Herbert Dorfmann hat formal Recht. „Es war eine geheime Abstimmung“, sagt der Südtiroler EU-Parlamentarier „und ich werde Ihnen nicht sagen, wie ich abgestimmt habe“. Auch nach zweimaligen Nachfragen bleibt Dorfmann bei seiner Position. Der Obmann des SVP-Bezirks Eisacktal: „Sie können sich aber denken, wie ich gestimmt habe“.
Mit Verlaub, Herr Dorfmann, genau das kann ich mir nicht denken.
Am Montag wurde im EU-Parlament über die Aufhebung der Immunität des ehemaligen katalanischen Regionalpräsidenten Carles Puigdemont abgestimmt. Der Unabhängigkeitsbefürworter Puigdemont wurde 2016 zum Chef der katalanischen Regionalregierung gewählt und setzte sich nach dem von Madrid verbotenen und dann mit Polizeigewalt beeinträchtigten Referendum im Oktober 2017 nach Belgien ab. Er wäre sonst wie Dutzende seiner Mitstreiter verhaftet worden. 2019 wurde Puigdemont ins EU-Parlament gewählt.
Am Montag stand im EU-Parlament der Antrag zur Aufhebung nicht nur seiner parlamentarischen Immunität zur Abstimmung, sondern auch jener zweier seiner Mitstreiter: Toni Comín und Clara Ponsatí.
Die Abstimmung ging mehr als deutlich aus. 400 Parlamentarier stimmten für den Entzug der Immunität, 248 waren dagegen und 45 Abgeordnete enthielten sich der Stimme. Die Sozialdemokraten, die Konservativen und die Liberalen im EU-Parlament hatten ihre Abgeordneten zuvor aufgerufen, bei der geheimen Abstimmung für eine Aufhebung der Immunität zu stimmen. Die Grünen und der Linken waren dagegen.
Herbert Dorfmann sitzt in der Fraktion der Europäischen Volkspartei (PPE), die mehr oder weniger geschlossen für den Entzug der Immunität gestimmt hat. „Juristisch ist die Sache klar“, sagt Dorfmann zu Salto.bz, „die Immunität gilt ausschließlich für die politische Arbeit im Parlament und sie ist auch zeitlich an das Mandat gebunden“. Dorfmanns Argumentation: Die drei katalanischen Politiker haben die Straftaten, die ihnen der spanische Staat vorwirft, vor ihrer Zeit im EU-Parlament begangen. Deshalb könnten sie sich jetzt auch nicht auf die Immunität berufen.
„Die politische Bewertung der Frage ist ein andere“, schränkt Herbert Dorfmann ein.
Warum aber sagt der Südtiroler Volksvertreter nicht, wie er in dieser Grundsatzfrage abgestimmt hat? Weil auch er für die Aufhebung war? Oder weil er nicht den Mut hat zu sagen, dass er gegen die Empfehlung seiner Fraktion gestimmt hat?
Dass sich niemand in der SVP die Frage stellt, wie Herbert Dorfmann am Montag abgestimmt hat, und dass Dorfmann selbst keine öffentliche Antwort auf diese einfache Frage gibt, ist ein Armutszeugnis.
Es ist unbestreitbar, dass sich die SVP in der Frage Katalonien auffallend zurückhält. Wahrscheinlich ist man derzeit allzusehr mit den Nasenbohrertests beschäftigt.
Die Tatsache, dass sich bisher in der Streitfrage zum Entzug der Immunität ausschließlich der SVP-Club der ehemaligen Mandatarinnen und Mandatare zu Wort gemeldet hat, spricht Bände. „Die aus dem Geist einer unrühmlichen diktatorischen Vergangenheit handelnde spanische Justiz verfolgt aus politischen Gründen frei vom katalanischen Volk gewählte Abgeordnete. Sie verstößt mit politischer Billigung gegen elementare Rechte von Abgeordneten und damit des katalanischen Volkes“, schreibt der ehemalige SVP-Landessekretär und Kulturlandesrat Bruno Hosp in einer Presseaussendung.
Die SVP-Spitze hingegen schweigt hinter der Maske. Die Wahlen sind vorbei und der so grandios propagierte „Minority SafePack“ längst im Müllkübel der parlamentarischen Vergesslichkeit entsorgt.
Ich möchte inhaltlich nicht auf die Frage des Konfliktes zwischen dem spanischen Zentralstaat und der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung eingehen. Tatsache aber ist, dass Madrid Dutzende frei gewählte Abgeordnete wenige Tage nach ihrer Wahl verhaftet und ins Gefängnis gesteckt hat. Dass man politische Ideen mit dem Strafgesetz und der Justiz bekämpft und Volksvertreter zu drastischen Gefängnisstrafen verurteilt hat.
Wir Südtirolerinnen und Südtiroler sollten das eigentlich kennen. War es nicht die Südtiroler Volkspartei, die über ein halbes Jahrhundert lang überall auf der Welt die Solidarität für die eigene bedrohte Minderheit eingefordert und auch bekommen hat?
In der Brennerstraße scheint man all das längst vergessen zu haben. Solidarität mit Minderheiten und Hilfe für politisch Verfolgte gilt anscheinend nur, solange man damit politisches Kleingeld in die eigene Parteikasse scheffeln kann.
Dass sich niemand in der SVP die Frage stellt, wie Herbert Dorfmann am Montag abgestimmt hat und dass Dorfmann selbst keine öffentliche Antwort auf diese einfache Frage gibt, ist ein Armutszeugnis.
Ich würde mich wenigstens schämen.