Der ultrarechte brasilianische Präsident Jair Bolsonaro war auf dem G 20-Gipfel in Rom weitgehend isoliert. Nun lässt er in Italien ein kleines Nachspiel folgen, das für Verlegenheit sorgt.Statt vom römischen Gipfel zum Beginn der Weltklimakonferenz in Glasgow zu reisen, besuchte Bolsonaro am heutigen Montag die 4000-Einwohner-Gemeinde Anguillara Veneta am Ufer der Etsch, wo er zum Ehrenbürger ernannt wurde Aus dem Ort stammen die Vorfahren Bolsonaros, die um 1880 nach Brasilien ausgewandert waren. Die Proteste ließen nicht lange auf sich warten. Das Ortsschild wurde abgefackelt, das Rathaus von Sprayern verunziert. Die Bürgermeisterin der rechten Liste Cambiare si può, die der Lega nahesteht, verteidigte die Entscheidung. Sie richte sich an die Menschen, die er vertrete und nicht an seine Person. Unter Applausen und Protesten nahm der Präsident schliesslich die Urkunde entgegen.
Auch im Regionalrat Venetiens sorgte die Entscheidung für Proteste. Arturo Lorenzoni, Oppositionssprecher im Regionalrat in Venedig, verwies auf Bolsonaros Politik der Virus-Leugnung und Ablehnung der Impfstoffe. Auch Angelo Bonelli, Sprecher der Grünen im EU-Parlament, kritisierte dessen Politik der Umweltzerstörung im Amazonas-Gebiet: " Bolsonaro è il presidente che ha consentito e tollerato l'aggressione ai popoli indios, aprendo alle miniere illegali e autorizzando una deforestazione senza precedenti ed è stato denunciato per crimini contro l' umanità al tribunale internazionale dell'Aia. Brasilien weist mit rund 600.000 Covid-Toten die höchste Opferzahl nach den USA auf.
Auch in Padua sorgte Bolsonaro für Kontroversen. Dort hatte der brasilianische Präsident, einen Besuch in der bekannten Basilica del Santo angekündigt. Für Bürgermeister Sergio Giordani ein sgarbo istituzionale. Die Weigerung Giordanis, den Gast zu begleiten, löst wiederum in der Opposition Proteste aus: "Bolsonaro è un capo di stato e dovere istituzionale sarebbe riceverlo come tale, visto che in altre occasioni si è stati disposti ad omaggiare dei dittatori." Ein massives Polizeiaufgebot verhinderte in der Nähe der Kathedrale unter Einsatz von Wasserwerfern tätliche Auseinandersetzungen.
Nächstes Ziel des brasilianischen Präsidenten ist Pistoia, wo er an der Gedenkstätte für über 400 brasilianische Soldaten einen Kranz niederlegen will, die im zweiten Weltkrieg dort gefallen sind. Bischof Fausto Tardelli hat sich geweigert, dort eine Messe zu lesen. Auch der Bürgermeister hat seine Teilnahme abgesagt. Dafür hat sich bereits ein freiwilliger Begleiter für den Besuch angeboten: Lega-Chef Matteo Salvini. Es ist ein Treffen zweier rechter Politiker, die vor allem eines gemeinsam haben: erhebliche Selbstüberschätzung und Sinn für politisches Showgeschäft. In Pistoia wurden eine Gegenkundgebung und Proteste angekündigt.