Gesellschaft | Personalmangel oder:

Wo sind all die Lehrer hin?

Ja, wo sind sie geblieben, die Lehrer?
Die Operation Austerität ist gelungen, der Patient tot. Über Ursachen der Personalnot im Bildungsbereich nicht erst seit Corona.
Hinweis: Dieser Artikel ist ein Beitrag der Community und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.

Liebe Landesregierung, liebe Entscheidungsträger*innen des Landes,

man mag zur Impfpflicht für das Lehrpersonal stehen, wie man will. Die von Ihnen antizipierte Personalflucht wegen der anstehenden Impfpflicht stellt freilich nur die Spitze des Problem-Eisbergs dar.

Ein Mangel an Lehrpersonen zeichnet sich, wie das Personal- und das Schulamt sicher zu bestätigen wissen, bereits seit Jahren ab. Diese Herausforderung wird (analog zur Situation im Sanitätsbereich) allein schon durch bevorstehende Pensionierungswellen und die Abwanderung frisch ausgebildeter Lehrpersönlichkeiten ins besserbezahlende Ausland —eine buchstäbliche Fahnenflucht unserer "cervelli"— noch akuter werden. Da helfen auch Ausbildungsangebote an Quereinsteiger*innen nichts. Wer es sich leisten kann, bleibt beruflich mobil und stimmt so mit den eigenen Füßen über die Personalpolitik unseres Landes ab.

Angesichts dieser Aussichten würden sich die Bürger*innen in einer funktionierenden Volkswirtschaft eine vorausschauende Personalpolitik erwarten.

Doch anstatt pädagogische Berufe attraktiver zu machen, verabreicht die regierende Parteienlandschaft der Bildungswelt schon seit vielen Jahren einen tödlichen Cocktail. Ein Beispiel? Seit Jahren beziehen Lehrpersonen der staatlichen Schulen stagnierende Löhne. Über das letzte Jahrzehnt gesehen ergibt sich für diese somit ein realer Kaufkraftverlust im zweistelligen Prozentbereich (siehe AFI- Daten). Warum? Jede Erhöhung des staatlichen Lohnanteils wird postwendend mit den Lohnelementen des Landes gegengerechnet, zu gut Deutsch sofort wieder aus der Lohntüte abgezogen. Zu diesen direkten Lohneinbußen kommt noch eine zunehmend ausufernde Arbeits(be)last(ung)- was eine weitere, indirekte Lohnkürzung bedeutet.

Das alles ist nicht erst seit Corona so. The great resignation ist im doppelten Sinn des Wortes längst in der Bildungswelt angekommen. Am neoliberalen Austeritätshimmel braut sich querbeet durch den sozialen Sektor nämlich längst etwas zusammen, das die Gesellschaft teuer zu stehen kommt und kommen wird: Burnout und lange Krankenstände, innere und tatsächliche Kündigungen der leergeschöpften "Humanressourcen".

Alle möglichen „Krisen“ (Wirtschaftskrise 2008, Corona) waren und sind Ihnen ungeachtet der great resignation als Ausreden recht, das Bedürfnis Ihrer Angestellten in den sozialen Bereichen nach fairer Entlohnung weiter hintanzustellen. Im Übrigen scheint erfahrungsgemäß freilich auch zu Zeiten wirtschaftlicher Erholung kein Geld für Bedienstete dieser Sektoren dazusein, es sei denn, sie gehören dem oberen Management an. Und die Verhandlungstische, an welche die Gewerkschaften alibihalber ab und zu gerufen werden müssen, sind und bleiben ausgesprochen karg —wenn überhaupt— gedeckt.

Nochmals: Angesichts dieser Situation würden sich die Bürger*innen in einer funktionierenden Volkswirtschaft eine ausgeglichene und ausgleichende Personalpolitik erwarten dürfen.

Jetzt aber verzweifelt die Hände medial über dem Kopf zusammenzuschlagen wird das Problem bestimmt nicht lösen. So zu tun, als ob ein kleiner Virus an allem, aber auch wirklich allem schuld sei, übrigens auch nicht. Übernehmen Sie die Verantwortung, die Ihnen die Wähler*innen übertragen haben. Lernen Sie aus Ihren Versäumnissen, ändern Sie endlich Kurs!

Personalnot, wirklich jetzt?

Bezahlen Sie Ihr Personal im sozialen Sektor endlich angemessen. Speisen Sie uns nicht mehr mit finanziellen Brotkrümeln und fadenscheinigem Lob in Ihren Schönwetter- und Notstandsreden ab.

Dann werden wir Ihnen und der Gesellschaft auch als Angestellte erhalten bleiben!