Italien ist politisch das Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Man kann - wie Emilio Colombo oder Giulio Andreotti – vierzehn verschiedene Regierungsämter ausüben und über Jahrzehnte im Ministerrat sitzen. Man kann sich ins Parlament wählen lassen und dann Partei wechseln. Über 260 Parlamentarier haben das in dieser Legislatur sogar bereits praktiziert, viele davon gleich mehrmals. Man kann auch, wie es der Christdemokrat Pier Ferdinando Casini vorexerziert, 40 Jahre im Parlament sitzen, etliche davon als Präsident der Abgeordnetenkammer.
Da kann es kaum verwundern, dass Silvio Berlusconi nun sein surrealstes Husarenstück anpeilt. Auf den 84-jährigen Parteichef von Forza Italia übt der römische Quirinalspalast offenbar eine unwiderstehliche Anziehungskraft aus. Und so will er nun für die Nachfolge des scheidenden Präsidenten Sergio Mattarella kandidieren. Dass ein im Mediaset-Prozess rechtskräftig verurteilter Politiker, dem seither der Weg ins Parlament versperrt ist, nun ins höchste Staatsamt drängt, ist skandalös und in anderen wichtigen EU-Staaten schlichtweg unvorstellbar. Doch für den Ex-Cavaliere ist offenbar keine Latte zu hoch: "Le uniche sfide che mi piaccono sono quelle impossibili." Jene, die Empörung äußern, beschwichtigt er: "Mi dimetterei dopo un anno e mezzo" .
Natürlich könnte Berlusconi bestenfalls ab dem fünften Wahlgang gewählt werden, wenn keine maggioranza qualificata mehr erforderlich ist. Und sicher würde ihn auch eine erkleckliche Summe für die notwendige Stimmenwerbung unter den Parlamentariern kaum schmerzen. Insider aus dem Forza Italia-Lager zeigen sich überzeugt, dass für den Ex-Cavaliere ab dem fünften Wahlgang mit dem Sinken des nötigen Quorums die erforderliche Mehrheit locker erreichbar wäre - mit einem giro di telefonate. Eine Voraussetzung dafür wäre die Beendigung des Dauerstreits in Forza Italia, der erst letzthin zu einer neuerlichen Spaltung geführt hat. Einer von denen, auf die Berlusconi setzt, ist Italia Viva-Chef Matteo Renzi, der seine politische Wendigkeit schon oft unter Beweis gestellt hat. Der Ex-Cavaliere hat erst letzthin auch auf seine guten Beziehungen zu Giuseppe Conte verwiesen, dem er zu Weihnachten ein Bild aus seiner Pinakothek geschenkt habe. Natürlich denkt Berlusconi nicht daran, sich von Beginn an dem Rennen zu stellen, wenn in den ersten Wahlgängen eine unerreichbare Zwei-Drittel-Mehrheit erforderlich ist. Daran könnte eventuell Justizministerin Marta Cartabia scheitern, die von der Lega abgelehnt wird. Erst nach dem vierten Wahlgang wird es für ihn interessant.
Bis dahin hält sich Berlusconi mit Ankündigungen zurück. Denn der Rücktritt Mattarellas ist erst am Jahresende fällig. In einem TV-Gespräch mit Bruno Vespa hat der Forza Italia-Chef aber bereits vor etlicher Zeit seine Überzeugung geäußert: "Sono convinto che sarei il migliore presidente della Repubblica." Schließlich gehörte Bescheidenheit noch nie zu seinen Tugenden.