Umwelt | Flughafen Bozen

Nur ein paar Kröten?

Der Südtiroler Amphibien-Verein stemmt sich gegen die Arbeiten zur Verlängerung der Landebahn am Flughafen Bozen. EU-Recht schützt den Lebensraum der Wechselkröten.
Wechselkröte
Foto: Stefano Barbacetto

Der äußerst seltene, aber unverkennbare Ruf der Wechselkröte ist nachts auf dem Flughafenareal in Bozen zu hören:

 

Der Ruf der Wechselkröte (Quelle; Stefano Barbacetto).

 

Genau dort, wo die Arbeiten zur Verlängerung der Landebahn bereits voll im Gang sind. “Zu Unrecht”, findet der Präsident des Südtiroler Amphibien-Vereins herpeton, Ivan Plasinger. “Bevor keine Lösung zum Schutz der hier angesiedelten Wechselkröten gefunden wird, dürfen die Arbeiten zur Verlängerung der Landebahn nicht durchgeführt werden”. Da die Wechselkröte laut den Flora-Fauna-Habitat (FFH) Richtlinien der Europäischen Union eine streng zu schützende Tierart von gemeinschaftlichem Interesse ist, hat Plasinger heute (Dienstag, 1. Juni) Anzeige erstattet, um die Arbeiten sofort zu stoppen.

 

 

Die von Wasserläufen durchzogene Wiesenfläche des Bozner Flughafenareals ist der wichtigste Lebensraum der Wechselkröte in Südtirol und gleichzeitig deren nördlichste gelegener Lebensraum in Italien. Durch die Verlängerung der Landebahn wird dieser Lebensraum vernichtet. Kompensationsräume rund um den Landeplatz sind derzeit nicht geplant.

 

Mehr als nur eine Million Kröten

 

“Wen kümmern schon eine Million Kröten?”, fragt Plasinger. “Viele vergessen, dass es nicht nur um die Tierart an sich geht, sondern um deren Platz im gesamten Ökosystem: Zuerst verschwindet eine Art, dann zwei und mit dem Verschwinden der dritten bricht das Ökosystem, das sie aufrecht erhalten, wie ein Kartenhaus zusammen.”

Auch die Wechselkröte trägt ihren Teil zu diesem Ökosystem bei. Vor der Metamorphose säubert sie als Kaulquappe die Gewässer, später fischt sie Insekten aus der Luft, frisst Schnecken und dient anderen Tiere als Fressen. Ihr Doppelleben im Wasser und auf dem Land verlangt nach zwei verschiedenen, gesunden und miteinander verknüpften Lebensräumen: untiefe Wasserläufe oder -pfützen, in deren Nähe sich Wiesen und Büsche befinden. "Genau solche Lebensräume werden jedoch immer seltener, da sie von Menschen kaum produktiv genützt werden können", erklärt Alex Festi vom Verein herpeton.

 

 

“Il rospo smeraldino è un animaletto molto simpatico”, betont Stefano Barbacetto, langjähriges Mitglied von herpeton. “Come tutti gli anfibi assomiglia a un ometto e senza spine e unghie sembra molto indifeso. Questo può suscitare anche degli effetti psicologici nell’uomo.”

 

EU-rechtlich geschützte Tierart

 

Vor allem zählt die Wechselkröte jedoch zur Liste der streng zu schützenden Tierarten von gemeinschaftlichem Interesse in den FFH-Richtlinien der Europäischen Union. Damit ist jede Beschädigung oder Vernichtung der Fortpflanzungs- oder Ruhestätten verboten. Die Mitgliedsstaaten haben zwar die Möglichkeit, in spezifischen Fällen von diesen Maßnahmen abzuweichen, dies kann jedoch nur aus Gründen, die im öffentlichen Interesse liegen und unter Berichterstattung erfolgen.

 

 

Bis dato wurde der Lebensraum der Wechselkröte in den Plänen zur Verlängerung der Landebahn nicht berücksichtigt. “Damit ist der Beginn der Arbeiten rechtswidrig”, sagt Plasinger, “Es wurde kein angemessenes Umweltscreening durchgeführt, das die Präsenz der Tiere anerkennt und mögliche Kompensationsmöglichkeiten bereitstellt.”

 

Mangelhaftes Umweltscreening

 

Im Umweltscreening der A.B.D Airport s.p.a, das 2015 durchgeführt wurde, kommen die Präsenz der seltenen Amphibienart im Flughafenareal sowie die Wichtigkeit des Standorts für deren Fortbestehen nicht vor. Darin heißt es: si può quindi affermare che il futuro ampliamento della zona aeroportuale non provochi impatti significativi, andando ad inserirsi in un tessuto già ampiamente antropizzato da secoli, in cui non esistono connessioni che possano essere interrotte e il cui sistema ha subito e subisce sistematicamente impatti sicuramente più gravi. Laut Plasinger eine Absurdität: “Für Personen, die sich mit der Materie befassen, sind die seltenen Amphibien nicht zu übersehen. Zudem wurde das Vorkommen der Tiere bereits 2014 an die Provinz gemeldet. Sie müssten somit unter Schutz gestellt werden”.

 

 

Eine Nachfrage bei der Baufirma Lorenzo Zampedri, die die Arbeiten zur Verlängerung der Landebahn durchführt, konnte keine weiteren Auskünfte liefern. Auf die Frage nach den verwendeten Umweltscreenings und einer möglichen ökologischen Baubegleitung wollte der Geschäftsführer keine Auskünfte geben. Salto.bz wurde an die Beratungsfirma Heliopolis in Trient verwiesen, die jedoch nicht erreichbar war.

Da auf informellen Wegen keine Lösung gefunden werden konnte, die den Schutz der Tiere mit der Verlängerung der Landebahn in Einklang bringen könnte, hat Plasinger am Dienstag, 1. Juni, Anzeige gegen A.B.D Airport s.p.a erstattet, um die Arbeiten ab sofort und bis zur Lösung des Problems zu stoppen.

 

“Verzweifelter Versuch”

 

Gleichzeitig versuchen die Vereinsmitglieder von herpeton einige Exemplare der Wechselkröte in andere Gebiete umzusiedeln. Weil aber ähnliche Lebensräume in Südtirol fehlen oder bereits besiedelt sind, ist eine Neuansiedelung schwierig. Laut Alex Festi ein “verzweifelter Versuch”. “Unser eigentliches Ziel ist, eine Lösung zu finden, um den Lebensraum für die Population zu erhalten.” Dies wäre, so Festi, mit weiterer Nutzung des Flughafens vereinbar, verlange jedoch ein angemessenes Umweltscreening, das in diesem Fall versäumt wurde. 

 

 

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Profil für Benutzer Sebastian Felderer
Sebastian Felderer Mi., 02.06.2021 - 07:45

Karl Gudauner, wir hatten denselben Gedanken bei diesem Bericht.
Ich würde aber sagen, nicht der Mensch generell denkt an seine eigenen "Kröten", sondern diese Art von Menschen. Die GoBeHa-Truppe wird durchmarschieren. Wenn es Bianchi nicht schafft, wird es auch der Naturschutz nicht schaffen, sie zu stoppen. Die Haben nicht nur Kröten, sondern auch Rechtsanwälte und Beziehungen, die ihre Vorhaben weiterbringen.

Mi., 02.06.2021 - 07:45 Permalink