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"Besserwisserischer Oberschullehrer"
Foto: RAI Südtirol
Lieber Christoph,
Unter dem Titel „Brei Südtirol“ hast wohl ordentlich zugelangt. Mit einem großen Holzhammer. Klar, Du bist zweifelsohne der Aufdecker im Land. Respekt dafür.
Und dann wird aus dem Aufdecker ein besserwisserischer Oberschullehrer, der Noten verteilt. Du wirfst der Rai Südtirol vor, einen erbärmlichen Journalismus zu betreiben. Präziser, Rai-Südtirol machte mit der „Berichterstattung über den Conte-Auftritt in Meran deutlich, wie Journalismus in diesem Land funktioniert“. Du findest, „ein erbärmliches Zeugnis“.
Deftig. Der Applaus der vielen Widerstandskämpfer war dir sicher. Auch die Freiheitskämpfer finden, sich gegenseitig auf die Schulter klopfend, dass Rai-Südtirol tief ins Klo gegriffen hat. Angeblich.
Aber was war nun letztendlich falsch an der Berichterstattung über den Conte-Besuch in Meran? Ich schicke voraus, ich würde als Meraner am 10. Oktober den Bürgermeister-Kandidaten Paul Rösch wählen. Treffend ist auch deine Darstellung, dass sich manche SVP-Granden in Rom in der Amtszeit von Conte immer wieder querlegten, mit der Rechten liebäugelten, wie hier im Land ja auch. Inzwischen wissen wir ja, Du hast das treffend beschrieben, warum es eine Landesregierung aus SVP und Lega gibt. Stichwort Schnals.
Trotzdem, die Berichterstattung von Rai Südtirol über den Conte-Auftritt in Meran war keineswegs daneben. Laut verschiedenen Medien lobte Conte das Südtiroler Autonomie-Modell als vorbildhaft. Dies tat er auch im Bericht der Tagesschau. Wer macht nun die Autonomiepolitik? Paul Rösch, Paul Köllensperger, Brigitte Foppa oder die sogenannten Patrioten? Seit ihrer Gründung ist es die SVP, die die Autonomie umsetzt. Magnago, Benedikter, Dietl, Riz, Durnwalder, Brugger, Zeller, Kompatscher, usw. Die Liste ist noch länger. Die italienischen Parteien setzten kaum autonomistische Akzente, mit wenigen Ausnahmen. Dort, wo es Autonomie gibt, sind auch die italienischen Parteien – verbal – für diese Autonomie. Wo sie fehlt, blocken sie.
Ob ein Sager von Conte für Paul Rösch die Bürgermeisterwahl entscheidet? Wohl eher nicht. Die Cinque Stelle sind kein Magnet mehr. Rösch hatte also Glück, dass Conte im Bericht der Tagesschau keinen Rösch-Wahlaufruf losließ. Angesichts der jüngsten Wahlergebnisse wäre das ein gewaltiges Eigentor geworden.
Dein Vorwurf ist einfach nur untergriffig und bösartig.
Du spöttelst auch darüber, dass die Redaktion von Rai-Südtirol die par conditio-Bestimmungen als Rechtfertigung heranziehen wird. Wenn es bloß so einfach wäre. Diese von einer Mitte-Links-Regierung erlassene Bestimmung – gut gemeint, schlecht getroffen – ist ein journalistischer Boomerang. Die Bestimmung sorgt dafür, dass im öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Wahlkampfzeiten tatsächlich nur mehr bewusste politische Desinformation möglich ist. Weil alle BewerberInnen zu Wort kommen müssen, gleichberechtigt. Dein Vorwurf, die Tagesschau-Redakteurin sei persönlich unfähig, seriöse, journalistische Arbeit zu leisten, ist einfach nur untergriffig und bösartig. Das ändert auch nicht der erwähnte Applaus der Widerstands- und Freiheitskämpfer.
Lieber Wolfi,
ich nehme deine Kritik gerne an.
Was ich im meinem Kommentar wahrscheinlich falsch vermittelt habe: Es geht mir keineswegs darum, mit dem Finger auf eine Kollegin zu zeigen oder gar, wie du sagst, den "besserwisserischen Oberlehrer“ zu spielen. Danke für das Kompliment zum "Aufdecker" - aber in einem Land, das so groß ist wie ein Französisches Bett, ist das vielleicht keine allzu große Leistung.
Ich bin altmodisch und glaube immer noch, dass wir Journalisten eine gewisse Berufsethik haben sollten. Gegenüber unseren HörerInnen und SeherInnen, aber auch gegenüber jenen, über die wir berichten.
Und wenn du jetzt schreibst: "Aber was war nun letztendlich falsch an der Berichterstattung über den Conte-Besuch in Meran?", dann ist die Antwort darauf einfach - und sie war auch aus meinem Artikel eindeutig zu entnehmen:
Falsch war, dass in allen Euren Beiträgen zum Besuch des Ex-Premiers der Eindruck evoziert wurde, Conte sei nach Meran gekommen, um wieder einmal die Südtiroler Autonomie zu preisen und sich bei dieser Gelegenheit auch mit Frau Unterberger zu treffen. Dass er hauptsächlich oder sogar ausschließlich in Meran war, um Paul Rösch explizit zu unterstützen (mit dem seine Partei ja auch eine Listenverbindung eingegangen war) - das wurde nur in einem der von mir beanstandeten Beiträge überhaupt erwähnt, und auch da nur am Rande. Es wurde also ein Bild vermittelt, das im besten Fall unvollständig war, meines Erachtens aber durchaus - ja, eben falsch.
Und ich ersuche Dich, die Meraner Conte-Berichterstattung mit dem Berichten von RAI Südtirol über den Auftritt von Sebastian Kurz für die SVP im Landtagswahlkampf 2018 zu vergleichen. Dann wird vielleicht verständlicher, was ich meine.
Es gibt bei RAI Südtirol viele fähige, seriöse und ausgezeichnete Journalistinnen und Journalisten. Und ich gehe davon aus, dass wenigstens einige von Ihnen vom Berufsethos, das am Bozner Mazziniplatz mitunter gepflegt wird, nicht sehr begeistert sind.
Aber sicher: Jedem und jeder - und ganz sicher auch mir - geht manchmal der Gaul durch. Und wir machen Fehler. Einige Passagen, die du nun so echauffiert zitierst, hätte ich mir wohl sparen können, einige Attribute waren sicher etwas zu stark - obwohl du dich in deiner Philippika mit den Adjektiven auch nicht eben zurückhältst ("untergriffig", "bösartig" , "besserwisserisch" ) - vom etwas penetranten ironischen Gestus ganz zu schweigen ("Widerstandskämpfer", "Freiheitskämpfer", nun ja).
Und ich gestehe: Ein Grund für meine etwas pointierte Wortwahl war und ist auch die ewige Wiederkehr des Gleichen, also die Tatsache, dass Salto von Rai Südtirol fast schon systematisch totgeschwiegen wird - auch dann, wenn man ausgiebig auf unsere Artikel zugreift. Oder ist es etwa normal, dass Salto.bz im alltäglichen Pressespiegel von RAI-Südtirol auf Diktat von oben und aus dem Weinbergweg nicht vorkommen darf? (Mit Ausnahme des - um bei Deiner Diktion zu bleiben - "Widerstandskämpfers" Thomas Hainz). Natürlich kenne ich die Ausrede: „Es wird nur aus Zeitungen gelesen“. So als würde die Sendung Papierspiegel heißen.
Wie unverfroren man sich dabei jener Quelle bedient, die man keinesfalls zitiert, hat sich erst diese Woche wieder einmal exemplarisch gezeigt: Am Montag vermeldete RAI-Südtirol den ganzen Tag über (selbst noch am Dienstagmorgen) in den stündlichen Nachrichten den Verkauf des Stegerhofs von Siegfried Unterberger an den deutschen Milliardär Hennig Conle. So als sei die Nachricht vom Himmel gefallen. Natürlich kein Wort darüber, dass es sich um eine Exklusivstory von Salto.bz handelt(e). Dasselbe im TGR von RAI Alto Adige.
Auch in der Tagesschau wurde ein Bericht über den Hof-Verkauf ausgestrahlt: Archivbilder und dazu der Inhalt, abgekupfert vom Salto-Artikel. Ohne auch nur einen Funken eigener Recherche oder eigenen Zutuns. Natürlich auch dort kein Wort darüber, wer die Geschichte effektiv recherchiert hat.
Nur Tagesschau-Moderator Florian Mahlknecht hatte den Anstand, bei der Anmoderation auf die „Onlineplattform Salto“ hinzuweisen. Es gibt also doch Lichtblicke.
Ob das aber noch Journalismus ist? Die Frage sei erlaubt, und sie ist, so hoffe ich, nicht zu "besserwisserisch" für dich.
Christoph Franceschini
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Super toller Diskurs, von
Super toller Diskurs, von beiden Seiten. Gut so, warum sollte es nicht auch mal ein wenig krachen? Es dient der Sache!
Gehts doch gescheiter
Gehts doch gescheiter miteinander ein Bier trinken.
Antwort auf Gehts doch gescheiter von Lollo Rosso
Ein Bier trinken ist hier
Ein Bier trinken ist hier sicher angebracht... und wird wohl auch passieren. Schließlich hat der Fransceschini etwas fett aufgetragen und der Wolfi zu recht seine Kaste verteidigt
Excellentes Duell.
Excellentes Duell zwischen W. Mayr u. Ch. Franceschini.
PS: Rai-BZ sollte in seinem Pressespiegel die Konkurrenz unbedingt namentlich zitieren (beim Kupfern) und salto.bz auch in den Pressespiegel aufnehmen. Das wäre für die Hörer* , m.M.n., ein willkommener Ausgleich zum bekannten Medien-Zar.
Gut, Journalisten unter sich.
Gut, Journalisten unter sich. Aktiver Aufdecker oder in Pension, macht nicht den Unterschied. Was mich schon wieder stört, das sind die "Widerstands- und Freiheitskämpfer", die Wolfgang einfach nicht leiden kann. Auch die Querdenker und Verschwörer nicht. Ich pfeif auf RAI, Salto, SVP, Lega und Hintermänner, Hinterfrauen und Hinterfirmen. Eines aber ist mir wichtig: Nicht alles hinnehmen, so wie es die Herrschaften gerne hätten und durchsetzen wollen. Mitdenken und mitentscheiden war immer mein Ziel. Und dies, lieber Wolfgang, ohne abgestempelt zu werden, ganz gleich von wem. Kein Schubladendenken, bitte. Ich lasse nur das Attribut "mündiger Bürger und Steuerzahler" gelten. Alles andere ist Beleidigung. Und weil im Beitrag von Schals die Rede war, hier kurz mein Eindruck vom Dienstag 28. September, Tag der Entscheidung über das Monsterprojekt. Ich war im Auto nach Bozen unterwegs. Im Morgentelefon zufällig Pichler Rolle. Was hätte er auch sagen sollen, als das, was er gesagt hat? Und dann in den Nachrichten brav zitiert, um alles noch dreimal zu unterstreichen. Und ich habe richtig gehört: Trotz Missstimmung mit Landeshauptmann und anderen Regierungsmitgliedern sollte dieses Zukunftsprojekt seine Genehmigung erlangen.
Lieber Wolfgang, sei froh, dass du in Pension bist und lass uns um die Freiheit und ein bisschen Gerechtigkeit in diesem Lande kämpfen. Lass uns auch Widerstand machen gegen Haarsträubendes. Lass uns querdenken, wenn die Mächtigen nur geradeaus marschieren. Suche Attribute für die Hintermänner in diesem Lande, versuche diese in Schubladen zu verteilen und schließ die Schubladen bitte ab, damit wir sie los sind, diese Hintermänner und -frauen. Ich glaube, du hast Erfahrung genug gemacht mit Machenschaften, die man kaum für möglich hält.
Fast habe ich das Gefühl,
Fast habe ich das Gefühl, Franceschini hat den "Brei"-Artikel geschrieben, weil er auf die Replik von WMayr wartete, um dann vor allem in eigener Sache loszulegen. Den RAI-Bericht hatte vermutlich nicht mal Rösch selbst zu beanstanden. Er war halt so, wie es RAI immer macht: in keine Richtung anecken. Die Kritik im zweiten Teil kann ich dann eher nachvollziehen, auch wenn eine Aussprache unter Kolleg:innen fruchtbarer gewesen wäre (hab ich in meiner Kinderstube halt so gelernt.) Das hätte dann natürlich keine Klicks erzeugt.
Antwort auf Fast habe ich das Gefühl, von Dietmar Holzner
Das ist gut beobachtet,
Das ist gut beobachtet, manchmal braucht eine Geschichte eine Fortsetzung, damit sie sich ganz erklärt. Diese hier lässt sich auch auf die „Noten“ beziehen, die RAI Südtirol an sich selbst verteilt, Z. B. "Alles, was wichtig ist, auf RAI Südtirol" oder „Hier ist die beste Information am Morgen. Hier ist RAI Südtirol“.
Bedeutet die Aussage,
Bedeutet die Aussage, "Aufdecker ein besserwisserischer Oberschullehrer, der Noten verteilt", dass der Lehrerberuf ein minderwertiger Beruf ist...oder dass Lehrpersonen keine Kompetenz aufweisen? Von einem RAI-Chefredakteurs Wolfgang Mayr sollte man sich bessere Vergleiche erwarten....
Wer "Oberschullehrer" als
Wer "Oberschullehrer" als Schimpfwort benutzt, ist auf seinem Bildungsweg offensichtlich nicht über die Volksschule hinausgekommen.