Gemeinsam an einem Strang ziehen
Salto.bz: Sie haben mit Anfang Februar den Vorsitz der neuen Künstler:innenvereinigung PERFAS übernommen. Ihre erste Führungsposition innerhalb eines Vereins?
Peter Schorn: Ja. Künstler:innen – und auch ich selbst – sind ja generell eher nicht so die Vereinsmeier. PERFAS ist für uns alle aber eine absolut überfällige und dringend notwendige Vereinigung. Und es tut unglaublich gut, zu sehen, wieviel sich bewegen lässt, wenn wir Künstler:innen gemeinsam an einem Strang ziehen, uns zusammenschließen, austauschen und vernetzen, gerade auch zwischen den Sprachgruppen. Da kommt gerade sehr viel ins Rollen!
Die öffentliche Wahrnehmung der regionalen Kunst in Südtirol hinkt teilweise dem sehr hohen Niveau, das wir in den letzten Jahrzehnten erreicht haben, noch stark hinterher.
Worin will sich diese neue Organisation von bereits existierenden Künstlervereinigungen in Südtirol unterscheiden?
Ganz einfach, durch die Zielgruppe: die Performing Artists. Wir Darstellenden Künstler:innen –Bühnenkünstler:innen und Backstage Artists –, Musiker:innen und Bühnen- und Studiotechniker:innen hatten bisher schlicht keine Vereinigung und Interessensvertretung. Wir schließen daher eine Lücke und machen niemandem Konkurrenz, im Gegenteil: wir haben in alle Richtungen bereits eine sehr produktive Zusammenarbeit und einen regen Austausch begonnen. Mit dem Südtiroler Künstlerbund, der die Bildenden Künstler:innen vereint, der SAAV für die Südtiroler Autorinnen und Autoren, der FAS für die Filmschaffenden und dem Südtiroler Theaterverband, der primär nicht Einzelkünstler:innen, sondern die vielen Bühnen im Land vertritt – sowohl im Amateurbereich als auch im Berufstheater.
Wer hatte eigentlich die Idee für PERFAS und wie kam allmählich Bewegung in die neue Bewegung?
Den Bedarf, eine Vereinigung und Interessensvertretung für die beruflichen Performing Artists in Südtirol zu gründen, haben natürlich die meisten von uns schon lange gesehen. Die ganz konkrete Notlage und auch die zeitlichen Ressourcen in der Pandemie haben dann den entscheidenden Ausschlag gegeben, endlich Nägel mit Köpfen zu machen. Die konkrete Gründung der PERFAS und unser Kernteam – Geschäftsführer Felix Senoner, Vize-Vorsitzende Sarah Merler und Bühnen-/Technik-Tribe-Speaker Eva Kuen und Claus Stecher – hat sich in einem Prozess wöchentlicher Online-Meetings über mehrere Monate, den Manfred Schweigkofler im Herbst ins Rollen gebracht hat, herauskristallisiert. Wir sehen uns als konstruktive und lösungsorientierte Bewegung mit flachen Hierarchien und fördern daher auch sehr stark all die zahlreichen Ideen, Projekte und Arbeitsgruppen, die im Austausch unserer Mitglieder gerade entstehen, wie zum Beispiel eine Gruppe zum Thema Mentoring und Nachwuchsförderung.
Wenn wir keine gesichtslose Einöde wollen, gibt es da in punkto Zukunftsvision noch viel Luft nach oben.
Wie beobachten und beurteilen Sie die Kulturpolitik in Südtirol? Das Land Südtirol investiert beispielsweise weniger Geld in Kultur als die Nachbarn im Trentino oder in Tirol…
Selbstverständlich ist klar, dass sich ein reiches Land wie Südtirol fragen muss, wie es seine Prioritäten setzt und wir glauben, dass der Beitrag der Kultur für den sozialen Zusammenhalt und die Lebensqualität in der Region noch nicht immer die Wertschätzung erfährt, die ihm gebührt. Kulturelle Vielfalt muss da gegenüber touristischen und landwirtschaftlichen Monokulturen oft noch zurückstehen. Wenn wir keine gesichtslose Einöde wollen, gibt es da in punkto Zukunftsvision noch viel Luft nach oben.
Die öffentliche Wahrnehmung der regionalen Kunst in Südtirol hinkt teilweise dem sehr hohen Niveau, das wir in den letzten Jahrzehnten erreicht haben, noch stark hinterher. Das wirkt sich dann auf viele „Problemzonen“ aus: auf das oft noch geringe Bewusstsein für das Potential der regionalen Kunst und Kultur auch für Tourismus und Wirtschaft, aber auch auf ein Bewusstsein für international branchenübliche Tarife, auf die Nachwuchsförderung oder auf Themen der sozialen Absicherung für Kunst- und Kulturschaffende.
Was bei uns auch oft noch zu wenig unterschieden wird, ist die Frage, ob sich Kulturfördermittel auf berufliche Kunst- und Kulturschaffende beziehen oder auf ehrenamtliche Freizeit-Kulturleistungen, Brauchtum und Traditionspflege. Das wird noch vielfach in einen Topf geworfen und macht eine Vergleichbarkeit schwierig. Wir glauben, dass eine bessere Unterscheidung hilfreich wäre – nicht um einen Bereich gegen den anderen auszuspielen oder über den anderen zu stellen, sondern schlicht um kulturpolitische Ziele und ihre Umsetzung besser definieren und überprüfen zu können.
Wie will PERFAS für neuen Wind sorgen?
Wir denken Schritt für Schritt. Im Moment ist es für uns erst einmal essenziell, dass es nicht bei den aktuellen Kulturkürzungen von 30% bleibt. Landesrat Philipp Achammer hat ja eindringlich für Vertrauen dafür geworben, dass es ihm gelingen wird, diese Kürzungen durch Aufstockungen über den Nachtragshaushalt wieder auszugleichen. Wir nehmen ihn da gerne beim Wort. Denn was die Kultur nach dieser verheerenden Zeit nun braucht, ist ganz eindeutig keine Kürzung, sondern im Gegenteil ein Revitalisierungsschub.
Jedenfalls freuen wir uns, dass im Moment sehr viele der für uns relevanten Themen wieder ins Zentrum einer öffentlichen Diskussion rücken und bringen uns gerne mit unseren Anliegen und Vorschlägen in diese Diskussion ein. Wir erleben hier gegenwärtig auch sehr viel Interesse am Dialog von Seiten der Kulturpolitik.
Der Berufsstand „Künstler:in“ hat in Südtirol nicht das beste Image. Woher rührt diese geringe Wertschätzung?
Ich glaube, dass dem Beruf der Künstler:in hierzulande oft noch das völlig veraltete, sozialromantische Klischee der ewig unterstützungsbedürftigen „Überlebenskünstler:in“ anhaftet, die irgendwo Narrenfreiheit genießt, aber auch am Rand der Gesellschaft angesiedelt wird. Oft ist dieses Bild auch als reine Projektionsfläche geprägt von einer explosiven Mischung aus Bewunderung und Neid bei gleichzeitig weitgehender Ahnungslosigkeit, wie wir Künstler:innen tatsächlich leben und arbeiten – Stichwort: „Was macht eine Schauspieler:in eigentlich untertags?“.
Dass ein solches Bild in unserer postindustriellen Informationsgesellschaft natürlich längst nicht mehr zeitgemäß ist und dringend angepasst werden muss, liegt auf der Hand. Kunst und Kultur sind weltweit einer der am stärksten wachsenden Wirtschaftssektoren und eine blühende Kulturlandschaft ist einer der wichtigsten Standort-Faktoren und maßgebliches Kriterium für die Attraktivität einer Region und Destination. Wenn Südtirol hier nicht den Anschluss an andere Regionen verpassen will, müssen wir dringend auch an der gesellschaftlichen Vermittlung eines realistischen Bildes unseres Berufs ansetzen. Das braucht sicher Zeit – aber wir haben bereits mit dieser Arbeit begonnen.
Andere Berufsstände – im Tourismus oder in der Landwirtschaft – leisten seit Jahren konstante Lobbyarbeit im flauschigen Ein-Partei-Filz. Wie politisch unabhängig will PERFAS Lobbyarbeit leisten?
Uns ist es sehr wichtig, unsere Arbeit als absolut überparteilich zu verstehen. Wir wollen unsere Erfahrungen und Ideen sachlich und konstruktiv allen Entscheidungsträger:innen und allen Politiker:innen vermitteln, die sich inhaltlich mit unseren Bereichen beschäftigen, völlig unabhängig von ihrer Parteizugehörigkeit. Abgesehen davon sprechen wir natürlich nicht nur mit Parteipolitiker:innen, sondern auf „technischer Ebene“ auch und vor allem mit Vertreter:innen der jeweiligen Ämter, aber auch mit Vertreter:innen von Wirtschaft und Tourismus.
War Schauspielerei schon immer Ihr Berufswunsch? Oder einfach plötzliche Berufung?
Sagen wir so: es wurde mir zunehmend bewusster – aber tief in mir drin wusste ich, dass das mein Lebensinhalt sein würde, seit ich mit 15 zum ersten Mal auf einer Bühne gestanden hatte.
Das ist eine ganz neue Erfahrung und ich bin schon sehr gespannt darauf, wie sich dieses Format dann tatsächlich anfühlen wird.
Für die Produktion "Superspreader" von Albert Ostermeier spielen Sie Marcel, einen Vielflieger und Unternehmensberater, immer unter Strom, kaum angekommen schon wieder unterwegs. Wie fordernd waren die Vorbereitungen?
Ein Monolog ist immer eine ganz besondere Herausforderung und in diesem Fall kommt noch dazu, dass ich selbst die Kamera führen darf und mich quasi ganz alleine in der Location – einer aktuell leerstehenden Wohnung – durch das Stück bewege. Regisseurin Eva Kuen hat mit mir zunächst sehr intensiv nur am Text gearbeitet, bevor wir in die szenische Umsetzung vor Ort gegangen sind und über Zoom miteinander verbunden waren. Denn auch das Publikum wird ja dann über Zoom dabei sein und ich kann die Zuschauer:innen sehen und hören. Das ist eine ganz neue Erfahrung und ich bin schon sehr gespannt darauf, wie sich dieses Format dann tatsächlich anfühlen wird. Auf jeden Fall freue ich mich sehr, dass es trotz des digitalen Charakters kein anonymes Streaming wird, sondern dass auch der direkte Austausch mit dem Publikum möglich ist – wir bieten auch die Möglichkeit einer Nachbesprechung an – und somit auch die soziale Komponente eines Theater-Erlebnisses nicht ganz zu kurz kommt.
Wie zahlreiche Urlaubsfilme aus fernen Ländern belegen, kommen sie aus einer Familie, in der das Reisen – wie bei Marcel – ebenfalls eine wichtige Rolle gespielt hat. Wie steht es um Ihre Reiselust?
Ja, das stimmt. Die Leidenschaft für das Reisen habe ich wohl geerbt. Allerdings fast mehr noch von meinen Großeltern als von meinen Eltern. Mein Großvater war ein begeisterter Abenteurer, der schon in den 70er Jahren mit seinem VW-Bus bis nach Afghanistan gebrettert ist. Als ich 11 Jahre alt war, haben mich meine Großeltern zum ersten Mal auf eine Reise mitgenommen, die ging nach Namibia. Damit war ich dann unwiderruflich mit dem „Reisefieber“ infiziert und ich kann es kaum erwarten, dass es wieder möglich sein wird, unbekannte Flecken dieser Welt zu sehen.
Ihre Frau Eva Kuen führt bei "Superspreader" Regie. Wie gelingt es Ihnen beiden Privates und Berufliches "nicht" zu trennen?
Diese Trennung ist tatsächlich nicht leicht. Schon wenn wir nicht am gleichen Projekt zusammenarbeiten, ist es schwierig, Arbeitszeit und Freizeit auseinanderzuhalten. Vielleicht auch, weil unser Beruf keine Arbeit ist, die man quasi mit dem Ausstempeln im Büro zurücklässt, sie schwingt dauernd mit und ist nie „abgeschlossen“. Das hat eine schöne Seite, weil ich es aus diesem Grund oft nicht als Arbeit erlebe sondern als selbst gewählte intensive Beschäftigung mit einem Thema, aber es hat auch die Schattenseite, dass Erholung durch ganz andere Gedanken oft schwer möglich ist.
Erstaunlicherweise stellen Eva und ich aber immer wieder fest, dass die Zusammenarbeit zwischen uns sehr produktiv, zügig und konfliktfrei verläuft. Das heißt nicht, dass wir künstlerisch immer derselben Meinung sind, aber ich glaube, der Respekt und die künstlerische Wertschätzung füreinander sind so hoch, dass wir es ganz gut hinkriegen, den jeweiligen Argumenten des anderen zu folgen.
Als Schauspieler sind Sie bereits in die verschiedensten Rollen geschlüpft. Welche hätten Sie gerne auf immer und ewig weitergespielt?
Es gibt tatsächlich ein Stück, das ich nun schon seit 8 Jahren regelmäßig spiele: Goethes Faust, gemeinsam mit meinem wunderbaren Kollegen Georg Kaser. Und ich habe meinem Sohn Samson versprochen, dass wir es noch für mindestens weitere 8 Jahre spielen, bis er in der vierten Klasse Oberschule ist – da wird der Stoff meistens durchgenommen – und wir es an seiner Schule spielen können.
Süßes Foto ;-)
Süßes Foto ;-)
Irgendwie werde ich den
Irgendwie werde ich den Eindruck nicht los, daß diese ganze PERFAS-Geschichte eigentlich nur dazu da ist, den Initiatoren, unter dem Deckmäntelchen einer Interessensvertretung, eine Werbeplattform und Medienpräsenz zu verschaffen.