Gesellschaft | Alpinismus

Eklat am Tegernsee

Beim Bergfilmfestival in Tegernsee kommt es nach der Vorführung eines Messner-Films zu einem öffentlichen Streit. Am Ende kapert Messners Ehefrau die Bühne.
Bergfilmfestival Tegernsee
Foto: Bergfilmfestival Tegernsee
Hier ging es nicht um den Film“, sagt Diane Schumacher, „sondern darum Reinhold niederzumachen“. Die neue Ehefrau vom Reinhold Messner gibt sich auch fünf Tage nach dem Vorfall kämpferisch: „Deshalb musste ich einschreiten und ich würde es auch nochmals tun“.
Michael Pause sieht das naturgemäß völlig anders. „Wir haben in Deutschland immer noch Redefreiheit“, sagt der langjährige Bergredakteur des Bayrischen Rundfunks und Leiter der Bergfilm-Festivals Tegernsee, „und das Verhalten von Frau Messner war doch eher peinlich“.
Es ist kein Rosenkrieg, der sich am vergangenen Donnerstag im Ludwig-Thomas-Saal in Tegernsee abspielt, sondern das Aufbrechen einer alten Geschichte und eines Streites unter Alpinisten, der sich seit fünf Jahrzehnten hinzieht. Es ist ein Konflikt, der im Laufe der Jahre keineswegs abebbt, sondern im Gegenteil an Schärfte noch zugelegt hat.
 

Der Konflikt

 
Im Juni 1970 kommt es am 8126 Meter hohen Nanga Parbat zu einer Tragödie. Die Geschichte ist bekannt: Reinhold Messner besteigt damals seinen ersten 8000er, sein Bruder Günther verunglückte beim Abstieg tödlich. Die Messners schaffen nicht nur die erste Durchsteigung der Rupalflanke, sondern aus der Notlage heraus auch die erste Überschreitung eines Achttausenders.
 
 
 
Unmittelbar nach der Expedition beginnt eine Auseinandersetzung zwischen Reinhold Messner und dem damaligen Expeditionsleiter Karl Maria Herrligkoffer, die jahrzehntelang für Prozesse und Schlagzeilen sorgt. Der Kern des Streits: Reinhold Messner sagt offen, dass er und sein Bruder Günther von Herrligkoffer und einigen der Expeditionsteilnehmer in Stich gelassen wurden. Die Gegenseite behauptet - mehr verdeckt als offen - dass Messner seinen Bruder aus Ehrgeiz auf dem Gewissen habe.
Seit vielen Jahren stehen sich beide Fraktionen völlig unversöhnlich gegenüber.
 

Der Film

 
2020 jährt sich die Nanga Parbat-Besteigung zum 50. Mal. „Ich wollte dazu etwas beim Bergfilmfestival machen“, sagt Michael Pause zu Salto.bz. Wegen der Corona-Pandemie musste diese Retrospektive zum Jubiläum aber letztlich um ein Jahr verschoben werden. Vergangene Woche war es dann soweit. Am Donnerstagabend wurden zwei Filme zu diesem Thema gezeigt.
Reinhold Messner hat mit seinem Sohn Simon und in Zusammenarbeit mit dem BR und ARTE im vergangenen Jahr mit „Nanga Parbat – mein Schlüsselberg“ einen Film gemacht, in dem er erzählt was damals am Berg geschehen ist. Der Film ist eine Mischung aus Dokumentar- und Spielfilm.
 
 
 
Der zweite Film an diesem Abend ist „Nanga Parbat – Bericht über die Sigi-Löw-Gedächtnis-Expedition zur Rupalflanke“, der Original-Expeditionsfilm von 1970. Gedreht vom Bergfilmer Gerhard Baur, der mit den Messner-Brüdern damals im höchstgelegenen Lager war.
Anschließend zur Filmvorführung sollte ein Gespräch mit Gerhard Baur und Klaus Gerosa, Vizepräsident der Herrligkoffer Stiftung stattfinden.
 

Rückzug & Kompromiss

 
Reinhold Messer wusste von diesem Gespräch nichts. Der Extrembergsteiger, der gerade in Deutschland auf Vortragstour ist und an diesem Abend einen Auftritt hat, traut aber seinen Augen nicht, als er zehn Tage vorher das Programm des Bergfilmfestivals zu Gesicht bekommt. Auch zwischen Baur und Messner haben sich die Fronten nach der Expedition verhärtet und es herrscht seit vielen Jahren Funkstille.
„Ich habe daraufhin umgehend meinen Film vom Festival zurückziehen wollen“, sagt Reinhold Messner. Auf Drängen der Festivalveranstalter konnte schließlich auch über den Bayrischen Rundfunk ein Kompromiss gefunden werden. „Die Bedingung war, dass man im anschließenden Gespräch nicht wieder die alten Geschichten aufwärmt“, sagen Messner und Michael Pause unisono.
 
 
 
Festivalleiter Pause erklärte das auch in seiner Einleitung bei der Vorführung. Gleichzeitig verlieh der Journalist mit dem Messner seit Jahren im Clinch liegt, auch seiner Hoffnung Ausdruck, dass dieser Streit - wie der 30jährige Krieg - mit einer Art „Westfälischer Frieden“ beendet wird.
Doch es kommt letztlich völlig anders.
 

Mikrophon abgenommen

 
Nach dem Film passierte genau das, was Reinhold Messner auf keinen Fall wollte. Und was unvermeidbar ist. Offiziell redete man über den Unterschied zwischen Dokumentar und Spielfilm, doch schon bald rutschte Gerhard Baur wieder in die „alten Geschichten“ ab. Damit tat sich öffentlich jener Abgrund auf, der zwischen den ehemaligen Expeditionsteilnehmern seit Jahren herrscht und der anscheinend immer größer wird.
Zur Vorstellung hatte sich mit Diana Schumacher auch Reinhold Messner neue Ehefrau angemeldet. Den Organisatoren war damit klar, dass sie an diesem Abend unter Beobachtung stehen. Was sie aber kaum bedacht haben, dürfte die Entschlossenheit und Chuzpe der jungen ehrgeizigen Frau gewesen sein. Denn nach einer Weile geht Diana Schumacher auf die Bühne, erklärt dass die Organisatoren sich nicht an die Abmachungen gehalten hätten und nimmt dem sichtlich verdutzten Gerhard Baur kurzerhand das Mikrophon ab. Es kommt zu einem kurzen verbalen Tumult, der dadurch beendet wird, dass der Filmvorführer eigenmächtig den Stecker zieht und somit die Veranstaltung abbricht.
Seit vergangenem Donnerstag hat sich jetzt aber in den Streit zwischen den altern Männern auch eine junge Frau eingemischt.
Reinhold Messner verteidigt die unorthodoxe Partisanenaktion seiner Ehefrau. „Man wusste genau, dass ich nicht kommen kann“, sagt der streitbare Extrembergsteiger „und hat das alles so geplant, um die Geschichte umzudrehen“. Michael Pause bläst ins selbe Horn, aber den entgegengesetzten Marsch: „Der Messner will die alleinige Deutungshoheit und sonst darf niemand reden“.
Reinhold Messner legt aber noch eines drauf. „Ich bin jederzeit zu einer öffentlichen Diskussion mir Baur und Pause bereit“, sagt er zu Salto.bz, „aber das getrauen die sich ja eh nicht“.
Seit vergangenem Donnerstag hat sich jetzt aber in den Streit zwischen den altern Männern auch eine junge Frau eingemischt.
 
 
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Peter Gasser Di., 19.10.2021 - 08:07

Nähert man sich der Darstellung der Wirklichkeit im *Diskurs* der Standpunkte und Sichtweisen aller Beteiligten (Dokumentarfilm) - oder im *Narrativ* einer Seite unter Ausschluss aller anderen Stimmen (Spielfim)?
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Wir leben in einer Welt der Narrative.
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Hans Joachim Friedrichs: “Distanz halten, sich nicht gemein machen mit einer Sache, auch nicht mit einer guten, nicht in öffentliche Betroffenheit versinken...”

Di., 19.10.2021 - 08:07 Permalink
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Sebastian Felderer Di., 19.10.2021 - 08:23

Hätte eigentlich nie geglaubt, dass nach gut fünfzig Jahren diese Geschichte nochmals zur Sprache kommt. Ein Bergfilm-Festival ist aber ein guter Anlass dafür, speziell weil Reinhold Messner seinen Film über den Naga Parbat gedreht hat, um die Geschehnisse von 1970 so darzustellen, wie es ihm in den Kram passte. Und seine junge Frau Diane Schumacher wird sich von Reinhold noch einiges erzählen lassen müssen, bevor sie Gerhard Baur das Mikrophon aus der Hand nimmt. Nicht nur dieser Zeitzeuge kennt die Hintergründe. Die beiden Bücher " Die Überschreitung" von Max von Kienlin, erschienen 2003 im Herbig-Verlag und das Buch von Hans Saler "Zwischen Licht und Schatten", erschienen im A1-Verlag, sprechen ebenfalls eine klare Sprache. Wer diese Bücher gelesen hat, der weiß, dass die Expeditionskameraden von Reinhold Messner aus Solidarität über dreißig Jahre geschwiegen haben. Erst als Reinhold Messner seine Bergkameraden öffentlich wegen unterlassener Hilfeleistung beschuldigte, gingen sie mit ihrem Wissen um die Vorkommnisse am Nanga Parbat an die Öffentlichkeit. Und nun hat dieses Festival am Tegernsee dafür gesorgt, dass die Vergangenheit den Extrembergsteiger Reinhold Messner wieder eingeholt hat. Wenn er Pech hat, dann wird trotz oder gerade wegen der Intervention der jungen Gattin eine lange Geschichte daraus. Denn wer nichts zu verbergen hat, der hat solche Aktionen nicht nötig.

Di., 19.10.2021 - 08:23 Permalink
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Karl Trojer Di., 19.10.2021 - 09:35

Öffentlich Vermutungen zu äußern, dass Reinhold Messner seinen Bruder Günther aus Eitelkeit im Stich gelassen habe und damit für dessen Tod verantwortlich sei, ist meines Erachtens , seitens Dritter, unzulässig, da es einem Rufmord gleichkommt.

Di., 19.10.2021 - 09:35 Permalink
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Sebastian Felderer Di., 19.10.2021 - 22:07

Das müssen die Bayern wissen, lieber Karl. Ich habe kein Wort davon erwähnt. Wenn vor dem Festival vereinbart wurde, dass über dieser Thema nicht gesprochen würde, dann muss sich der Veranstalter daran halten, ohne Intervention von Frau Messner. Es ist vom Abgrund die Rede, der sich zwischen den Expeditionsteilnehmern selbst nach 50 Jahren noch auftut. Schon merkwürdig.

Di., 19.10.2021 - 22:07 Permalink