Rosafarben und aus Plastik
Im Rahmen der deutschen TV-Show „Die Höhle der Löwen“, in der sich StartUp-Gründer*innen einer Jury aus Investor*innen stellen, haben zwei Unternehmenspartner am Montag ihr irres Geschäftsmodell präsentiert: Rosafarbene Plastikhandschuhe „zum hygienischen Entsorgen von Tampons & Binden“, sie sind sogar „auslauf- und geruchssicher“ und der angeblich perfekte Begleiter in fremden Haushalten, auf Festivals und Konzerten, auf Reisen und sogar im eigenen Haus, falls (vor allem männliche) Mitbewohner*innen einen Tampon im Mülleimer anstößig finden sollten. Zu guter Letzt haben die sogenannten „Pinky“-Handschuhe sogar einen (offensichtlich männlichen) Investoren überzeugt und es kam zum Deal, 30.000 Euro wurden investiert. Seither wird ihnen auf den sozialen Netzwerken nicht gerade zugejubelt, denn wieder einmal wird mit einem neuen Produkt suggeriert, die Periode sei etwas Abstoßendes und Ekliges, und dass man sie daher mit so viel Diskretion wie möglich behandeln müsse.
Die Frauenversteher
Die Frage, die das Netz beschäftigt: Haben die beiden sich in der ganzen Zeit, in der sie ihr Projekt gestaltet haben, auch nur ein einziges Mal mit Frauen ausgetauscht? Die Gründer selbst sagen, „Pinky“ sei in engem Austausch mit ihrem „Frauenbeirat“ entstanden. Was viele Frauen allerdings momentan online unter dem Hashtag #pinkygate zum Ausdruck bringen, ist ihre Wut über ein sexistisches Produkt – was allein schon die Farbe und gleichzeitig der Name der Firma beweist – das von zwei selbsternannten „Frauenverstehern“ entwickelt wurde, die den verzerrten Diskurs über die Menstruation, der seit Jahrhunderten besteht, im Fernsehen bejahen. Auch wenn sich in den letzten Jahren einiges getan hat, ist die Periode nach wie vor ein Tabuthema, das man am besten in kleine rosafarbene Tütchen steckt, damit bloß niemandem auffällt, dass man gerade menstruiert.
So kann es auch gehen – das Tampon-Unternehmen The Female Company
Eine super Sache, Geld mit einem trendigen Produkt zu verdienen, das ein Problem erschafft, dass es so nicht unbedingt geben muss – vorausgesetzt, man empfindet die Periode nicht als ekelhaft. Und so sollte sie auch wirklich längst nicht mehr dargestellt werden, erst recht nicht im Fernsehen. Denn bisher habe ich noch nie aus dem Mund einer Frau gehört, sie müsse sich aus Berührungsängsten Handschuhe zur Tampon-Entnahme anziehen. Sollte man sich wirklich einmal in einer so misslichen Lage befinden, in der die hygienischen Bedingungen anderes nicht zulassen und kein Mülleimer parat steht, tut es auch ein normaler Gummihandschuh, der auch nur die Hälfte kostet. Denn „Pinky“ ist nicht gerade günstig: 11,96 Euro kostet eine Packung mit 48 Handschuhen. Auch für einen normalen Gummihandschuh gibt es ein besseres Substitut: Entsorgungsbeutel, 50 Stück für 95 Cent, also 2 Cent pro Stück.
„Pinky“ setzt nicht gerade auf Empowerment
Die Probleme, die Frauen im Umgang mit ihrer Periode haben, sind zahlreich: von Periodenarmut über hohe Mehrwertsteuern, bis zu dem Punkt, dass eine Frau in Italien nach 18 Uhr in Zeiten von Corona keine Binden mehr kaufen kann, da sie nicht als Waren des Grundbedarfs eingestuft werden. Oder Periodenbeschwerden, die so stark sind, dass man nicht arbeiten kann. Ein Gesetzesentwurf zur Freistellung von der Arbeit bei Periodenbeschwerden wurde bereits 2017 im italienischen Parlament diskutiert, dann allerdings wieder verworfen.
Mit dem weiblichen Zyklus wird schon lange Geld gemacht. Ein Trend, der nun aber seit einigen Jahren vorherrscht, ist der, nachhaltigere Produkte wie Menstruationstassen herzustellen, und Aufklärungsarbeit und Enttabuisierung der Menstruation zu leisten. Empowerment ist das Schlüsselwort. Vorreiter sind da beispielsweise deutsche Unternehmen wie The Female Company oder Einhorn. Es gibt inzwischen Plattformen, die spezifische Wellness-Übungen, Kochbücher für eine wohltuende Ernährung während der Periode, Aufklärungsarbeit für Themen wie Endometriose und sogar schmerzlindernde CBD-Tampons anbieten. Es gibt also viele Wege, Frauen im Umgang mit ihrem Zyklus zu unterstützen und diesen dabei zu enttabuisieren.
Das Wunder der Menstruation
Warum sind die zwei Unternehmer Eugen und André nicht einfach auf diesen Zug aufgesprungen? Weil diese zwei von dem ganzen Thema anscheinend etwas „verwundert“ sind, wie sie selbst sagen. „Um es ehrlich zu sagen, als männliche Mitbewohner waren wir beim Blick in den Badezimmereimer ein wenig … sagen wir ‚verwundert‘.“ Verwundert darüber, dass Frauen, mit denen sie in WGs zusammenlebten, ihre Tampons in den Müll warfen. Anstatt an ihrem eigenen Problem mit dem weiblichen Zyklus zu arbeiten, hatten sie dann die geistreiche Idee, Frauen dazu zu bringen, sich doch bitte etwas zurückzunehmen, damit ihnen der Blick in den Papierkorb erspart bleiben könnte.
Ebenfalls ist fraglich, wie die zwei Unternehmer bei der vier Jahre (!) langen Entwicklung nicht wenigstens über ein nachhaltigeres Material als Plastik hätten nachdenken können, geschweige denn davon, nicht noch ein weiteres Wegwerf-Produkt auf den Markt zu bringen. Es wird seit Jahren daran gefeilt, wie man die Benutzung von Wegwerfartikeln während der Menstruation verringern kann. Kleiner Tipp: Ein in Toilettenpapier eingewickeltes Tampon von einer öffentlichen Toilette bis zum Mülleimer unterm Waschbecken zu tragen, tut es auch. Da sollte man sich vielleicht eher Sorgen um diejenigen machen, die beim Beobachten einer solchen Szene spitz aufschreien.
Warum hätten die zwei nicht alternativ ein cooles Aufklärungs-Handbuch für Männer herausbringen können? Es wird Zeit, dass nicht immer nur die Frauen darum gebeten werden, doch bitte Männer mit dem Thema zu verschonen, sondern sie daran zu gewöhnen, dass die Periode eine der normalsten Dinge im Leben sein sollte. Inzwischen haben die zwei Unternehmer nach dem sehr deutlichen Feedback Stellung bezogen und zum Diskurs um das Thema der Menstruation aufgerufen. Gut so, und das sollte auch das Mindeste sein, was ein Unternehmen macht, das schreibt, es sei umweltfreundlich und Periode sei Dank ihnen ja auch kein Tabuthema mehr.
>Eine super Sache, Geld mit
>Eine super Sache, Geld mit einem trendigen Produkt zu verdienen, das ein Problem erschafft, dass es so nicht unbedingt geben muss<
Willkommen im Spätkapitalismus der Nachkriegszeit. Wo haben Sie bis jetzt gelebt?
Manche Frauen wollen die Periode privat halten. Ich will darüber nicht urteilen. Es ist aber erstaunlich wie oft in öffentlichen Frauenklos irgendwo steht nicht die Binde/Tampon in die Toilette zu werfen und das dann doch geschieht, obwohl dafür sogar eigens Abfalleimer zur Verfügung gestellt wurden.
Manche Frauen möchten eben nicht, dass dass andere von der Periode erfahren. (Und das sind wohl in Frauentoiletten bestimmte andere Frauen). Ob das antiemanzipatorisch ist, sei da dahingestellt.
Aber wenn bestimmte Frauen meinen, dass die Periode nicht etwas privates und persönliches sein soll, dann können sie die Möglichkeiten der modernene Medien nutzten und gebrauchte Monatsartikel abfotographieren um diese zuordenbar ins Internet zu stellen. Natürlich datiert und für alle Tage des Zyklus und über einem längeren Zeitraum.
Antwort auf >Eine super Sache, Geld mit von gorgias
gorgias
gorgias
Gibt es vielleicht die Möglichkeit von Argumenten, die sich stehen lassen? Und mit ihnen die, die sie vorbringen?
Oder gehören Sie zu denen, die meinen, etwas abrechnen zu müssen. Ist es das, worum es geht?
Mir gefällt, dieser Artikel! Bravo!
Antwort auf gorgias von Herta Abram
Bitte formulieren Sie klarer.
Bitte formulieren Sie klarer. Ich habe nicht verstanden was Sie genau sagen wollen.
In Zusammenhang nicht nur mit
In Zusammenhang nicht nur mit der Menstruation, sondern allgemeiner mit den weiblichen Geschlechtsorganen empfehle ich die Lektüre des Buches "Der Ursprung der Welt" von Liv Strömquist! (https://shop.falter.at/detail/9783945034569?ref=feature)
Hab erst verstanden was los
Hab erst verstanden was los ist wie ich das ganze auf ein anderes Tabuthema projeziert habe: kacken. Es bleibt eigentlich nicht viel über von der ganzen erhitzen Aufgeregtheit, es geht hier: um nichts.