Wirtschaft | Schnals

Unverträgliches Almdorf

Die Athesia AG will in Kurzras das größte Tourismusprojekt Südtirols verwirklichen. Doch jetzt hat der Umweltbeirat einstimmig ein negatives UVP-Gutachten abgegeben.
kurzras
Foto: Othmar Seehauser
Es war nicht Freitag, der 13., sondern Mittwoch der 11. August.
An diesem Hochsommertag hat der Umweltbeirat einem der größten jemals in Südtirol geplanten Tourismusprojekte eine Abfuhr erteilt. Weiß man wer der Bauherr ist, so dürfte das Kapitel aber noch nicht beendet sein.
Die Schnalstaler Gletscherbahnen AG gehört mehrheitlich zum Medienkoloss „Athesia AG“, Präsident des Verwaltungsrates ist kein geringer als Athesia-Chef Michl Ebner. Seit Oktober 2018 ist die einst von Leo Gurschler inszeniere Aktiengesellschaft, zu der auch ein Wasserkraftwerk, ein Blockheizkraftwerk, das Glacier Hotel Grawand, der Caravan Park Schnals und mehrere Skihütten gehören, mehrheitlich in den Händen des Athesia-Konzerns.
Die Gemeinde Schnals hält noch eine Minderheitenbeteiligung.
Spätestens mit der Übernahme des strauchelnden Gletscherskigebiets im Vinschger Seitental stieg der Medienkoloss in die erste Liga der Tourismustreibenden zwischen München und Verona auf. Dass der Ebner-Verlag dabei sogenannte „Synergien“ zu nutzen weiß, zeigen viele Details. Etwa die Tatsache, dass Michl Ebner Handelskammerpräsident ist und in dieser Funktion auch 40-Prozent-Besitzer und Gesellschaftsvertreter der IDM ist. Dabei ist es natürlich nur Zufall, dass auffallend viele Filme, die der IDM-Filmfonds in den vergangenen Jahren mitfinanziert hat, im Schnalstal spielen.
 

Das Mega-Projekt

 
Die Schnalstaler Gletscherbahnen AG will jetzt aber im Talschluss in Kurzras ein Mega-Projekt realisieren. Dort soll gleich nach neben der Talstation der Gletscherbahn das „Almdorf Schnals” entstehen. Auf einem 1,7 Hektar großen Areal soll ein Hotelkomplex mit einem zentralen Mehrzweckgebäude – samt Sport-, Pool- und Wellnessbereich – sowie sechs Zimmertrakten mit 600 Zimmern entstehen. Veranschlagt ist ein oberirdisches Bauvolumen von rund 55.000 und ein unterirdisches Bauvolumen von rund 26.000 Kubikmeter, die vor allem für zwei Garagengeschosse verwendet werden sollen.
 
 
 
Das Projektgebiet ist als Tourismuszone ausgewiesen und umfasst eine Naherholungszone samt Wanderweg, Tennisplätzen, einem Parkplatz und Weideflächen. Um den Hotelkomplex zu realisieren, müssten unter anderem ein Bach verlegt und Lawinenschutzdämme von 6 bis 8 Metern Höhe errichtet werden. Für die Eingriffe in die Umwelt sind Ausgleichsmaßnahmen vorgesehen.
Das geht aus einer sogenannten „Umweltvorstudie“ (UVS) hervor, die der Bauherr am 14. Februar 2020 bei der Landesagentur für Umweltschutz eingereicht hat. Laut Gesetz müssen die zuständigen Ämter vorab entscheiden, ob das Projekt einer Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) unterzogen werden muss. Das Ergebnis war ein eindeutiges Ja.
 

Die Bedenken

 
Bereits in der Begründung für die UVP kommen alle Problematiken des Großprojektes zu Tage. Die Fachleute weisen auf das äußerst sensible Moorgebiet hin, an das das Projektgebiet direkt grenzt, das “einen sehr hohen naturschutzfachlichen Wert” aufweise und daher “unangetastet und in seiner ökologischen Funktionalität erhalten” bleiben müsse.
 
 
Außerdem heißt es in der Studie: “Nachteilige Auswirkungen ergeben sich für das Landschaftsbild, da es sich beim Talschluss bei Kurzras um eine sensible Zone in subalpinem Gelände handelt. Der Bau des Almdorfes samt seinen Lawinenschutzwällen werden zu Änderungen des Landschaftsbildes führen, die neuen Strukturen liegen teilweise höher als der aktuelle Bestand.” Dass das Planungsgebiet direkt an bestehende Strukturen angrenze und in einer “bereits technisch überprägten Landschaftskammer” liege, wirke sich hingegen mildernd auf die Auswirkungen aus.
Laut Gesetz muss deshalb eine UVP für das Großprojekt gemacht werden.
 

Einstimmiges Nein

 
Zuständig dafür ist der bei der Umweltagentur angesiedelte Umweltbeirat. Ihm gehören der Direktor der Landesumweltagentur Flavio Ruffini, Carlotta Polo (Sachverständige im Bereich Raumplanung), Lino Wegher (Sachverständiger im Bereich Hygiene und öffentliche Gesundheit), Paolo Biadene (Landschafts- und Naturschutz), Georg Pichler (Luftreinhaltung und Lärmschutz), Marco Marazzi (Gewässerschutz) und die zwei Vertreter der Umweltschutzverbänden Martin Schöpf und Gerda Wallnöfer, an.
Als sich das Gremium am vergangenen Mittwoch mit dem Schnalser Tourismusprojekt befasst, liegen – nach Informationen von Salto.bz – ein weiteres negatives Gutachten auf dem Tisch. Ausgestellt vom Landesbeirat für Baukultur.
Die Entscheidung fällt am Ende einstimmig aus. Das Projekt wird vom UVP-Beirat abgelehnt.
Formal ist der Umweltbeirat ein technisches Beratergremium der Landesregierung. Demnach gebührt es Arno Kompatscher & Co per Beschluss die letzte Entscheidung zu fällen. Theoretisch kann die Landesregierung die Entscheidung noch auf den Kopf stellen.
Weil der Ebner-Verlag politisch bestens vernetzt ist, dürfte der politische Lobbyismus in den nächsten Wochen und Monaten in dieser Sache deutlich zunehmen.
Und auch die Gletscherkälte, die aus den Athesia-Blättern strömen wird

Der Umweltbeirat hat also NEIN gesagt. Jetzt werden wir sehen, wie ernst die SVP-dominierte Landesregierung ihr eigenes Reden von Umweltschutz, Nachhaltigkeit, Klimaschutz etc., nimmt. Sie kann dem NEIN des von ihr selbst eingerichteten Beirates folgen, oder den Wünschen eines in ungesunder Weise die südtiroler Land- und Gesellschaft dominierenden Konzernes. Lassen wir uns überraschen.

Mi., 18.08.2021 - 08:30 Permalink

die "grünen Leser"... Meinen sie, dass Umweltschutz nur den "Grünen" etwas angeht?? Mit dem ganzen Respekt, aber ihre Aussage ist wirklich nur dumm und abwertend! Umweltschutz bedeutet auch Selbst-Schutz, das müsste mittlerweile wohl allen bekannt sein.

Mi., 18.08.2021 - 11:05 Permalink

oben steht: “Zum Glück gibt es Unternehmer, die wiederum Volksparteien um sich sammeln...”:
also irgendwie finde ich jetzt hier den Bezug zur Demokratie nicht - kann mir jemand helfen?

Mi., 18.08.2021 - 13:24 Permalink

@Freud: Wie soll man langfristig Arbeitsplätze schützen, wenn die Fabriken und Hallen in die ehemaligen Flussauen gebaut und dann weggespült werden? Offensichtlich haben die "Volksparteien-um-sich-scharenden" Unternehmer (was für ein Ausdruck!!!) nicht auf die Warnrufe der Ökologen gehört...

Mi., 18.08.2021 - 14:22 Permalink