Politik | Urbanistik

Pragser Trauerspiel

Eine mächtige Pusterer SVP-Seilschaft macht vor, wie unverschämt man öffentliche und private Interessen vermischt. Und wie sich eine Gemeindeverwaltung lächerlich macht.
Silentium
Foto: Silentium.it
Die Zusammenhänge und Ereignisse sind so verzwickt, dass einem leicht schwindelig wird.
Deshalb muss man sich in diesem Stück zuerst die Besetzung anschauen.
Es ist eine Art Trauerspiel, das seit zwei Jahren zwischen Gemeindestube, Landesämtern und Verwaltungsgericht dargeboten wird. Aufgeführt von einer ganz besonderen Laiengruppe: Der Pusterer SVP-Bühne
In der Hauptrolle: Friedrich Mittermair. Der 69jährige Welsberger Kaufmann und Unternehmer, der in seinem offziellen Lebenslauf unter Beruf „Rentner“ angibt, tritt dabei gleich in mehreren Rollen auf.
Mittermair ist von 1990 bis 1993 Vizebürgermeister von Welsberg-Taisten und steht dann seiner Heimatgemeinde bis 2010 als Bürgermeister vor. Weil 2010 die Mandatsbeschränkung als Bürgermeister greift, sitzt Mittermair weitere fünf Jahre als Assessor im Gemeindeausschuss von Welsberg Taisten, bis er kurzerhand Gemeindestube wechselt. 2015 wird der SVP-Langzeitpolitiker zum neuen Bürgermeister der Gemeinde Prags gewählt. Bei den Gemeinderatswahlen 2020 wird Mittermair mit einer bulgarischen Mehrheit von 85,6 Prozent der Wählerstimmen für weitere fünf Jahre in diesem Amt bestätigt.
 
 
 
Friedrich Mittermair sitzt seit Jahrzehnten auch im Ausschuss der Bezirksgemeinschaft. Dort ist er aktuell der Ansprechpartner für das Obere Pustertal und unter anderem auch für die Urbanistik zuständig.
In den Nebenrollen finden wir Dominik Oberstaller und Meinhard Durnwalder. Der 30jährige Oberstaller ist Vorsitzender der SVP-Jugend und einer der aufstrebenden Jungfunktionäre, die innerhalb der Volkspartei für Höheres berufen sind. Bei den Gemeinderatswahlen 2020 wird Dominik Oberstaller zum jüngsten SVP-Bürgermeister von Welsberg-Taisten gewählt. Er tritt damit in die Fußstapfen von Friedrich Mittermair.
Meinhard Durnwalder, SVP-Senator und Obmann des SVP-Bezirks Pustertal tritt in diesem Stück nicht als Politiker auf, sondern als Anwalt. Durnwalder vertritt vor dem Verwaltungsgericht Bozen Friedrich Mittermair in einem Verfahren gegen das Land Südtirol. Es geht dabei vordergründig um eine urbanistische Streitfrage. In Wirklichkeit aber ist es ein Schauspiel, das deutlich macht, wie unbekümmert eine Pusterer SVP-Seilschaft öffentliche und private Interessen vermischt.  
Als Komparsen am Schauspiel beteiligt sind die Gemeinderäte von Welsberg-Taisten, in dem sie ihr eigenes Genehmigungsverfahren unverfroren der Lächerlichkeit preisgeben.
 

Das Silentium

 

Friedrich Mittermair ist auch ein weit über die Gemeindegrenzen hinaus bekannter und rühriger Privatunternehmer. Er ist Inhaber mehrerer Geschäfte und Firmen. Vor Jahren hat er ein altes denkmalgeschütztes Bauernhaus in seiner Heimatgemeinde erworben, saniert und zu einem exklusiven Ferienressort umgebaut. Im „Silentium – Dolomites Chalet“ (5 Sonnen) gibt es drei Suiten und zwei Doppelzimmer.

 
Seit längerem will Mittermair das „Silentium“ erweitern. Dabei soll das Nebengebäude, der ehemaliger Stall und Stadel um ein Stockwerk aufgestockt und erweitert werden. Im Projekt vorgesehen ist ein Kubatur Zuwachs von rund 1.600 Kubikmetern. Damit würde sich die Bestandskubatur mehr als verdoppeln.
Es trifft sich gut, dass 2018/19 die Gemeinde Welsberg-Taisten ihren Bauleitplan überarbeitet. Der SVP-Bürgermeister von Prags reicht einen Antrag bei der Gemeindeverwaltung ein, der er fast 25 Jahre lang angehörte. Für die Silentium-Erweiterung soll eine Tourismuszone ausgewiesen werden.
Der Gemeindesausschuss von Welsberg-Taisten beschließt am 6. Februar 2019 mit Beschluss Nr. 45 die Einleitung des Verfahrens zur Überarbeitung des Gemeinde-Bauleitplanes. Der neue überarbeitete Bauleitplan enthält dabei mehrere Dutzende wesentliche Änderungen. Darunter auch die Eintragung einer neue Tourismuszone „Silentium“ mit der Friedrich Mittermair seinen Beherbergungsbetrieb erweitern will.
Damit beginnt eine Verwaltungsposse, die selbst für Südtiroler Verhältnisse einmalig sein dürfte.
 

Gestrichene Tourismuszone

 
Schon bei einer ersten Prüfung des Entwurfes fallen den zuständigen Landesämtern eine ganze Reihe von Fehlern und Schlampigkeiten im Entwurf auf. Nachdem mehrere zuständige Ämter negative Gutachten abgeben unter anderem gegen die neue Tourismuszone Silentium, annulliert der Gemeindeausschuss von Welsberg-Taisten (Beschluss Nr. 276) am 30. Oktober 2019 den eigene Beschluss Nr. 45 zum neuen Bauleitplan. Man beginnt den Genehmigungsprozess für den neuen Bauleitplan von Neuem, wobei man den Großteil der von den Landesämtern beanstandeten Unzulänglichkeiten korrigiert.
Am 24. September 2020 gibt die Kommission für Raum und Landschaft schließlich ein positives Gutachten zum neuen Bauleitplan der Gemeinde Welsberg-Taisten ab. Allerdings mit einigen Einschränkungen.
Eine davon betrifft direkt den Erweiterungsplan von Friedrich Mittermair.
Denn inzwischen ist das neue Urbanistikgesetz in Kraft getreten und das verbietet genau jene Operation, die der Pragser Bürgermeister umsetzen will. Deshalb erklärt die Landesraumordnungskommission die Ausweisung der Tourismuszone für „unverfolgbar“. Mittermairs Tourismuszone wird somit aus dem Bauleitplan gestrichen.
Der Welsberger Gemeinderat genehmigt am 10. Dezember 2020 den neuen Bauleitplan ohne die Tourismuszone „Silentium“, so wie vom Land angeordnet. Am 10. Februar 2021 wird der Welsberger Bauleitplan – immer ohne Mittermairs Tourismuszone – dann von der Landesregierung genehmigt. Wenig später wird der Beschluss im Amtsblatt veröffentlich und ist damit rechtsgültig.
Die zuständigen Landesämter fühlen sich nach diesen schwindelerregenden Kapriolen in der Welsberger Gemeindeverwaltung zurecht an der Nase herumgeführt
Formal ist der Genehmigungsweg damit abgeschlossen.
Nicht aber im SVP-Pustertal.
 

Die Wiederauferstehung

 
2021 tut sich eine neue Front auf. Friedrich Mittermair bestreitet jetzt auch den Gerichtsweg. Sein Anwalt SVP-Senator Meinhard Durnwalder hat beim Bozner Verwaltungsgericht einen Rekurs gegen die Ablehnung der Tourismuszone „Silentium“ eingereicht. Auffallend dabei: Der Rekurs richtet sich allein gegen das Land Südtirol. Dass sich die Gemeinde Welsberg erst gar nicht in das Verfahren eingelassen hat, macht deutlich, dass die Welsberger SVP-Verwalter das Anliegen des Pragser SVP-Bürgermeisters teilen. Vor wenigen Wochen hat das Verwaltungsgericht nach der Erstverhandlung das Verfahren auf Juni 2022 vertagt.
 
 
 
Gleichzeitig feiert die geplante Tourismuszone „Silentium“ fröhlich ihre Wiederauferstehung. Im neuen Welsberger Bürgermeister Dominik Oberstaller hat Friedrich Mittermair anscheinend einen willigen Helfer gefunden. Denn nur so ist erklärbar, was jetzt passiert.
Am 14. Juli 2021 beschließt der Gemeindeausschuss erneut die Bauleitplanänderung und Eintragung der Tourismuszone „Silentium“. Um das aber tun zu können, müssen Oberstaller & Co zuerst den eigenen Ausschussbeschluss annullieren.
Es kommt so zur Annullierung der Annullierung.
Der Gemeindeausschluss beschließt den eigenen Beschluss vom Oktober 2019 – in dem man der Streichung der Tourismuszone Silentium faktisch zugestimmt hat - nach fast zwei Jahren plötzlich wieder aufzuheben. Damit glaubt man das Mittermair-Projekt jetzt durchdrücken zu können.
Es kommt so zur Annullierung der Annullierung.
Der Beschluss des Welsberger Gemeindeausschusses liest sich wie ein Verteidigungsschriftsatz des Mittermair-Anwaltes Meinhard Durnwalder. Das Hauptargument: Laut Gesetz würden Anträge zur Ausweisung für touristische Einrichtungen, die innerhalb 31. August 2019 mit Beschluss des Gemeindeausschusses eingeleitet wurde, noch dem alten Urbanistikgesetz unterliegen.
 
 
Das Problem dabei: Die Gemeinde Welsberg hat im Oktober 2019 selbst das Verfahren zur Bauleitplanänderung annulliert. Damit wurde die Mittermair-Änderung augenscheinlich nach diesem Termin eingereicht. Die Landesämter und die Kommission für Raum und Landschaft haben deshalb zum neuen Beschluss erneut Nein gesagt. Sie schickten der Gemeinde dasselbe negative Gutachten zur Bauleitplanänderung zu, das sie bereits 15 Monate zuvor abgegeben haben. „Nicht verfolgbar“.
Wie sehr die SVP-Seilschaft aber zusammenhält, wird jetzt klar.
Der Gemeinderat von Welsberg hat auf seiner letzten Sitzung am 18. November 2021 trotz der negativen Gutachten einen Beharrungsbeschluss gefasst: Mittermairs Tourismuszone soll ausgewiesen werden.
Die zuständigen Landesämter fühlen sich nach diesen schwindelerregenden Kapriolen in der Welsberger Gemeindeverwaltung zurecht an der Nase herumgeführt. „So etwas habe ich noch nie erlebt“, sagt ein hoher Landesbeamter in der Raumordnung.
Gehört man der richtigen Seilschaft an, so ist anscheinend alles möglich.

 

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Matti Messer Fr., 03.12.2021 - 14:10

Antwort auf von Christoph Fran…

Schon, aber das Chalet ist in Welsberg, involviert sind sein Welsberger Nachfolger und der Welsberger Ausschuss, und er wird seinen Einfluss wohl eher über seine Zeit in Welsberg geltend machen.

Dass die Pragser einen Auswärtigen zum Bürgermeister gemacht haben, ist eine andere Geschichte

Fr., 03.12.2021 - 14:10 Permalink
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alfred frei Fr., 03.12.2021 - 11:27

„Die moralische Frage besteht schon seit einiger Zeit. Aber sie ist mittlerweile die erste und wesentliche politische Frage, denn von ihrer Lösung hängt die Wiedererlangung des Vertrauens in die Institutionen, die effektive Regierungsfähigkeit des Landes und die Stabilität des demokratischen Regimes ab.“ Enrico Berlinguer

Fr., 03.12.2021 - 11:27 Permalink
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S. Bernhard Fr., 03.12.2021 - 11:50

Die sogenannten und viel zitierten (meistens von Exponenten der Vetternpartei) "süditalienischen Verhältnisse" haben sich schon seit langer Zeit gen Norden verschoben.

Fr., 03.12.2021 - 11:50 Permalink
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Walter Tinkhauser Fr., 03.12.2021 - 22:45

Es ist kein Geheimnis, jeder weiß es: in der Politik muss man Hände waschen können, je weiter man hinauf kommt um so schmutziger werden sie, das ist die Realität. Egal welcher Partei man angehört. Un in manche Parteien geht’s halt aber schon ganz schmutzig her.
Kaufen und sich verkaufen, ist nur eine Frage des Preises. Die ganz schlauen wissen wie zu Geld oder mit Geld oder Freunderlwirtschaft zu seinem Recht oder , schon wiederum, zu seinem Geld kommt.
Die Handlanger der politischen Landschaft in Wels..... , aber auch anderweitig, sind ein Beispiel dafür, wie Eigeninteressen politisch möglich gemacht werden.
Das war früher so, ist es heute so und morgen auch so weiter gehen, dafür braucht man kein Hellseher zu sein. Die Frage ist nur welche Hände im Spiel sind und zu welchem Zweck die Spielgemeinschaft aktiv ist.

Fr., 03.12.2021 - 22:45 Permalink
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Thomaser Georg Sa., 04.12.2021 - 07:10

Wenn schon wäre es, wie einige Leser angemerkt haben, ein Welsberger Trauerspiel. In Wirklichkeit ist es ein SALTO TRAUERSPIEL.
Wie so oft wurde sie Sachlage von Herrn Franceschini unzureichend recherchiert und die Gemeindeverwaltung bzw. die Gemeinderäte nicht befragt, wie die Genehmigung des neuen Bauleitplanes abgelaufen ist und warum es zum Beharrungsbeschluss gekommen ist.
Dass Herrn Franceschini leicht schwindelig wird, wundert mich nicht, da der Hauptgrund für den Beharrungsbeschluss im Artikel nicht ausreichend recherchiert hat.
Traurig ist, dass Herr Franceschini (ich wette zu 90%) den Artikel verfasst hat, da fast sicher ein geldgieriger Bürger von Prags an ihn herangetreten ist. (deshalb dieser Titel!)
Traurig ist, dass nicht einmal der Titel des Artikels korrekt ist.
Traurig ist, dass er nicht beachtet hat, dass die Genehmigung des neuen Bauleitplanes sich verzögert hatte und durch das neue Raumordnungsgesetz, die Kommission für Raum und Landschaft sich darauf versteift hat, dieses anzuwenden, obwohl der Prozess zur Erarbeitung des neuen Bauleitplanes geraume Zeit davor (laut dem alten Raumordnungsgesetz) gestartet wurde. Der Gemeinderat fühlte sich nahezu genötigt den Bauleitplan endlich abzustimmen und zu genehmigen, da sich das Verfahren schon zu lang verzögert und auch viel Geld gekostet hatte … Deshalb kam es zur Streichung der Tourismuszone! Welsberg hat im Bereich des Tourismus Aufholbedarf, das vor vielen Jahren genehmigte Tourismuskonzeptes sieht zusätzliche Betten vor, der Betrieb „Silentium“ garantiert qualitativ hochwertigen Tourismus und die Erweiterung seines kleinen Betriebes wäre landschaftlich völlig unbedenklich! Weiters hat Herr Freidrich Mittermair hat das Recht, wie jede Privatperson behandelt zu werden!
Deshalb stehe ich als Gemeinderat, der für den Beharrungsbeschluss gestimmt hat, voll und ganz zu meiner Entscheidung!

Sa., 04.12.2021 - 07:10 Permalink
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rotaderga Sa., 04.12.2021 - 07:53

Antwort auf von Thomaser Georg

Ich beharre auch und stehe nicht zu diesen Entscheidungen.
Gesetze, Normen, Regelungen müssten für die Mehrheit der Bevölkerung verständlich sein und innerhalb eines vernünftigen zeitlichen Rahmens eingegrenzt wirken.
Normalbürger scheitern immer öfter an den finanziellen Belastungen dieser verschachtelten Normen.
Großkopfete und Insider haben fast alle Wege offen.
Die Bürokratur frisst ihre Kinder! ( Das Versagen der bürgernahen Politik)

Sa., 04.12.2021 - 07:53 Permalink
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Profil für Benutzer G. P.
G. P. So., 05.12.2021 - 18:55

Antwort auf von Thomaser Georg

"Weiters hat Herr Freidrich Mittermair hat das Recht, wie jede Privatperson behandelt zu werden!"

Und ich glaube, genau da liegt der Hund begraben. Ich würde nämlich darauf wetten, dass die Gemeinde für eine "normale" Privatperson nicht das ganze Prozedere wie für Herrn Friedrich Mittermair durchgezogen hätte.

So., 05.12.2021 - 18:55 Permalink