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Der Hof des AfD-Spenders

Siegfried Unterberger hat durch einen Tausch den Steger Hof vom Land bekommen. Jetzt verkauft er den Hof um 9,8 Millionen Euro an einen deutschen Milliardär weiter.
Steger Hof
Foto: streetview
Der Mann ist ein Phantom. Es gibt kein offizielles Foto von ihm und auch sonst tritt er in der Öffentlichkeit kaum auf.
Hennig Conle, heute 77 Jahre alt, ist in Duisburg geboren und reich geworden. Sein Vater Heinz Conle, Architekt und SPD-Vorstandsmitglied und dessen Bruder Kurt bauten in den 1950er Jahren in Duisburg und Mühlheim 18.000 Sozialwohnungen.
Heute gehören Conle gut 10.000 Gebäude. Bereits vor Jahren schrieb die Süddeutsche Zeitung über den Unternehmer:
 
„So wenig über die Person Henning Conle bekannt ist, so viel wurde aber über seinen rüden Umgang mit Mietern publik. Conle hat sich über die Jahrzehnte einen Ruf als Hassfigur vieler Mietervereine erarbeitet. Der Vorwurf: Er kaufe unsanierte Altbauten, investiere nichts in sie, lasse sie herunterkommen und setze Bewohner unter Druck, wenn diese wegen der Mängel schließlich ihre Miete kürzten.“
 
Hennig Conle hat das Familienimperium inzwischen zu einem internationalen Immobilienunternehmen ausgebaut. 2014 kaufte er über seine im Steuerparadies Luxemburg registrierten Firma Sirosa sechs exklusive Geschäftsimmobilien in der Londoner Innenstadt. Etwa das Shell-Mex-Haus (Kaufpreis laut der englischen Tageszeitung Guardian 746 Millionen Euro), die Kensington Roof Gardens, das Plaza-Einkaufszentrum in der Oxford Street oder das Stratton House, Londoner Sitz des Fußballclubs Manchester United.
In den vergangenen Jahren ging Conle auch in Kärnten auf Einkaufstour. So erwarb er das „Park Hotel“ in Villach und das Business Center „Marianum“ in Klagenfurt. Erst im Sommer dieses Jahres kaufte der Milliardär von den Jesuiten 170 Hektar Grund im Kärntner Lavanttal.
Henning Conle dessen Vermögen auf 1,5 Milliarden Euro geschätzt wird, hat Wohnsitze in Duisburg, London und in Zürich, wo auch seine Familie lebt.
Jetzt aber hat der publikumsscheue Milliardär auch einen besonderen geschlossenen Hof in Südtirol erworben. Hennig Conle hat den Steger Hof in Labers oberhalb von Meran gekauft.
Es ist ein Hof mit einer ganz besonderen Geschichte.
Eine Geschichte, die die Politik, die Südtiroler Öffentlichkeit und die Medien sowie den regionalen Rechnungshof vor rund zwei Jahrzehnten beschäftigt hat. Dabei geht es um ein Tauschgeschäft zwischen dem Land Südtirol und einem privaten Kunstsammler. Aber auch um die Freundschaft zwischen zwei damals mächtigen Männern, die beide heuer ihren 80. Geburtstag feiern: Luis Durnwalder und Siegfried Unterberger.
 

Der Meraner Ingenieur

 
Der Bauingenieur und langjährige Meraner SVP-Chef Siegfried Unterberger galt jahrzehntelang als einer der einflussreichsten und erfolgreichsten Strippenzieher in diesem Land. Unterberger organisierte 1981 die Schach-WM in Meran, setzte die Renovierung des Kurhauses und den Bau der Thermen und der Meran-Arena durch. Vor allem aber schaffte er etwas, was vor und nach ihm keinem mehr gelungen ist: Das Projekt eines deutschen SVP-Bürgermeisters für Meran.
Dass der Bauingenieur und Multiunternehmer bei den meisten Projekten, die für Meran und die Öffentlichkeit durchaus nützlich waren, ordentlich mitverdient hat, gehört ebenfalls zu den Charakteristiken von Siegfried Unterberger. Aus einfachen Verhältnissen stammend hat sich Unterberger zum Millionär hochgearbeitet. Zusammen mit seinem Partner Manfred König hat die Gruppe Unterberger etwa in Leipzig in den vergangenen 20 Jahren mehrere neue Stadtviertel errichtet. Gleichzeitig ist Unterberger aber auch im Verbund mit dem Bozner Bauunternehmer Antonio Dalle Nogare und dem Vinschger Immobilienunternehmer Peter Paul Pohl auch heute noch in und außerhalb von Südtirol mannigfaltig tätig.
 
 
Die Ehe von Unterbergers Tochter Julia mit Karl Zeller, der schnelle und steile politische Aufstieg Zellers, später auch jener von Julia Unterberger und selbst jetzt die Kandidatur der Unterberger Enkelin Katharina Zeller für das Bürgermeisteramt in Meran, hat das Image Siegfried Unterbergers als politischen Übervater und Einflüsterer nach außen hin noch einmal gefestigt. Auch wenn der heute Achtzigjährige, der vor einigen Jahren nach einer Komplikation bei einer Routineoperation den Tod vor den Augen hatte und sich davon wieder vollkommen erholt hat, seit langem sehr zurückgezogen in seinem Haus in Obermais lebt.
Während der 1980er Jahre wird Siegfried Unterberger zum Vertrauen des damaligen Landeshauptmann Luis Durnwalder. Unterberger und Durnwalder sind sich in vielem ähnlich. Beide Alphatiere, beide pragmatisch und beide haben eine Gang mehr als der Großteil jener, die sie umgeben. Daraus entsteht nicht nur eine politische Seilschaft, sondern auch eine persönliche Freundschaft.
Diese Freundschaft, die vor einigen Jahren auf beiden Seiten deutlich abgekühlt ist, war auch die Grundlage eines Tauschgeschäfts, das in Südtirol kurz nach der Jahrtausendwende die Wogen hochgehen lies.
 

Bilder gegen Hof

 
Siegfried Unterberger hat von seinem Vater, der ein kleines Antiquariat besaß, die Leidenschaft für die Kunst und das Schöne geerbt. Jahrzehntelang sammelt der Ingenieur Bilder, vor allem Tiroler Maler des späten 19. Jahrhunderts. Als die Sammlung zu umfangreich wird, bietet Unterberger Teile davon dem Land an. Das Angebot umfasst rund 130 Bilder und Ölgemälde von Franz von Defregger, Alexander Köster oder auch Albin Egger Lienz.
Einer der Träume, die Siegfried Unterberger seit seiner Kindheit hat, ist der Besitz eines eigenen Bauernhofes. Jetzt wächst im Beziehungsgeflecht Durnwalder-Unterberger ein Projekt heran, das im ersten Moment wie eine Schnapsidee anmutet. Der Tausch: Bildersammlung gegen Hof.
Das Land besitzt in Labers oberhalb von Meran mehrere große Höfe. Sie gehörten seit dem Ende des Ersten Weltkrieges der Frontkämpfervereinigung „Opera Nazionale Combattenti“ und waren mit dem zweiten Autonomiestatut in den Besitz des Landes übergegangen. Verwaltet werden sie von der Versuchsanstalt Laimburg, die zu diesem Zeitpunkt dem Landeshauptmann untersteht.
Siegfried Unterberger weiß von Anfang an, was er will. Der „Steger Hof“ liegt auf einem Plateau in Labers direkt oberhalb der botanischen Gärten von Schloss Trauttmansdorff. Der geschlossene Hof ist 12 Hektar groß, davon sind damals 2,7 Hektar Obstanlagen, 3,2 Hektar Weinberg und etliche Hektar Wiesen. Vor allem aber ist der Hof ein „Schmuckstück“ mit einer unvergleichlichen Lage. Hier liegt einem ganz Meran im wahrsten Sinne des Wortes zu Füßen.
 

Der umstrittene Tausch

 
Im Sommer 2000 befasst sich die Landesregierung mehrmals mit dem Tauschangebot. Es werden sowohl für die Bildsammlung wie auch für den Hof zwei unabhängige Schätzgutachten in Auftrag geben. Das Ergebnis. Der Wert der Bildersammlung wird mit rund 4,1 Millionen Euro (damals noch 8.083.985.987 Lire) ermittelt. Jener des Steger Hofes mit 3,7 Millionen Euro (7,11 Milliarden Lire). Im April 2001 geht der Tausch dann per Landesregierungsbeschluss über die Bühne. Siegfried Unterberger erhält den Steger Hof und eine Ausgleichszahlung von rund 400.000 Euro.
 
 
"Auf dem freien Markt hätten wir diese Summe wohl schwerlich bekommen“, wird der damalige Landesrat für Vermögen, Hans Berger, von der Wochenzeitung FF zitiert. Auch der damalige und für das Ressort zuständige Kulturlandesrat Bruno Hosp und vor allem Landeshauptmann Luis Durnwalder sprechen von einem „guten Geschäft für das Land“.
Auch hier spielt aber die FF den Spielverderber. Das Wochenmagazin enthüllt in einer Artikelserie, dass die beiden vom Land ernannten unabhängigen Kunstgutachter bereits für Unterberger gearbeitet hatten. Vor allem aber stellte man anhand anderer Expertenmeinungen, Gutachten und den Vergleichspreisen auf internationalen Kunstauktionen die These auf, dass die Unterberger-Sammlung deutlich überbewertetet wurde.
Nachdem in Südtirol rund um die „Bilderaffäre“ eine öffentliche Polemik losbricht, leitet die Staatsanwaltschaft am Rechnungshof eine Ermittlung ein. Man prüft ob der Tausch zum Schaden des Landes erfolgt sei. Die Ermittlung endet letztlich mit einer Archivierung.
Siegfried Unterberger ist seitdem der rechtmäßige Besitzer des Steger Hofes. 
 

Der Verkauf

 
Fast genau 20 Jahre später wechselt der Hof jetzt erneut seinen Besitzer. Am 4. August 2021 haben Bevollmächtigte von Siegfried Unterberger und Henning Conle vor dem Bozner Notar Luca Tomasi einen Kaufvorvertrag unterzeichnet, mit dem der deutsch-schweizer Milliardär den Steger Hof in Labers oberhalb von Meran erwirbt. Die endgültige Übertragung des geschlossenen Hofes soll bis zum 20. November erfolgen.
Interessant ist dabei der Verkaufspreis: 9,8 Millionen Euro.
Demnach erhält Siegfried Unterberger 20 Jahre nachdem er den Hof um 3,7 Millionen Euro vom Land erworben hat, jetzt rund zweieinhalb Mal so viel für den Steger Hof. Der Coup eines besonders geschäftstüchtigen Schlitzohrs?
 
 
Doch so stimmt diese Rechnung nicht. Siegfried Unterberger hat am Steger Hof zwei Jahre lang rund 50.000 Meter Kubikmeter Felsen sprengen und die Wiesen auffüllen lassen. Er hat die Anbaufläche für Äpfel und Wein damit deutlich vergrößert und auch einzelne Grundstücke dazu gekauft. Die Gesamtfläche beträgt heute 13,3 Hektar Kulturgrund. Zudem hat er die gesamte Anlage neu anlegen lassen und eine moderne Beregnungsanlage mit einem unterirdischen Wasserspeicher gebaut.
Demnach hat der Meraner Bauingenieur einiges Geld in den Steger Hof investiert. Rechnet man zudem die Inflation der letzten zwei Jahrzehnte dazu, wird die Gewinnspanne deutlich kleiner. Auf jeden Fall ist der Verkauf für Siegfried Unterberger aber immer noch ein gutes Millionengeschäft.
Siegfried Unterberger erhält 20 Jahre nachdem er den Hof um 3,7 Millionen Euro vom Land erworben hat, jetzt rund zweieinhalb Mal so viel für den Steger Hof. Der Coup eines besonders geschäftstüchtigen Schlitzohrs?
 
In Meran fragt sich man sich jetzt warum Siegfried Unterberger sein Schmuckstück verkauft. Böse Zungen behaupten der Ingenieur sei in finanziellen Schwierigkeiten. Unterberger selbst kann über solche Mutmaßungen und Gerüchte nur lachen.
Ich bin mittlerweile über 80 und möchte tunlichst meinen Besitz zu Lebzeiten auf meine fünf Kinder einigermaßen gerecht aufteilen“, begründet Siegfried Unterberger gegenüber Salto.bz den Verkauf und fügt hinzu: „Ein geschlossener Hof ist nicht teilbar.“
Auch seinen Kindheitstraum vom Bauernhof gibt der Ingenieur damit nicht auf. Siegfried Unterberger hat bereits vor Jahren in Vöran einen weiteren Hof ersteigert, der dem früheren Bürgermeister und Milkon-Obmann Alfons Alber gehört hatte. Seit Jahren verbringt er dort viel Zeit.
 

Der Schattenmann

 
Den Verkauf des Steger Hofes hat Siegfried Unterberger - laut eigenen Aussagen - einer renommierten Immobilienagentur übergeben. „Ich kennen den Interessenten nicht und ich habe nie direkt mit ihm gesprochen, alle Kontakte liefen über meinen Makler“, meint Unterberger.
Dabei ist der neue Käufer und Besitzer des Steger Hofes seit zwei Jahren unfreiwillig in die Schlagzeilen geraten.
Hennig Conle steht unter Verdacht einer jener Großspender zu sein, die die rechte „Alternative für Deutschland“ (AfD) seit vielen Jahren mit illegalen Parteispenden großzügig finanzieren. Im April 2019 wurde bekannt, dass Conle hinter den Spenden aus dem Ausland - vor allem aus der Schweiz - steht, die über schweizerische und niederländische Strohleute abgewickelt wurden. Aus den Unterlagen der Verwaltung des deutschen Bundestages geht hervor, dass eine illegale Spende von insgesamt 132.000 Euro für den Bundestagswahlkampf 2016 der AfD-Fraktionschefin Alice Weidel auf Conle zurückzuführen ist.
 
 
 
Im Frühjahr 2021 enthüllen das deutsche Recherche-Netzwerk Correctiv und das ZDF-Magazin Frontal 21, dass Hennig Conle bereits 2015 der AfD seine anonyme, finanzielle Unterstützung angeboten hätte. Die ehemaligen Parteivorsitzenden Frauke Petry sagt, dass sie und Jörg Meuthen den Immobilienmilliardär in dessen Villa im Schweizer Küsnacht am 7. Dezember 2015 getroffen hätten. Dabei und bei weiteren Treffen sei es um anonyme Parteispenden gegangen, was in Deutschland strafbar ist. Das ZDF stellte die Treffen digital nach und Correctiv veröffentlicht die Recherche unter dem Titel "Der Schattenmann".
Ob Hennig Conle im beschaulichen Meran jetzt zum Wein- und Apfelbauern werden will, wird sich zeigen. Wahrscheinlicher ist aber, dass die besondere Lage des Steger Hofes den Milliardär nach Labers gelockt hat.
Die Hofstelle des geschlossenen Hofes besteht aus einem Wohnhaus und einem Wirtschaftsgebäude, das Siegfried Unterberger vor 12 Jahren saniert hat. Das Wohnhaus am Steger Hof ist unbewohnt und muss von Grund auf renoviert werden. Die Bestandskubatur von 1.900 Kubikmetern kann aber auf jeden Fall wiedererrichtet und möglichweise durch unterirdische Bauten erweitert werden.
Im Verkaufsfolder der Immobilienagentur heißt es: „Wegen dieses Baurechts kann an diese Stelle eine einzigartige Luxusvilla in beliebiger architektonischer Ausformung errichtet werden.
Dafür legt Henning Conle fast 10 Millionen Euro auf den Tisch.
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Karl Trojer Mo., 04.10.2021 - 09:34

Es ist beeindruckend, mit wieviel Detail- Recherchen ein Journalist wie Christoph Franceschini aufwarten kann ! Die hier dargelegten Zusammenhänge zeigen auf, wie im Hintergrund Fäden gezogen werden, von denen der einfache, an die Demokratie glaubende Mensch keine Ahnung hat und die jede Wertegemeinschaft in Frage stellen. Was müsste eine Wertegemeinschaft , wie die Europäische Union, dagegen unternehmen ?

Mo., 04.10.2021 - 09:34 Permalink
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△rtim post Mo., 04.10.2021 - 10:50

Das Politikverständnis und die Wirkmächtigkeit des S. Unterberger von vor über 40 Jahren in Meran ist ja hinlänglich bekannt. Was diese sehr lange Exkursion in die Vergangenheit konkret nun mit der tagesaktuellen Landes- und Gemeindepolitik zu tun hat, erschließt mir jetzt nicht ganz, außer, wie wir wissen, dass aktuell auch Rösch mittlerweile Freunderl- und Günstlingswirtschaft vorgeworfen wird und die staatliche Kommissarin der Stadt Meran gar den Rechnungshof einschalten musste. Die möglichen Folgen, wie Amtsenthebung bei einer Wiederwahl Röschs und neuerliche kommissarische Verwaltung, sind ja durchaus real. Die Skandalisierungspunkte im Artikel haben diese Sprengkraft wohl nicht.
Ich ärgere mich auch heute. Wie damals, als man dagegen noch protestierte und die Meraner-innen die SVP seitdem dafür abstrafen.
Aber Kollektiv- und Erbschuld sind weder im Strafrecht eine Kategorie noch sollte sie in der Politik eine Rolle spielen. Vielmehr, so zeigt es die Erfahrung, übernehmen gerade Kinder und Enkel von sich aus gerne, als eigene Persönlichkeiten, gerne gesellschaftspolitische Verantwortung. Diese Chance sollte jede und jeder haben.

Mo., 04.10.2021 - 10:50 Permalink