Gesellschaft | Corona-Dampf/er

Die Seuche auf dem Corona-Frachter

Stecken wir auf einer Sandbank fest wie die Ever Given? Oder müssen wird gemeinsam das haverierte Luxus-Traumschiff in den sicheren Hafen steuern? Ein kleine Geschichte!
Hinweis: Dieser Artikel ist ein Beitrag der Community und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.
In Hafen einlaufen
Foto: Duden - bearbeitet KMR

"Evergreen"

Während am Suezkanal versucht wird, das Containermonster namens „Ever Given“ der Reederei „Evergreen“ aus dem Sand zu ziehen, gestaltet sich die Rettung unserer „Evergreen-Gesellschaft“ als noch größeres Problem. Es scheint fast so, als ob wir es mit einem noch größeren Dampfer zu tun haben. Er sitzt noch tiefer im Sand (oder in der Scheiße) als diese „Ever Given“ im Suez-Kanal. Unser Ozeanriese droht auseinander zu bersten. Ja, es handelt sich nach wie vor um eine Minderheit, die poltert, Hass-postet, schimpft und protestiert. Sie schreit am lautesten und macht den Kapitänen das Leben nicht grad einfacher. Aber schlussendlich hat die Kommandobrücke die unglaublich schwierige Aufgabe, den Dampfer heil in den Zielhafen zu manövrieren. Ohne dass er auseinanderbricht oder havariert. Es ist nachvollziehbar, dass Menschen auf diesem Monstergefährt Angst haben, verärgert sind und Dampf ablassen. Aber die allermeisten haben weder die Kompetenz noch die Fähigkeiten Kapitän, Steuermann, nautischer Offizier, Schiffsingenieur, Schiffsarzt oder auch nur Funker, Bordelektriker, Koch, Steward, ja nicht einmal Matrose zu sein. Aber sie sind jene, die an Deck brüllen und schreien. Nicht alle aus Angst. Viele einfach, weil es der Kajüten-Nachbar auch tut oder weil die Durchsagen des Kapitäns im Geschrei untergehen. Oder weil sie einem Piratensender, den es vor einigen Monaten noch gar nicht gab, mehr glauben als jenen Kanälen, denen sie zeitlebens vertraut haben und mit deren Hilfe sie es schließlich bis ins Heute geschafft haben.

Nun, ... die Hilfsboote, Schlepper und Rettungshelikopter sind unterwegs. Land ist noch nicht in Sicht, aber auf dem Navi sichtbar.

Wir werden es schaffen. Die Welt (und dieser Dampfer) wird nicht untergehen.
Leider wird die Seuche an Bord noch einige Opfer fordern. Es liegt jetzt an uns allen die Opferzahl niedrig zu halten, weil wir eben noch nicht den rettenden Hafen erreicht haben. Das Galadinner, der Tanzabend im Oberdeck, das Zocken im Spielcasino, der Schnulzenfilm im Kino und die Party an Deck kann erst stattfinden, wenn wir die Seuche unter Kontrolle haben. Wenn wir zusammenhalten und auf Banalitäten verzichten, geht es schneller. Und schon im Sommer wird der Fahrtwind fast der Alte sein.

Die Schäden am Gesellschafts-Dampfer selbst sind inzwischen freilich immens. Auch die Offiziere, die Crew und die Passagiere sind angeschlagen. Und extrem zwei-, drei- oder viergeteilt. Jene auf der Kommandobrücke sind müde, ausgelaugt und fertig. Ebenso die Crew, die seit Monaten pflegt, Leben rettet oder schuftet und rackert. Dann gibt es jene, die sozusagen eine gute Lebensversicherung in Form eines festen und fixen Jobs haben oder schon in Rente sind. Ohne irgendwelche Einbußen, und das bei viel geringeren Ausgaben. Und selbst vielleicht gar nicht verstehen und wahrhaben, dass sie derzeit zur privilegierten Kaste gehören. Um in der Seuchenfrage mitzureden, jammern diese über mit Wattestäbchen berührte Nasenflügel oder verzetteln sich am Tag danach mit offenen Briefen und FB-Petitionen für offene Schulen oder das Überleben der Ostereier. Das und ähnliche Dummheiten verdienen den Oskar in der Kategorie „Jammern auf allerhöchsten Niveau“.

Dann gibt es die dritte Kategorie an Passagieren, die zum Nichtstun verdonnert ist, aber mit Steuergeld-Lohnausgleich zumindest überleben kann. Schlimm ist es in der vierten Klasse – ganz gegenüber der Business-class; keine Einkünfte und im schlimmsten Fall sogar hohe Kosten und Ausgaben. Unter Umständen sogar unberechtigt irgendwelche Rettungsringe in Anspruch zu nehmen, weil irgendein Kriterium nicht passt oder die Steuererklärung von 2019 gültig ist. 

Die Pandemie wird vorbei gehen. Den Frieden in der Passagier-Gesellschaft zu erhalten wird die größere Aufgabe sein, den „Sozialen Frieden“ zu wahren die Mammutaufgabe. 

Wir werden nicht umhinkommen, Solidarität (auch in Form von steuerlichen Leistungen) von jenen zu verlangen, die unbeschadet durchgekommen sind oder einfach „unverschuldet“ reich sind. Noch mehr von jenen, die auch noch profitiert oder, noch schlimmer, den "Furbetto" gespielt haben.

Es darf niemand zurückgelassen werden! Denn wenn diese aufstehen, ist jene Art von Gesellschaft – wie wir sie kennen und lieben – am Ende. 

Wenn auf diesem Schiff jemand berechtigt ist, eine Meuterei anzuzetteln oder laut zu werden, dann ist es die vorher genannte „Vierte Klasse“. Also Menschen, die seuchenbedingt (oder auch nicht) mit Null oder sogar Minus auskommen müssen. Der Rest hat schlicht und einfach so lange die Klappe zu halten und die Tasten zu schonen, bis sich alle wieder auf dem "Rest"-Niveau befinden. Das bedeutet auch, persönlich zurückzustecken und zu helfen, die Zurückgebliebenen in trockene Tücher zu bringen ... Sogar im rein eigenen und persönlichen Interesse.
Nur gemeinsam, mit Solidarität, Demut, Nachsicht, Vernunft und nicht zuletzt mit Verzicht werden wir in den sicheren Hafen einlaufen und an Land gehen können.

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Salto User
Sepp.Bacher So., 28.03.2021 - 14:10

Schöne Geschichte und gute Überlegungen, Klemens Riegler!
Mit einem Satz bin ich aber nicht einverstanden, und zwar mit "Der Rest hat schlicht und einfach so lange die Klappe zu halten und die Tasten zu schonen bis sich alle wieder auf dem "Rest"-Niveau befinden." Wenn jemand auch keine Einbußen erlitten hat oder erleidet, kann er oder sie trotzdem mitdenken und mitdiskutieren, Ungereimtheiten aufdecken und konstruktive Vorschläge machen. Oder?

So., 28.03.2021 - 14:10 Permalink
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Klemens Riegler So., 28.03.2021 - 20:34

Antwort auf von Sepp.Bacher

Es ist nur eine kleine Geschichte !
Mitdenken, mitdiskutieren, Ungereimtheiten aufdecken und gute Vorschläge sind immer und überall willkommen ... ganz klar! Ich meinte damit mehr gewisse Kreise die definitiv unsinnige Dinge fordern, oft scheinbar nur des "Forderns" wegen: Haarsträubende Geschichten - jenseits von Gut und Böse eben. Oder eben plärren weil der Modeladen zu hat, während der Nachbar vielleicht zugrunde geht.
Auf jedem Fall ist die Solidarität speziell jener gefragt die am wenigsten betroffen sind. Und die möchte ich tatsächlich nicht bei Protestmärschen oder in der Verschwörungsecke finden. Beste Grüße!

So., 28.03.2021 - 20:34 Permalink
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Franz Berger Mo., 29.03.2021 - 17:09

Mit den verniedlichenden Etiketten "Netter Artikel" oder "Schöne Geschichte" bin ich nicht einverstanden. Ich finde dies vielmehr eine sehr gute Plamsonntag-Predigt mit treffenden Worten und passenden Bildern. Besser kann man die Lage kaum beschreiben.

Mo., 29.03.2021 - 17:09 Permalink