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Mit offenen Beinen gegen Sexismus

Zwei Berliner Studentinnen wehren sich gegen Männerdominanz auf innovative Art: mit einem Onlineshop für rebellische Hosen, deren Schritt Überraschendes offenbart.
manspreading
Foto: Anne Worner on Flickr

Das Patriarchat drückt sich manchmal an ungewohnten Orten aus – in einem überfüllten Bus zum Beispiel – und in nicht immer unmittelbar wahrnehmbarer Form, so etwa beim Manspreading. Um den Begriff zu verstehen, der sich aus den englischen Begriffen für Mann und spreizen zusammensetzt, stellt man sich am besten eine überfüllte U-Bahn in Berlin vor, oder auch eine Sitzbank an einer Bushaltestelle in Bozen. In einer solchen Szene ist er meist schnell zu finden: der Mann, der dort sitzt und mit weit gespreizten Beinen die größte Fläche für sich einnimmt, während er Mitmenschen in eine zusammengekauerte Sitzposition drängt.

Die Berliner Studentinnen Mina Bonakdar und Elena Buscaino waren genervt von männlichen Spreizern in der U-Bahn. Für sie ist Manspreading eine Machtdemonstration, ein Zeichen dafür, dass Männer in unserer Gesellschaft noch immer mehr Macht haben als Frauen oder Transmenschen, wie sie auf Jetzt.de erzählen. Vor etwas über einem Jahr haben sie deshalb begonnen, den Schritt ihrer Hosen mit Sprüchen zu bedrucken, die darauf aufmerksam machen sollen: „Stop spreading“ steht da. Oder „Give us space“ (zu Deutsch: „Gib uns Raum“).

 

 

Riot Pants – vom Uniprojekt zum Onlineshop

 

Was als Projekt an der Modefakultät der Universität der Künste in Berlin begann, wo Mina Modedesign  und Elena visuelle Kommunikation studieren, wurde zum Onlineshop Riot Pants, aber auch zu einer viel beachteten Aktionskunst.

Die ersten rebellischen Hosen druckten die zwei Studentinnen für sich selbst; bis sie an ihrer Uni einen Innovationswettbewerb gewannen. Der lieferte den jungen Frauen zum einen Startkapital, zeigte ihnen aber auch das Potenzial des Projekts und ermutigte sie, weiterzumachen.

Ein paar Hundert Hosen – so erzählen sie der Hamburger Morgenpost – hätten die beiden mittlerweile verkauft. Auf Instagram zieht ihr Projekt mehr als 5.500 Follower an. Vor allem erfährt ihr Projekt große mediale Aufmerksamkeit, die Riot Pants wurden im Goethe-Institut in Paris ausgestellt.

Die Hosen kaufen die beiden Studentinnen gebraucht – auf eBay Kleinanzeigen, auf Flohmärkten oder in Second-Hand-Läden – und bedrucken sie mit den feministischen Sprüchen. Interessierte können auch die eigenen Hosen einsenden und mit den Drucken „rebellisieren lassen“.

 

Aktionskunst, die wachrüttelt

 

Ein simples Mode-Accessoire sollen die Hosen nicht bleiben – sie sollen der Anspruchshaltung des Spreizenden widersprechen, und jene, die weniger Platz in der Gesellschaft finden, ermutigen, sich ihren Platz wieder zurückzunehmen, so erklären die beiden Studentinnen das Ziel ihrer Aktionskunst gegenüber der FAZ.

Laut ihrer Erfahrung hätten die Leute sehr verschieden auf die Riot Pants reagiert. Irritierte Blicke gehörten genauso dazu wie Neugier. Doch im Grunde komme es darauf an, wie die Trägerin oder der Träger sich selbst dabei fühlen, teilt Mina mit Jetzt.de: „Männer schauen uns Frauen auf die Brüste, auf den Hintern, ins Gesicht, auf die Beine – aber nicht so wirklich in den Vulvabereich. Das ist stigmatisiert. Für viele ist es sehr ungewohnt, dort eine Botschaft zu lesen. Alleine durch das Wissen, den Spruch zwischen meinen Beinen zu haben, habe ich mich besser und sicherer gefühlt.“

 

Hinter gespreizten Beinen steckt mehr

 

Mina und Elena lernten sich bei einem Projekt zur Erforschung von geschlechtsspezifischen Körperhaltungen kennen. Dort kamen sie darüber ins Gespräch, wie sehr der Umgang mit dem eigenen Körper patriarchale Machtstrukturen widerspiegele. Manspreading gehört zu eben diesem Phänomen, das in der Feminismus-Debatte schon länger Thema ist.

Laurie Penny etwa beschreibt in ihrem Buch Fleischmarkt, wie Frauen mit Diäten dazu animiert werden, ihr Gewicht, ihr Körpervolumen zu reduzieren, während es für Männer als erstrebenswert gilt, durch Training an Muskelmasse zu gewinnen oder die Schultern breiter zu trimmen. So sind Körperideale Ausdruck der Ungleichheit zwischen den Geschlechtern: Der Mann soll sich und seinen Körper dominant pumpen, die Frau hingegen schlank und schmal im Hintergrund verschwinden.

Auch Aktionen gegen Manspreading sind nicht ganz neu: Die New Yorker U-Bahn wies 2014 darauf hin, das männliche Spreizen zu unterlassen. Auf Schildern stand: „Dude, stop the spread, please“. Auch Madrid kämpft mit Stickern in öffentlichen Bussen seit 2017 gegen Manspreading. In Russland sorge eine kontroversere Aktion 2018 für Aufregung: Eine Jurastudentin kippt dabei Wasser mit Bleichmittel auf breitbeinig sitzende Männer in der St. Petersburger U-Bahn. Bis heute ist nicht klar, ob es sich bei dem Video um einen Fake handelt, verbreitet vom Kreml, um in der Bevölkerung Ärger gegen Feminismus anzuzetteln.

Tatsächlich wird das Thema Manspreading umstritten diskutiert: Geht es wirklich um Macht oder bloß um mehr Platz für den Sack? „Will man uns Männern jetzt alles verbieten?“– eine häufe Reaktion. Doch oftmals echauffieren sich gerade jene Menschen, die sich wenig mit dem angeprangerten Thema auseinandergesetzt haben. Denn–das wusste schon Goethe– „Was man nicht weiß, sieht man nicht“. Und folglich tut man auch nichts dagegen. Aktionen wie Riot Pants sind wichtig, um dezente Ungleichheiten sichtbar zu machen. Margarete Stokowski drückt es in ihrer Spiegelkolumne treffend aus: „Mit ‚Manspreading‘ ist es wie mit Staub beim Staubwischen: Wenn man einmal anfängt, drauf zu achten, dann sieht man es überall.“