In den letzten Wochen war Nicola Zingaretti vorrangig damit beschäftigt, Gerüchte über seinen potentiellen Rücktritt zu dementieren. Jetzt hat er ihn vollzogen. Als Grund bezeichnete er seine Scham über das permanente Gerangel in den eigenen Reihen: "Mi dimetto, mi vergogno che nel Pd si parli solo di poltrone e primarie, quando in Italia sta esplodendo la terza ondata di Covid, c'è il problema del lavoro, degli investimenti e la necessità di ricostruire una speranza per i giovani." Seine Partei, klagt der scheidende Vorsitzende, sei in einem "monatelangen Guerillakrieg festgefahren". Seinen Rücktritt bezeichnete er als "unwiderruflich".
Die internen Machtkämpfe und Querelen hatten sich letzthin auch in sinkenden Umfragewerten niedergeschlagen. Die Ankündigung Zingarettis kam überraschend. Selbst sein Stellvertreter Andrea Orlando las sie verdutzt auf auf der Facebook-Seite des Parteichefs. Seit Giuseppe Conte seine Bereitschaft angekündigt hat, die Führung der Fünf-Sterne-Bewegung zu übernehmen, sind die Umfragewerte der Partei auf klägliche 14 Prozent gesunken, jene des M5S auf 22 Prozent gestiegen.
Im ermüdenden Richtungsstreit um die eigene Identität hat der Partito Democratico an Profil verloren. Der Protest der Frauen gegen ihre mangende Präsenz in der Regierungsmannschaft sorgte für zusätzliche Risse. Das Wundpflaster, die Posten der Staatsskretäre an Frauen zu vergeben, konnte diese Risse nur dürftig kitten. Ein Schönheitsfehler an Zingaretti war sicher der Umstand, dass er gleichzeitig das Amt als Präsident der Haupstadtregion Latium ausübte - fast als Nebenjob. Dass sein Rücktritt "aus Liebe zu Italien und zur Partei" geschehe, war nur Teil einer politischen Rhetorik, mit der eine wachsende Zahl von PD-Wählern längst nichts mehr anfangen konnte. Er habe alles unternommen, um die Partei zu erneuern, sei aber an internen Widerständen gescheitert ,"aus den Reihen jener, die in diesen zwei Jahren alle grundlegenden Entscheidungen teilten, die wir getroffen haben".
Gnadenlos das Urteil der Tageszeitung La Stampa über den PD: "Un amalgama mal riuscito di un partito senza più leader e identità". Der Rücktritt Zingarettis kann als Spätfolge der von Matteo Renzi ausgelösten Regierungskrise angesehen werden, über die nach Giuseppe Conte nun auch Nicola Zingaretti gestürzt ist. Eine in der Covid-Ära völlig unangebrachte Destabilisierung des politischen Systems. Nun soll die 1000-köpfige assemblea nazionale am 13. und 14. März über den zukünftigen Weg der Partei entscheiden. Senator Luigi Zanda: "Le dimissioni dovranno essere respinte all' unanimità." Als möglicher Nachfolger gilt der emilianische Präsident Stefano Bonaccini.