierte. " Spesso la donna che denuncia non va fino in fondo per paura, per il timore che la situazione degeneri con più pesanti ritorsioni." Die Polizei verweist darauf, dass zwar eine Anzeige wegen Beschädigung des Geschäftes vorliege, aber ohne Namen des Täters: "Non compaiono nomi e cognomi."
Eines der Kernprobleme dabei: viele Frauen haben Angst vor der Reaktion der Männer, die sie belästigen. Das bestätigt auch der 84-jährige Vater des Mordopfers, Sergio Di Marco: "Mia figlia non mi raccontava tutto quello che le stava accadendo. Credo che lo facesse per proteggermi." Mit der Trennung seiner Tochter von ihrem Lebengefährten habe ein lange Serie von Gehässigkeiten begonnen: "L'orina sulla sarcinesca, l'auto rigata, la serratura della porta rotta." Die Frauenbewegung hat beschlossen, den Asphalt der Strasse, in der sich das Geschäft der Ermordeten befindet, zum Tag der Frau am 8. März rot zu färben.
In Rom wurde am Wochenende ein 32-jähriger Unternehmer verhaftet, der versucht hatte, mit seinem Wagen eine junge Frau zu überfahren, die mit ihrer Freundin in der Nähe des Petersdoms unterwegs war. Der Mann wollte die Frau offenbar dafür strafen, dass sie sich in seinem Massagesalon nicht gefügig gezeigt hatte. Die verletzte Freundin musste ins Krankenhaus gebracht werden
Allein am gestrigen Montag waren zwei neue Frauenmorde zu beklagen.
In Turin ist vor wenigen Tagen ein Gerichtsverfahren zu Ende gegangen, das eine piemontesische Kindergärtnerin angestrengt hatte. Ihr ehemaliger Lebensgefährte hatte nach dem Bruch der Beziehung intime Bilder ins Netz gestellt. Sie war darauf von der Leiterin des Kindergartens entlassen worden. Diese und zwei weitere Kolleginnen wurden jetzt zu 12 Monaten Haft verurteilt. Die Betroffene: "È successo perchè sono una donna. Agli uomini è concesso tutto. Se al posto mio ci fosse stato un ragazzo, sarebbe stato considerato un figo."
Allein am gestrigen Montag waren zwei neue Frauenmorde zu beklagen. In Maso Saracini bei Corterano, einem Vorort von Trient, wurde die 42-jährige Deborah Saltori von ihrem Mann mit einem Beil erschlagen. Die Tageszeitung L'Adige spricht von einem "femminicidio annunciato". Dem Mann hatte die Quästur nach mehreren Gewalttaten einen Hausarrest bei seinen Eltern verordnet. Auch das konnte die Bluttat an der Mutter von 4 Kindern nicht verhindern.
In Bondeno bei Ferrara wurde die 50jährige Rossella Placani tot in ihrer Wohnung aufgefunden. Als Täter verhaftete die Polizei ihren 45-jährigen Lebensgefährten, der nach längerem Verhör gestanden hat, seine Frau nach einem Streit erschlagen zu haben.
2018 wurden in Italien 133 Frauen ermordet, 2019 waren es 111 und im vergangenen Jahr 131. Eine erschreckende Bilanz.