Umwelt | Gastkommentar

Ein bisschen Pfingstgeist

Wer heute den Nicht-Flughafen Bozen öffnen will, will keinen Klimaschutz.
aeroporto Bolzano Flughafen Bozen
Foto: you-fly.com

Dieser Tage habe ich meinen Schreibstall ausgemistet. Dabei ist mir aufgefallen, dass einige meiner besseren Artikel ausgerechnet an Pfingsten entstanden sind. Alle eher zuversichtlich gestimmt, aufmunternd, und weil ich ein bisschen abergläubisch bin, bilde ich mir ein, es lag am Pfingstgeist. So warte ich genau auf diesen jetzt wieder, aber – als wollte er nicht wehen! 

Aber siehe da, doch: Fällt mir die Süddeutsche Zeitung vom letzten Wochenende in die Hand. Darin ein großer Bericht über Positano, die Touristenstadt an der amalfitanischen Küste südlich von Neapel. Der Ort hat keine Autobahn und keinen Flughafen, übertrifft also Südtirol bei weitem, was die stets beklagte Erreichbarkeit anlangt. Die Straße dorthin ist eine Tortur. Und was sagt Bürgermeister Giuseppe Guida dazu? „Zum Glück ist das so“, sagt er. „Positano muss man sich verdienen. Wenn etwas besonders wertvoll ist, muss es schwer zu erreichen sein. Und Positano ist der schönste Ort der Welt.“

Ich möchte dem Landeshauptmann den Stolz auf sein Land und die Konsequenz wünschen, wie sie der Bürgermeister von Positano hat

Es soll nämlich bald wieder geflogen werden ab Bozen. Die Fluglandebahn wird verlängert, das Airport-Kartell Benko-Gostner-Haselsteiner hat seine Interessen durchjudiziert, am 17. Juni ist Start. Alles wird sein, als sei nichts gewesen: keine Volksbefragung, kein jahrelanger Widerstand aller Schutzvereine, keine neuen Einsichten in Unsinn und Unwirtschaftlichkeit von Regionalflughäfen, keine landeshauptmannschaftlichen Bekenntnisse zu Klimaschutz und Ökowende. Die drei Herren haben gewonnen und werfen die Rotoren an. Nie ist Politik, ist Demokratie derart gedemütigt worden. Die Landesregierung, wo sie nicht selber mit im Spiel ist, mimt die Machtlose. Die vormals rührige Fauna der Gegner, von Verbänden bis Oppositionsparteien, liegt in Resignation erstarrt darnieder. Einzig vom tapferen Leiferer Bürgermeisterpaar Bianchi-Seppi sind noch letzte Zucker von Ehrenwahrung zu erkennen. 

Ich will nicht verstehen, dass der Landeshauptmann die Gunst der Stunde nicht nutzt. Jetzt, nach – hoffentlich – überstandener Covid-Pandemie. Seine letzte Haushaltsrede war die mutige Ankündigung eines Aufbruchs in Ökowende und Klimaschutz. Dem muss er, will er glaubwürdig sein, Taten folgen lassen. Symbolhafte Taten, wenn möglich. Eine Wende am Flughafen Bozen wäre eine solche. Flugverkehr ist ein Klimakiller, das bestreitet niemand. Deshalb werden europaweit reihenweise Regionalflughäfen und Kurzstreckenflüge geschlossen. Zu teils erheblichen sozialen Kosten. Südtirol hat das Glück, ein solches Opfer nicht bringen zu müssen. Es hat die einmalige Chance, einen bestehenden Nicht-Flughafen nicht öffnen zu müssen. An keinem anderem Thema als dem des Flughafens Bozen fiele es leichter, ein Zeichen der Zeit zu setzen. Ein flughafenfreies Südtirol! Um einmal anzufangen mit dem Klimaschutz.

Es soll bald wieder geflogen werden ab Bozen, das Airport-Kartell Benko-Gostner-Haselsteiner hat seine Interessen durchjudiziert, alles wird sein, als sei nichts gewesen

Wenn das nicht ein dankbarer Akt tätigen Klimaschutzes wäre! Politisch richtig, ökonomisch wie ökologisch zwingend, von der großen Mehrheit der Bevölkerung gewünscht, allen leicht zu vermitteln, außer ... Allmählich wird es unerträglich mutmaßen zu müssen, dass die Launen und Geschäftsinteressen von drei internationalen Finanzhaien der Südtiroler Politik wichtiger sind als die eigenen Wählerinnen und Wähler. Der Ton, in dem Herr Gostner in die Mikrophone unserer Medien spricht, entspricht dem Allmachtgehabe, mit dem seine pharaonische Villen-Ewigbaustelle vom Guntschnahang auf Bozen herabblickt. Es ist der Ton, mit dem neulich unser erfolgreicher Landsmann Georg Kofler in der Maybrit-Illner-Talkshow ungehobelt gegen alle staatliche Lenkung („sozialistische Verbieterei“) anpöbelte. Dass Kleinflughäfen und Kurzflüge aus der Zeit gefallen seien, darin allerdings gab sogar der Freie-Markt-Propagandist Kofler seinem grünen Gegenüber Robert Habeck Recht.

Von dieser Woche (ein letzter Kummer auf Pfingsten) ist die Meldung, dass der Brennerbasis-Tunnel 2034 fertiggestellt  sein wird. Das sind 14 Jahre hin. Eine Ewigkeit für alle, die es noch erleben. Wieder wird die Erreichbarkeit-Platte gespielt werden. Südtirol, schön, aber halt unerreichbar. Also umsonst schön. Ich möchte dem Landeshauptmann den Stolz auf sein Land und die Konsequenz wünschen, wie sie der Bürgermeister von Positano hat.

Die Flughafenbetreiber werden diese Zeilen kalt lassen.
Das System hat gesiegt. Punkt!
Stellt sich nur die Frage, wer systemrelevant ist und wer nicht.
Und Verbraucher sind viel systemrelevanter als die landläufige Meinung.....unsere Klicks über die Tickets entscheiden......

Sa., 22.05.2021 - 22:13 Permalink

Auch hier wieder das Märchen vom Ergebnis der Volksbefragung, an das man sich nicht gehalten hätte. Ich bin zwar auch der Meinung, dass es zur Erreichbarkeit Südtirols nicht einen Flughafen bräuchte, aber für die Wahrheit muss einfach Platz sein. Es ist nämlich genau das Gegenteil von dem was Kronbichler hier behauptet der Fall. Nur wenn der Flughafen noch vom Land kontrolliert würde, könnte man nach umwelttechnischen Überlegungen agieren. Dazu hätte der Teil der Bevölkerung, der bei der Volksbefragung mit "Nein" gestimmt hat, allerdings nicht den falschen Behauptungen verschiedener Institutionen, besonders auch der Grünen - das muss, auch wenn ich ihnen ansonsten sehr viel abgewinnen kann, einfach gesagt werden - aufsitzen dürfen.
Da jetzt der Private entscheidet, fällt jeder Aufruf von Kronbichler ins Leere. Da er das genau weiß, ist sein Artikel richtig schwach. Der belebende Pfingstgeist hat ihm dabei wirklich nicht geholfen.

So., 23.05.2021 - 07:39 Permalink

Ok, über das Flughafenreferendum wurde lediglich entschieden, dass für den Betrieb des Bozner Flughafens keine Gelder aus dem Landeshaushalt mehr fließen dürften.
Ich hätte aber jetzt doch gerne eindeutige Aussagen dazu, ob die Betreibergesellschaft für die Abkommandierung der Kontingente der Berufsfeuerwehr zum Dienst am Flughafen den gebührenden Obulus entrichtet.

So., 23.05.2021 - 09:27 Permalink

Ja wenn... Im von Ihnen zitierten Artikel wird von technischer Machbarkeit gesprochen, nicht von der Realität. Man kann Fehlentscheidungen wie die Wiedereröffnung des Fluplatzes in Bozen nicht mit zukünftigen technischen Fortschritten wie den grünen Sprit für Flugzeuge rechtfertigen. Das gilt klarerweise für alle Antriebstechnologien und für jede Art von Verkehrsmittel. Insbesondere auch für die E-Autos die nur CO2-arm sind wenn sie mit grünem Strom betrieben werden.

So., 23.05.2021 - 14:29 Permalink

Neben den 3 Investoren haben auch einflussreiche einheimische Wirtschaftsgruppen starkes Interesse am Flughafen, allen voran der HGV (wiederholte Ansagen Pinzgers dazu) und die Athesia-Gruppe mit ihren Reisebüros, Charterflügen und Hotels. Dazu Unternehmer, die gern selbst von Bozen aus abheben und glauben, Auslandskapital würde Südtirol sonst meiden. Es ist davon auszugehen, dass die 3 illustren Austro-Investoren ohne gerichtlich festgestellten Zwang keinen Cent für die auf sie zürckgehende Brandschutzpflicht beisteuern werden. Zur Fragestellung der Volksabstimmung hatte der LH auch ein politisch-moralisches Versprechen abgegeben, nicht ein strikt juridisches. Aber damals gab er sich ja noch eine Amtsdauer von max. 10 Jahren. Das wird dann der 2.größte Betrug der Ära K.

So., 23.05.2021 - 14:36 Permalink

@Martin Daniel - Kompatscher hatte versprochen sich an das Ergebnis der Volksbefragung zu halten, obwohl sie nicht bindend war. Das hat er auch getan.
Sollte das Transportministerium der Meinung sein, dass es bei der Vergabe nicht mit rechten Dingen zugegangen ist, wird die Landesregierung die Verantwortung übernehmen müssen. Ich denke es geht aus wie das Hornberger Schießen.

Mi., 02.06.2021 - 07:30 Permalink

Gleich wie man zum Flughafen steht: Fakt ist, dass die Südtiroler Bevölkerung mit dem Referendum 2016 «nur» über einen Gesetzesentwurf zu seiner weiteren öffentlichen Finanzierung abgestimmt und diese klar abgelehnt hat. Ganz sachlich betrachtet hält sich die Südtiroler Landesregierung an das Abstimmungsergebnis.

Dass nun Oppositionsparteien und Flughafengegner es immer wider anders interpretieren, ist zwar verständlich, aber irreführend und führt zu noch mehr Politikverdrossenheit und Polarisierung.

Vergessen geht, dass alle dank dem öffentlichen Diskurs vor und nach dem Referendum viel über das Sachthema Flughafen und insbesondere über direkte Demokratie gelernt haben: Politiker und Medien sollten die Bevölkerung transparenter über die Konsequenzen ihres Wahlverhaltens informieren, und die Wähler sollten genauer überlegen worüber sie wirklich abstimmen.

Das Flughafen-Referendum zeigt aber auch die Grenzen des politischen Systems Südtirols auf.

Direkte Demokratie ist für ein gut funktionierendes politisches Uhrwerk unabdingbar, ist aber nur ein Rad von vielen. In Südtirol wurde sie in ein politisches System verpflanzt, welches darauf noch nicht abgestimmt ist. Deshalb wird sie nicht als fruchtbare Ergänzung und Korrektiv der repräsentativen Demokratie gelebt, sondern von Interessengruppen, Regierung und Opposition instrumentalisiert. Denn Südtirol hat keine breit abgestützte Regierung wie die Schweiz, wo in den meisten kantonalen Regierungen alle wichtigen Parteien vertreten sind und Verantwortung übernehmen, wodurch Entscheidungen oft länger dauern, dafür aber besser und nachhaltiger sind.

Vielmehr herrscht in Südtirol eine kleine Mehrheit alleine, und die oppositionellen Kräfte sind genauso macht- wie verantwortungslos. Dies führt zu einem Gegeneinander statt Miteinander, das allen schadet.

Was also tun? Zum einen muss die direkte Demokratie weiterentwickelt werden. Zum anderen sollten zwei andere wichtigen Räder des politischen Uhrwerks, das Regierungs- und das Wahlsystem, zukunftsweisend angepasst werden. Eine kluge Reform wäre schnell und ohne Änderung des Autonomiestatuts möglich.

Sie brächte gesunden Wettbewerb und einen positiven, inhaltsbasierten und machtfreien Dialog. Sie würde die Politik vielfältiger und bürgernäher machen, wodurch die besten Köpfe samt ihren Ideen wieder leichter für die Politik gewonnen werden könnten. Die Schweiz hat einen ähnlichen Reformprozess vor über 100 Jahren durchlaufen. Südtirol kann das auch. Hoffentlich schneller und noch besser.

Di., 25.05.2021 - 10:22 Permalink