Politik | Fridays For Future

Next Generation Southtyrol

Warum wir am Freitag, 19. März, erneut auf die Straße gehen. Mit derselben Motivation und Entschlossenheit wie beim ersten Mal.
Hinweis: Dies ist ein Partner-Artikel und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.
Klimastreik 15. März
Foto: salto.bz /N.Arrigoni

Anlässlich des globalen Klimastreiks am Freitag, 19. März, überlassen wir diesen Blog der Gruppe Fridays for Future für ein Statement zur Klimakrise.


Die COVID-19-Pandemie hat uns vor einem Jahr wie ein Tsunami überrollt und auch die gut organisierten Systeme Europas überfordert.
Spätestens mit dieser gesundheitlichen Krise müssen wir verstanden haben, was es bedeutet, wenn Wissenschaftler*innen von einem Notstand reden.
Wenn wir etwas aus dieser Krise gelernt haben sollten, dann, dass wir die Mahnungen der Wissenschaft nicht ignorieren dürfen und dass wir Krisen nur gut bewältigen können, wenn wir präventiv und konsequent handeln.

Mit der Klimakrise rollt eine Krise auf die Menschheit zu, die, wenn wir nicht handeln, alle auch noch so schlimmen Folgen der Coronakrise in den Schatten stellen wird. Von der Klimakrise kennen wir aber – im Unterschied zur Coronakrise, welche uns unerwartet getroffen hat – die Ursachen, die möglichen Folgen und die Lösungen. Wir wissen auch, dass die Lösungen enorme Chancen für unsere Gesellschaft als Ganzes bieten. Jetzt haben wir die einmalige Möglichkeit, den Weg hin zu einer resistenten Gesellschaft einzuschlagen.

Der Recovery Fund wird, als größtes Investitionsprogramm der EU, in dieser Hinsicht entscheidend sein. Wir nehmen jetzt viel Geld in die Hand, Geld das wir uns von den kommenden Generationen borgen.
Wo investieren wir dieses Geld? In Richtung Vergangenheit und fossilen Kapitalismus oder in Richtung Zukunft und mit dem Ziel, 2035 in einem klimaneutralen Südtirol zu leben?

 

Neu denken

 

Wir wissen, dass dieses Wirtschaftssystem ein Verfallsdatum hat. Kann unendliches Wachstum von einem endlichen System langfristig getragen werden?
Indem wir auf das Alte beharren, bedrohen wir uns als Menschheit schlussendlich selbst, denn wenn wir ungebremst weiter machen, werden wir ungebremst in eine globale Katastrophe schlittern. Wir müssen ein neues System denken und neue Wege einschlagen, um von diesem System auf ein nachhaltiges umzusteigen.

Die Kosten vom business as usual beim Klimaschutz werden vom World Economic Forum als “das bedeutendste globale Risiko für die Weltwirtschaft” eingeschätzt. Darum muss auch bei der Wirtschaftsplanung die Bewahrung unserer Lebensgrundlagen an erster Stelle stehen.


Wir dürfen auf keinen Fall, wie in der Vergangenheit, den Fehler begehen, jeglichen Weg, die Wirtschaft wieder anzukurbeln, gutzuheißen, ohne auf die sozialen und ökologischen Aspekte zu schauen. Sonst stehen wir in ein paar Jahren mit einem kaputten Planeten und einer kaputten Wirtschaft da.

Die Emissionen sind während der Corona-Pandemie gesunken, das stimmt. Leider ist das nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Wir brauchen eine Strategie, um die Emissionen langfristig zu verringern und die fehlt. Auch während der Finanzkrise sind die Emissionen z.B. sprunghaft gesunken. Leider, um später noch steiler zu steigen.

Wenn wir beschließen, Milliarden in den Gütertransport auf Rädern, in fossile Energieträger, in die konventionelle Landwirtschaft, in den Flächenraub, in einen konsumgebundenen Massentourismus, in eine umweltbelastende Mobilität zu investieren, dann können wir die Klimaziele von Paris wahrscheinlich vergessen. Dies wäre eine Bankrotterklärung vor der größten Existenzfrage, der der Mensch je begegnet ist.

Ein Neustart der Wirtschaft kann darum nur durch eine Transformation in eine nachhaltige, klimaneutrale Wirtschaft und einer gerechten Umverteilung der Ressourcen funktionieren.

 

Raus aus der Gerechtigkeitskrise

 

Der neue Recovery Plan der italienischen Regierung wird in dieser Hinsicht eine historische Weichenstellung sein. Wird diese sich wirklich das anspruchsvolle Ziel stellen, wie mit vielen Worten angekündigt, die Klimaziele einzuhalten und unsere Lebensgrundlagen zu schützen? Subventionen in fossile Energieträger zu stoppen, in erneuerbare Energien und Stromtrassen zu investieren, den Verkehr zu verringern und das Schienennetz auszubauen, auf die Wiederverwendung der Materialien und z.B. die nachhaltige Produktion von Stahl zu setzen? Die wahren Kosten der Produktion gelten zu lassen?

All das würde viele neue Arbeitsplätze schaffen, den Unternehmer*innengeist vor neue Herausforderungen stellen und den perfekten Rahmen für die Entwicklung neuer, innovativer und kreativer Gesellschaftsmodelle bieten.

Andererseits würde es natürlich auch viele Branchen geben, die umstrukturiert werden müssten, das ist unumgänglich. Hier würde es einerseits eine lebensbegleitende Weiterbildung, Investitionen in Forschung und Entwicklung und andererseits ein soziales Netz, um die Menschen aufzufangen, die eben vielleicht auch ihren Job verlieren können, brauchen. Diese Umstrukturierung kann nur von der Politik gemanaged werden und von denjenigen gestützt werden, die finanziell die breitesten Schultern haben. Diejenigen, die für die Gerechtigkeitskrise zwischen den Generationen, den gesellschaftlichen Schichten und den geografischen Lebensräumen verantwortlich sind: die großen Industrien, die fossilen Energieträger*innen, die Großkonzerne wie Amazon, das jetzt in der Krise 10.000 Euro pro Sekunde Umsatz auf Kosten von Arbeiter*innen und Natur kassiert und gleichzeitig nicht nicht einmal faire Steuern drauf gezahlt hat.
Ja es stimmt, der Kampf gegen die Klimakrise wäre auch eine Möglichkeit, um ein bisschen mehr Gerechtigkeit in unsere Gesellschaft zu bringen.

 

Was bedeutet das für Südtirol?

 

Südtirol kann und muss in diese Richtung seinen Beitrag leisten. In erster Linie, indem sich die Landesregierung in der Regionenkonferenz und im römischen Parlament für diese Themen stark macht. In zweiter Linie, indem auf lokaler Ebene versucht wird, mit dem Geld des Recovery Fund Projekte zu finanzieren, die eine ökologische und soziale Transformation einleiten können.

Man kann im Plan, den die Landesregierung für Südtirol vorgestellt hat, durchaus positive Ansätze erkennen. Leider hat es diesbezüglich fast überhaupt keine gesellschaftliche Debatte gegeben, von Partizipation und Einbindung der Bevölkerung ganz zu schweigen, was wir durchaus kritisch sehen.
Es wurden hauptsächlich alte Projekte aus der Mottenkiste geholt, anstatt vorher einen gesellschaftlichen Wandel anzudenken und dann dementsprechend Investitionen zu tätigen.

Man sollte sich z.B. schon fragen können, ob es wirklich sinnvoll ist, unter dem Kapitel “Grüne Revolution” die Finanzierung von Wasserspeicherbecken für Kunstschnee zu fordern (21 Millionen). Oder ob die Finanzierung von alpinen Verbindungsanlagen und neue Skiliften für 56 Millionen und die Marketingkampagne “Campagna Brand Südtirol” für 77 Millionen zu einem ökologischem Wandel beitragen werden. Rechnet man diese Investitionen zusammen, wären das schon 156 Millionen Euro, die man z.B. für den Erhalt der Biodiversität und eine nachhaltige Landwirtschaft hätten investieren können.

Inwiefern ist dieses Investitionspaket ausreichend, um die Klimaneutralität im Jahr 2035 in Südtirol zu erreichen? Der Versuch ist da. Dass es reicht, ist fraglich.

 

Das alles ist nicht leicht, keine Frage, aber wenn wir jetzt alle gemeinsam daran setzen, diesen Weg einzuschlagen, dann schaffen wir das auch. Wie es Kennedy 1962 ein paar Jahre bevor Neil Armstrong als erster Mensch den Mond betrat, gesagt hat:

“We choose to go to the Moon, not because it is easy, but because it is hard; because that goal will serve to organize and measure the best of our energies and skills, because that challenge is one that we are willing to accept, one we are unwilling to postpone, and one we intend to win.”

Lasst uns darum von dieser Krise lernen und mit einer neuen Perspektive in die Zukunft blicken. Lasst uns die Krise wirklich zu einer Chance werden lassen, indem wir groß denken, im Kleinen handeln und mutig und zuversichtlich bleiben. Genau dafür sind wir vor zwei Jahren als Fridays For Future Southtyrol das erste Mal auf die Straße gegangen. Am Freitag 19. März werden wir es wieder tun, pandemiebedingt in einer etwas anderen Weise, aber nicht mit weniger Motivation und Entschlossenheit.

Zeno Oberkofler, Aktivist von Fridays For Future Southtyrol

 

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Walter Bernard Do., 18.03.2021 - 20:07

Sehr gut, aber ...
... weitere 200 Millionen Euro für den Klimaschutz könnten frei werden, wenn man auf den rückwärtsgewandten Bau der Nordwest-Umfahrung in Meran verzichten würde. Das wäre konkretes Handeln auf lokaler Ebene.
Hierzu würde ich mir eine klare Stellungnahme der Klimaaktivist*innen wünschen, nachdem sich die Meraner Grünen leider zu Befürwortern dieses Bauvorhabens entwickelt haben.

Do., 18.03.2021 - 20:07 Permalink
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Klaus Schoepf Do., 18.03.2021 - 21:56

Antwort auf von Walter Bernard

Herr Bernhard entschuldigen Sie mich bitte, wenn ich Ihnen jetzt auf den Schlips trete, aber...
...wieso müssen Klimaaktivisten unbedingt eine Stellungnahme zu einem Thema machen, das Ihnen offensichtlich so wichtig ist? Die sind doch schließlich keine Partei.
Ich spreche dem Thema nicht die Relevanz ab, mich stört nur das "Sehr gut, aber...". Ich weiß, das ist jetzt Haarspalterei, ABER man kann einen sehr gut geschriebenen Artikel doch auch ohne einfach mal würdigen. Punkt.

Do., 18.03.2021 - 21:56 Permalink
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Hans Knapp Do., 18.03.2021 - 22:22

Fridays for Future ist für mich ein Grund zur Hoffnung, dass die Menschheit schließlich doch noch der Erkenntnis der Lage Taten folgen lassen wird und zu einem verantwortungsvollen Umgang mit unserer Erde und zu mehr Gerechtigkeit finden kann.

Do., 18.03.2021 - 22:22 Permalink
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Herta Abram Fr., 19.03.2021 - 11:22

Ja, wir sollten langfristig denken. Überall. Wie man eine solidarische Gesellschaft aufbaut, wie man nachhaltige Politik und Technologien angeht, wie wir gemeinsam definieren wie wir in Zukunft leben wollen und was man als Einzelner bewirken kann, wenn man will.

Fr., 19.03.2021 - 11:22 Permalink
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Erich Daniel Fr., 19.03.2021 - 11:46

Ich schließe mich dem sorglosen Umgang der Politiker mit dem Klimawandel an und plädiere daher für die Erweiterung der Hotels, für den Bau von Almdörfern, für den Ausbau der Straßen, für weiterhin kräftigen Einsatz von Pestiziden in der Landwirtschaft, damit wir in Zukunft die tausenden Klimaflüchtlinge gastlich aufnehmen, unterbringen und verköstigen können!

Fr., 19.03.2021 - 11:46 Permalink
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Christian I Fr., 19.03.2021 - 13:01

Glauben sie mir, viele Jugendliche tun heute schon viel mehr für die Umwelt als wir/ich es vor 20 Jahre machte/n.
Sie sprechen mit gutem Grund sehr heikle und wichtige Themen an. Wenn die Medien auch öfters diese (und viele andere Themen) ansprechen würden, dann würde sich schön langsam eine andere Kultur bilden. Die Bilder aus dem Kongo haben mich schockiert: seit dem ist ein Handy für mich nicht mehr ein Spielzeug denn man alle 2 Jahre wechseln muss.

Fr., 19.03.2021 - 13:01 Permalink