Eines der ärgerlichsten Merkmale in Alto Adige/Südtirol ist die Besessenheit von der Sprache – d.h. von ihrem äußeren Aspekt, der mit dem Code zusammenhängt –, die zur einer extremen Vernachlässigung des Inhalts führt, d.h. dessen, was man sagen könnte, ohne immer darauf zu achten, in welcher sprachlichen Form man es sagt. Das Seltsame ist, dass die meisten Menschen das Problem genau andersherum sehen, indem sie meinen, dass der eigentliche Stolperstein der Code selbst ist und nicht das, WAS tatsächlich gesagt wird. In Südtirol denkt jeder, dass er Probleme mit dem Sprachcode hat. Die Italiener glauben, dass sie keine reiche Sprache haben, sie kennen den Dialekt im Allgemeinen nicht, und selbst diejenigen, die Hochdeutsch sprechen oder schreiben könnten, tun es schließlich fast nie. Die Deutschen glauben, dass sie nicht fließend genug Italienisch sprechen, sie vermeiden das Hochdeutsche, wo sie nur können, und ziehen sich letztendlich in einen Dialekt zurück, den nicht alle verstehen.
In Südtirol denkt jeder, dass er Probleme mit dem Sprachcode hat.
Wohlgemerkt, es ist nicht so, dass diese Aspekte unproblematisch wären, vielmehr ist es so, dass wir durch die Konzentration auf dieses Problem das ECHTE Problem aus den Augen verlieren, nämlich das, was wir am Ende tatsächlich zu sagen haben. Um diesen Zustand zu ändern, müsste eine Revolution im Denken stattfinden, von der aber weit und breit noch nichts zu spüren ist. Wenn wir dem Inhalt mehr Bedeutung beimessen als den Codes, wäre es vielleicht möglich, die unterschiedlichsten Aspekte der Kommunikation zu verbessern, unter anderem auch die Verwendung der verschiedenen möglichen Sprachen. So wäre es zum Beispiel schön, wenn diejenigen, die mich jetzt lesen, nicht so sehr auf die Sprache achten würden, die ich verwende, ihre Aufmerksamkeit nicht auf die Tatsache richten würden, dass ich es bin, der sagt, was ich sage, sondern vor allem versuchen würden, zu verstehen, was ich sage, was ich zu sagen habe, und antworten würden (wenn sie denn antworten wollten), indem sie sich darum bemühen, ihren Worten einen Sinn zu geben, ohne erneut eine Diskussion über Codes zu beginnen. Wer weiß, vielleicht wird eines fernen Tages jemand eine solche Erfahrung machen. Eine Erfahrung, die für beide, für den der spricht, und für den der antwortet, befreiend wäre, weil die Form, der Code nicht mehr im Mittelpunkt steht, sondern – endlich – der Inhalt.