Dass Luis Durnwalder gerne wattet, ist allgemein bekannt.
Weniger bekannt ist, dass der Altlandeshauptmann in Unruhe vom Naturell her ein Spieler ist. Durnwalder hat so, wie er am Watttisch agiert, auch Politik gemacht. Er hat oft geboten, mit nichts in der Hand. Auch hat er manchmal einen Schlag aus dem Paktl gezogen, ohne dass es seine Gegner gemerkt haben. Und er hat mehr Partien gewonnen als verloren.
Dass Luis Durnwalder aber auch ein fairer Verlierer sein kann, das würden ihm wahrscheinlich nur wenige zutrauen. Ich habe es erlebt.
Durnwalder spielt nicht nur, er wettet auch für sein Leben gern. Und so hat alles angefangen: Vor 18 Jahren, im Herbst 2003, am Rande eines Interviews, unterhielten wir uns über die anstehenden Landtagswahlen. Der Landeshauptmann wollte wissen, wie ich seine persönlichen Chancen einschätzte.
Dass Luis Durnwalder aber auch ein fairer Verlierer sein kann, das würden ihm wahrscheinlich nur wenige zutrauen
Durnwalder hatte bei den Landtagswahlen 1998 80.593 Vorzugsstimmen erhalten. Bereits damit hatte er seinen Vorgänger Silvius Magnago überholt, der bei seiner letzten Wahl 1983 auf 74.690 Vorzugsstimmen gekommen war.
„Sie werden diesmal noch mehr Stimmen bekommen“, sagte ich. Durnwalder strahlte und erwiderte: „Trauen Sie sich zu wetten?“. Natürlich. 1.000 Lire pro Stimme, die er im Vergleich zum Ergebnis von 1998 weniger bekommt, müsse ich zahlen. Umgekehrt: Für jede Stimme mehr bekomme ich 1.000 Lire. Handschlag!
Als ich mich dann auf den Rückweg in die Tageszeitungs-Redaktion machte, begann ich erst langsam zu realisieren, was ich da riskierte. Wenn er 5.000 Vorzugsstimmen weniger bekommt, bin ich 5 Millionen Lire schuldig. Bei 10.000 sind 10 Millionen, heute rund 5.000 Euro. Jetzt bekam ich weiche Knie.
Wie die Sache ausging, ist bekannt. Luis Durnwalder erhielt bei den Landtagswahlen 2003 104.271 Vorzugsstimmen. Damit hatte ich fast 24 Millionen Lire mit der Wette gewonnen. Als wir uns einige Tage nach den Landtagswahlen beruflich wiedersahen, musste ich ihn erst gar nicht an die Wette erinnern. „Wenn Sie ein Tiroler sind“, meinte er mit seinem breiten Lachen im Gesicht, „dann lassen Sie sicher mit sich handeln“. Was ich nicht verneinte.
In den darauffolgenden Monaten lernte ich dann das kennen, was Durnwalder unter ‘handeln“ versteht. Drei Mal bei drei verschiedenen Gelegenheiten erinnerte er sich daran, dass er seine Wettschulden bei mir bezahlen müsse. Jedes Mal öffnete er sein Portmonee, holte drei 500.000-Lire-Scheine heraus und hielte sie mir hin.
Dafür gibt es auch einen fotografischen Beweis. Am Rande einer SVP-Landesversammlung in Meran hat Othmar Seehauser ein Foto davon geschossen. Das Dia liegt irgendwo in meinem privaten Archiv. Auf die Schnelle konnte ich es jetzt in meinen Chaos leider nicht finden.
Ich habe bei allen drei Gelegenheiten zu Luis Durnwalder dasselbe gesagt: „Sie werden doch nicht glauben, dass ich von Ihnen Geld annehme“. Ich habe ihm erklärt, dass er das Geld für einen guten Zweck spenden soll und ich ihm eine Kontonummer zukommen lasse, wo er die Wettschuld dann überweisen soll.
Gleichzeitig habe ich ihm aber auch klargemacht, dass 1,5 Lire und 24 Millionen Lire doch ein zu großer Unterschied seien. Und dass ein Handel etwas anders aussehe.
Ich habe im Büro des Landeshauptmannes wenig später die Kontonummer des Bozner Vereins Quincho Barrilette hinterlegt, der seit Ende der 1980er Jahre in Nicaragua zwei Sozialprojekte mit Straßenkindern betreibt. Luis Durnwalder hat daraufhin 7 Millionen Lire überwiesen. Damit konnten Dutzende Straßenkinder ein Jahr lang versorgt werden. Die Vereinsverantwortlichen haben dem Landeshauptmann dafür einen rührenden Dankesbrief geschickt.
"Dass Sie doch nicht ein so schlechter Mensch sind, wie viele glauben“.
Selbstverständlich forderte Luis Durnwalder fünf Jahre später Revanche. So haben wir dieselbe Wette bei den Landtagswahlen 2008 wiederholt. Aber unter anderen Vorzeichen. Ich habe darauf gewettet, dass Durnwalder seine 104.000 Vorzugstimmen nicht mehr erreichen werde. Inzwischen war ich etwas vorsichtiger geworden. So wetteten wir diesmal 18 Flaschen „guten Wein“.
Am Ende bekam Durnwalder 110.051 Vorzugsstimmen und ich hatte die Wette verloren.
Jetzt war es an mir zu „handeln.“ Meine Taktik: Jetzt ließ ich den Landeshauptmann warten. Erst im Herbst 2011 lieferte ich ihm zwei Kartone guten Wein ins Büro. Mit der schriftlichen Erklärung, dass man laut dem Tiroler Landlibell 36 Monate Zeit habe, seine Wettschulden zu begleichen.
Der Landeshauptmann antwortete mir später mit einem wunderbar humorvollen Dankesschreiben. Der Brief endet mit der Feststellung, dass „Sie doch nicht ein so schlechter Mensch sind, wie viele glauben“.
In diesem Sinne: Alles Gute zum 80!