Gesellschaft | bodyshaming

“Patientin mit Übergewicht”

Nach zahlreichen Erfahrungsberichten von Müttern, die in ihrer Schwangerschaft wegen ihres Körpers abgewertet wurden, wendet sich eine Gruppe Frauen an die Gynäkologen.
Schwangere
Foto: Mustafa Omar on Unsplash

“Halten Sie fest: Patientin mit ADIPOSITAS.” Wie bitte? Die Betroffene traute ihren Ohren nicht als sie, hochschwanger, bei einer Vorsorgeuntersuchung ihren Gynäkologen diesen Satz zur Krankenschwester sagen hörte. Damit steht die Frau, die ihre Erfahrung in der Facebook-Gruppe “Südtirols Sister – SUSI” teilt, nicht alleine da.

“Immer mehr Frauen berichten von (ab)wertenden Kommentaren über ihren Körper während der Schwangerschaft seitens der Gynäkologinnen und Gynäkologen oder des Fachpersonals während der Vorsorge- bzw. Kontrolluntersuchungen”, hat Magdalena Platzer mitbekommen. Platzer ist in der Fachstelle für Essstörungen im Forum Prävention INFES tätig und hat nun gemeinsam mit weiteren Frauen einen offenen Brief verfasst. Damit wenden sie sich an die Ärztinnen und Ärzte der Gynäkologie und wollen sie für das Thema “Bodyshaming in der Schwangerschaft” sensibilisieren.

Als Bodyshaming wird die Abwertung, Beleidigung oder Demütigung von Menschen aufgrund ihres äußeren Erscheinungsbildes bezeichnet. Vor allem Mädchen und Frauen sind davon betroffen. Im Falle der Schwangeren “geht es meistens um verletzende Bemerkungen über ihre runden Formen oder die Gewichtszunahme”, erklärt Platzer.

 

Die Berichte einiger Frauen

 

“Quando ero incinta ho preso 18 chili e il mio ginecologo mi diceva che ero troppo grassa. Secondo lui avrei dovuto prendere 10 kg al massimo. Ma io non mangiavo eccessivamente e facevo anche tanto movimento. Dopo la nascita di mio figlio ho perso tutti i chili accumulati solo allattando ed ero più magra di prima”

“Ich bin aktuell im 9. Monat schwanger und traf bei der letzten Vorsorgeuntersuchung auf einen Arzt der Superlative. Nach dem obligatorischen Wiegen ließ er den Spruch fallen: ‘Sie passen wohl gar nicht darauf auf, was Sie essen.’ Ich: ‘Nein, eigentlich nicht…’ Eckdaten: Start meiner Schwangerschaft mit einem Gewicht von 73 kg bei einer Größe von 1,76 cm entspricht einem BMI von 23,3 (Normalgewicht). Aktuelle Zunahme in der Schwangerschaft 14 kg. Dann blickt er zur Krankenschwester und sagt: ‘Halten Sie fest: Patientin mit ADIPOSITAS.’ Wie bitte? Ich, perplex und hochschwanger, fühle mich, als wäre ich das riesigste Walweibchen, das dieser Arzt je gesehen hat”

“Ho passato tutta la gravidanza sentendomi in difetto. Ho sempre avuto problemi di sovrappeso ma da incinta sono stata spesso trattata come ‘non degna’…. Addirittura alla morfologica al 5 mese la dottoressa non mi ha fatto vedere lo schermo perché, detto da lei: "con tutto questo grasso non si vede nulla". Ero mortificata. In sostanza, oltre alle normali paure che hai in gravidanza, ti trovi ad essere sotto costante esame e giudizio”

“Ich erwartete Zwillinge, hatte bis zum 9. Monat 22 kg zugelegt, bei einem Ausgangsgewicht von 54 kg. Immer wieder wurde ich von meinem Arzt, einer Koryphäe in seinem Gebiet (darauf beschränkt es sich dann aber auch), ermahnt, Diät zu halten, nix Süßes zu essen etc. Als mache frau sich nicht schon über 100 andere Dinge Gedanken während so einer Schwangerschaft. Dabei waren es bei mir v.a. Wassereinlagerungen. Hatte 2 Wochen nach der Geburt mein Ausgangsgewicht wieder, ohne zu diäten”

“Anche io ci sono passata. Prima ecografia del mio primo figlio, commento del ginecologo: ‘Questa è la giornata delle sirene!’ Sarebbe dovuto essere il giorno più bello della mia vita, perché avrei sentito per la prima volta il battito del mio bambino, invece quel cretino ha rovinato tutto!”

“Anfangs des neunten Monats meiner Schwangerschaft habe ich die Grippe bekommen. Von lauter Husten konnte ich nicht schlafen. Die Halsschmerzen verhindert die Nahrungsaufnahme. Bei meiner 1,60 Größe und 50 Kg Normalgewicht habe ich 11 Kg zugenommen. Die Aussage des diensthabenden Frauenarztes im KH werde ich nie vergessen: ‘Medikamente bekommen Sie in Ihrem Zustand keine. Und dass Sie nicht essen können? Das ist bei Ihrem momentanen Gewicht eh besser.’”

“Quando sono rimasta incinta pesavo 58 kg per 1,70 cm di statura, quindi normopeso. Quando ero di circa 4 mesi andai a fare una visita di controllo e il ginecologo che c’era quel giorno mi ha fatto una ramanzina perché ero aumentata di 4 kg. Io ero scioccata. Ho spiegato al medico che fin da subito avevo cercato di mangiare sano e leggero, tant’è che il mio compagno mangiando quello che preparavo per me era addirittura dimagrito. Lui mi ha dato della bugiarda, dicendomi che in Africa le donne mettono su al massimo 5 kg in tutta la gravidanza e che se non la smettevo di ‘abbuffarmi’ mettevo in pericolo mio figlio. Sono uscita piangendo, sentendomi una merda”

“Der Besuch bei der Gynäkologin wurde zur Qual: Jedes Mal wurde ich aufs Neue ermahnt und zusammengestaucht. Einmal meinte sie, ich solle doch einfach an Stelle von zwei Kugeln Eis nur eine essen. Dabei war ich nach dem Abstillen ohne jegliche Diät wieder bei meinem Startgewicht“

“A me è stata fatta pressione perché non prendessi più di 1 kg il mese per entrambe le gravidanze. Alla prima gravidanza sono partita in sovrappeso e ho preso 12kg durante la gestazione e mi è stato detto più volte che sul mio corpo c'era troppa ciccia. Alla seconda gravidanza sono partita normopeso ed ho preso solo 7kg: durante la villocentesi, la morfologica e le varie ecografie di secondo livello che ho dovuto fare, mi è stato detto che siccome avevo tanta ciccia sulla pancia non si riusciva a lavorare bene.”

“Dass sich während des Kaiserschnitts der Arzt erlaubt hat folgendes zu sagen: ‘Da sind aber ganz schön viele Fettschichten, der schmeckt wohl die Pasta…’”

 

Appell und Aktion

 

Was wollen Gynäkologen mit solchen Kommentaren bezwecken? “Die Erfahrungsberichte zeigen jedenfalls, dass Frauen dadurch verunsichert wurden und die Sorge um das ungeborene Kind (‘Mache ich alles richtig?’) zunahm”, halten die Verfasserinnen des offenen Briefs fest. Ihr Appell an die Frauenärzte: “Mit diesem Schreiben möchten wir Sie als Fachpersonen bitten, Frauen in dieser besonderen Phase ihres Lebens zu unterstützen. Jede werdende Mutter will nur das Beste für ihr ungeborenes Kind und versucht mit einer möglichst gesunden und positiven Schwangerschaft dem Kind den besten Start ins Leben zu ermöglichen. Urteilende Kommentare über Gewicht, Figur und Aussehen sind weder nützlich noch hilfreich. Sie sind verletzend. Sollte eine Frau aus gesundheitlichen Gründen an Gewicht verlieren, so sollte man sich die Frage stellen ob die Schwangerschaft der richtige Zeitpunkt dafür ist. Bitte beachten Sie bei den Untersuchungen, Frauen kompetent und fachgerecht zu informieren. Sie würden damit helfen, werdende Mütter zu stärken und ihnen einen positiven und gesunden Umgang mit dem sich verändernden Körper in der Schwangerschaft zu vermitteln.”

Das Thema Bodyshaming hat auch die Gemeinde Bozen aufgegriffen. Mit einer Plakatkampagne zieht die Stadt seit einigen Tagen gegen Schönheitsideale, den Druck, der damit vor allem auf Mädchen und junge Frauen entsteht und die damit zusammenhängenden Beleidigungen und Herabwürdigungen zu Felde.

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Markus Lobis Mi., 24.02.2021 - 12:20

ÄrztInnen müssten sich im Studium verpflichtend mit ÄrztIn/PatientInnenkommunikation beschäftigen. Sie werden zu FachexpertInnen herangebildet, die dabei auf Ihre wirkliche Rolle vergessen.

Darüber hinaus wird der Berufsgruppe eine bestimmte Portion Zynismus zugeschrieben.

Mi., 24.02.2021 - 12:20 Permalink
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gorgias Mi., 24.02.2021 - 13:12

Kann es sein, dass man im Studium der Gynäkologie nicht genau lernt wie der weibliche Körper funktioniert?

Mi., 24.02.2021 - 13:12 Permalink
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Maximi Richard Mi., 24.02.2021 - 18:53

Diese Ärzte haben einen Abschluss in Medizin und auch in Unhöflichkeit. Ich würde sofort Frauenarzt wechseln und dem neuen sagen, dass ich gewechselt habe, weil der andere frech war.

Mi., 24.02.2021 - 18:53 Permalink
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Nadine Laqua Do., 25.02.2021 - 00:30

"In Südtirol mal schnell den Frauenarzt wechseln... " ist DER Tipp überhaupt. Wer privat zahlt, kann Vorsorge machen wo man mag, im Krankenhaus werden Ärzte zugeteilt je nach Verfügbarkeit. Dies ist an und für sich schon entwürdigend. In den Zentral-Geburtsanstalten erwartet die Frauen dann auch nicht wirklich geschützte Wohlfühl-Atmosphäre, was in den kleinen Krankenhäusern anders war. Im übrigen kann man auch ohne Arzt schwanger sein und Kinder auf die Welt bringen. Aber auch das ist vom System nicht mehr so vorgesehen.

Do., 25.02.2021 - 00:30 Permalink