Umwelt | Pestizide

„Verbot des Pipimachens“

Der freiheitliche Landtagsabgeordnete und Bauer Andreas Leiter Reber über den grünen Gesetzesantrag für ein Monitoring der Pestizide und seine Bedenken dagegen.
Leiter Reber, Andreas
Foto: Die Freiheitlichen
Salto.bz: Herr Leiter Reber, Sie werden in verschiedenen Chatgruppen an den Pranger gestellt, weil sie im Zweiten Gesetzgebungsausschuss des Landtages für den von den Grünen eingebrachten Gesetzesvorschlag zur Einführung eines Pestizidmonitorings gestimmt haben?
 
Andreas Leiter Reber: Ja, das hat mich auch verblüfft. Denn ich habe lediglich für den Übergang zur Artikeldebatte gestimmt, so wie ich es immer handhabe. Denn ich bin als Freiheitlicher liberal genug, um einem Grünen die Gelegenheit zu geben, seine Vorschläge im Ausschuss ausführlich darzustellen und eventuell noch abzuändern. Auch wenn ich in diesem Fall am Ende nicht zustimmen kann, da die Zielsetzung völlig falsch ist.
 
Die SVP hat den Entwurf aber bereits beim Übergang zur Artikeldebatte versenkt?
 
Erst in der Artikeldebatte findet die konkrete Auseinandersetzung mit den einzelnen Inhalten statt und am Ende wird dann über den ganzen Gesetzesvorschlag abgestimmt. Aber das ist den Leuten – Journalisten inklusive - wohl zu technisch.
 
Sie sagen die Zielsetzung des grünen Gesetzentwurfes ist falsch?
 
Das Monitoring wäre nicht das Problem und wird ja auch bereits gemacht. Die Grünen schreiben aber im Entwurf selbst, dass es der Zweck des Monitorings sei, das Risiko der Rückstände von chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmitteln für die menschliche Gesundheit zu ermitteln. Das ist die völlig falsche Baustelle, denn dieses Risiko wird über ein jahrelanges, komplexes Zulassungsverfahren auf europäischer und nationaler Ebene geregelt und zwar mit den puren Wirkstoffen und ihrer Konzentration auf Lebensmitteln. Allein vom Vorhandensein bzw. Auffinden irgendwelcher Rückstände ein Risiko für die Gesundheit suggerieren zu wollen, ist Grüner-Populismus in Reinkultur. Die Grünen wollen deshalb auch nur ausschließlich chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel monitorieren und nicht Kupfer-, Schwefel- oder Spinosadmittel die auch im ökologischen Landbau zugelassen sind, denn chemisch-synthetisch klingt schön giftig und muss schon deshalb weg.
 
Sie meinen, man soll auch die Biobauern monitorieren?
 
Wenn man dann noch weiß, dass Stafflers erster im Landtag eingebrachter Gesetzesvorschlag ein Verbot sämtlicher chemisch-synthetischer Pflanzenschutzmittel war, weiß man wo die eigentliche Reise hingehen soll. Das wäre so, als ob man über das Monitoring unserer Tiefbrunnen, wo wir mit moderner Technik und trotz bester Trinkwasserqualität immer noch verschwindend kleine Mengen an Waschmittel, Reifenabrieb, Shampoo oder Urin finden können, eine Gefahr für die Gesundheit ableiten wolle, um dann ein Verbot des Pipimachens zu fordern. 
 
 
Allein vom Vorhandensein bzw. Auffinden irgendwelcher Rückstände ein Risiko für die Gesundheit suggerieren zu wollen ist Grüner-Populismus in Reinkultur.
 
Wenn es so ist, wie der Bauernbund immer sagt, dass die eingesetzten Mittel völlig ungefährlich für die Gesundheit sind, dann wird sich das durch die Analysen ja nur bestätigen.
 
Ganz genau, aber es ist nicht der Südtiroler Bauernbund, der die Pflanzenschutzmittel einstuft und zulässt, sondern die EU bzw. der Staat. Und auch hier geht es immer um die Konzentration und nicht um die reine Auffindung. Bei den bereits bestehenden Rückstandsgrenzen auf den Äpfeln müsste man eine knappe Tonne Äpfel am Tag essen, um ein Risiko durch Rückstände auf sich zu nehmen. Geschweige denn, bei den Rückständen in der Luft wie sie die Grünen für die Risikobewertung fordern. 
 
Es ist aber doch so, dass die Bauernlobby alles tut, um sich ja nicht in den Spritzpanzen schauen zu lassen?
 
Das sehe ich als praktizierender Bauer anders, ich verbringe Stunden damit, die Aufzeichnungen und Dokumentation zu den verwendeten Pflanzenschutzmitteln und ihren Dosen zu dokumentieren, zudem werden wir regelmäßig kontrolliert und quergeprüft indem Proben an den Äpfeln und Blättern genommen werden. Trotzdem ist die öffentliche Meinung zum Pflanzenschutz bereits derart aufgeheizt und negativ besetzt, dass man oft schief angeschaut wird, wenn man mit einem Sprühgerät durchs Dorf fährt.
 
 
Man müsste man eine knappe Tonne Äpfel am Tag essen, um ein Risiko durch Rückstände auf sich zu nehmen.
 
Wäre es nicht an der Zeit einen gemeinsamen Tisch zu gründen an dem Bauern und Bürgerinnen und Bürger offen über die Problematik Pestizide in Südtirol diskutieren. Wo man die Bedürfnisse beider Gruppen thematisiert und vielleicht sogar gemeinsam einen Weg für die Zukunft findet?
 
Es ist höchste Zeit dafür. Ich bin überzeugt, dass eine sachliche und ideologiebefreite Diskussion über die Notwendigkeit des Pflanzenschutzes und den erforderlichen professionellen und rücksichtsvollen Umgang uns als Gesellschaft und dem Land Südtirol guttun würde.
 
Bild
Profil für Benutzer Peter Gasser
Peter Gasser Fr., 26.11.2021 - 12:47

Zu einer offenen und ehrlichen Diskussion gehört auch korrektes Bildmaterial:

https://www.salto.bz/de/comment/99302#comment-99302

.
Zudem: jeder Bürger hat die Pflicht, sich selbst zu schützen: ich laufe nicht in ein brennendes Feuer, ich setze mich nicht vor den rauchenden Auspuff eines LKW, ich begebe mich nicht unter eine sich senkende Hebebühne beim Mechaniker, ich trinke nicht kochendes Wasser - und ich laufe nicht in den Sprühnebel eines arbeitenden Bauern.

Fr., 26.11.2021 - 12:47 Permalink
Bild
Profil für Benutzer Peter Gasser
Peter Gasser Sa., 27.11.2021 - 16:05

Antwort auf von Hartmuth Staffler

ah, gut.
Und Sie glauben, die gibt es nur auf den Südtiroler Äpfeln?
Das ist interessant.
Wieviel % der Lebens- und Genußmittel in einem Supermarkt glauben Sie, wurden mit Pflanzenschutzmitteln erzeugt?
90%? 95%?
Getreide? Soja? Pflanzenöle? Gemüse? Sie kaufen nichts, was mit Pflanzenschutzmitteln erzeugt worden ist?
Sie essen Pizza? nein.

Sa., 27.11.2021 - 16:05 Permalink
Bild
Profil für Benutzer Hartmuth Staffler
Hartmuth Staffler So., 28.11.2021 - 21:01

Antwort auf von Peter Gasser

Pestizidrückstände gibt es auch auf anderen industriell erzeugten Äpfeln, nicht nur aus Südtirol, obwohl ich die Äpfel aus anderen Gegenden, z. B. aus Osttirol, üblicherweise besser vertrage. Ich möchte meine Aussage dahingehend korrigieren, dass ich sehr wohl auch Südtiroler Äpfel esse, aber nicht die aus den chemisch behandelten Apfelplantagen, sondern nur unbehandelte Äpfel von Streuobstwiesen. Die gibt es auch in Südtirol.

So., 28.11.2021 - 21:01 Permalink
Bild
Profil für Benutzer Klaus Griesser
Klaus Griesser Sa., 27.11.2021 - 18:16

Ob Rubens zynisches Pipi-Argument oder Gassers "Bürgerselbschutzpflicht" - die Anhänger des Südtiroler Glanz-Apfelexportkults müssen von der Chemie abhängig sein wie der Süchtige von legalen oder illegalen Drogen, sonst müssten sie merken, dass Monokulturen an sich (selbst wenn biologisch!) günstig sind für die Verbreitung von Schädlingen, und die jahrzehntelang ausgebrachten Pestizide und synthetische Dünger die Milliarden von Bioorganismen in den Böden dezimieren. Ein großer Beitrag zur Reduktion der Artenvielfalt mit Auswirkungen bis zu den Fischen und den Vögeln, indem die Böden als chemische Sondermüllkippe verwendet werden! Gleichzeitig ist das ein Eigentor für die Bauern, denn es reduziert auch die natürliche Bodenfruchtbarkeit mit der Folge, dass immer mehr chemisch nachgeholfen werden muss, sehr zur Freude der Agrochemie. Dass die europäische und nationale Gesetzgebung dieser Art von Landwirtschaft immer noch nachgibt, dass der Landwirtschafts- und Zivilschutzrat (sic!) Schuler immer noch diese Gifte als "harmlos!" bezeichnen kann, obwohl schon im Pariser Klimaabkommen davon dringend abgeraten wird - alles das zeugt von der immer noch(!) großen Macht der Agrarlobby. Dagegen wird sich die Zivilgesellschaft inklusive der Bauern noch schützen lernen müssen.

Sa., 27.11.2021 - 18:16 Permalink
Bild
Profil für Benutzer Peter Gasser
Peter Gasser Sa., 27.11.2021 - 19:03

Antwort auf von Klaus Griesser

Dieses polemische, unsachliche, und absichtlich unwahr dargebotene
„Anhänger des Südtiroler Glanz-Apfelexportkults“ ist einer ehrlichen Diskussion abträglich und dient lediglich einer bösen Provokation. Wenn derart „giftige“ Diskussionsmuster benutzt werden, ist es ratsam, die Diskussion zu verlassen.
Vielleicht auch die Absicht des Schreibers.

Sa., 27.11.2021 - 19:03 Permalink
Bild
Profil für Benutzer Peter Gasser
Peter Gasser Sa., 27.11.2021 - 19:06

Antwort auf von Peter Gasser

Nachtrag:
Zitat: „Dagegen wird sich die Zivilgesellschaft inklusive der Bauern noch schützen lernen müssen“:
Die „Zivilgesellschaft“ ist (leider) Träger dieses Zustandes.
Siehe auch das diesbezügliche Referendum in der badisdemokratischen Schweiz.

Sa., 27.11.2021 - 19:06 Permalink