Wirtschaft | EU-Förderungen

„Werden Schuler an den Fakten messen“

Wie erlebt man beim Bauernbund die Zitterpartie um die EU-Beiträge für Südtirols Landwirtschaft? „Wir sitzen auf Nadeln“, sagt Direktor Siegfried Rinner.

Er wurde zum D-Day für Südtirols Landwirschaft aber auch für den zuständigen Landesrat Arnold Schuler hochstilisiert: Bis zum 11. Mai müssen die technischen Probleme mit der Übermittlung der Anträge um landwirtschaftliche Betriebsprämien gelöst werden. Sonst verlieren Südtirols Bergbauern rund 100 Millionen an Betriebsprämien aus dem EU-Fördertopf und müssen mit  weiteren Verzögerungen bei Umweltprämien rechnen, warnte vergangene Woche das Wochenmagazin ff.

Ein Musterbeispiel des bürokratischen Wahnsinns, wie auch Bauernbunddirektor Siegfried Rinner meint. Beteiligt daran sind Brüssel, Rom aber auch Bozen selbst, wo derzeit gleich zwei Ressorts, Arnold Schulers Landwirtschaft und Waltraud Deegs Informatik, sowie die Landeszahlstelle fieberhaft an der Lösung  einer eigentlich einfachen Aufgabenstellung arbeiten: die Nutzflächen von Südtirols landwirtschaftlichen Betrieben in ein staatliches System einzuspeisen, auf deren Basis die Beiträge aus dem EU-Landwirtschaftstopf dann innerhalb Ende Juni über die Südtiroler Zahlstelle ausgezahlt werden können. Und müssen. Denn wenn diese Frist nicht eingehalten wird, stehen Beiträge für gut 11.000 Betriebe in Höhe von rund 100 Millionen Euro auf dem Spiel, lautet die Bedrohung.

Luftaufnahme trifft auf Katasterfläche

Im Weg stehen allerdings gleich mehrere Probleme: Allem voran ein noch unter der alten Landesregierung eingeschlagener Südtiroler Sonderweg. In Anlehnung an Österreich und Deutschland beschloss bereits die letzte Regierung Durnwalder die für die Prämien ausschlaggebenden Nutzflächen auf Basis von Luftbildern zu belegen, um die Förderung für die effektiv genutzten Flächen  zu erhalten. Im restlichen Italien greift man dafür dagegen oft davon abweichenden Grundbuch- und Katasterflächen zurück. Obwohl das Südtiroler System laut Bauernbund-Direktor Rinner bereits 2012 von der zuständigen staatlichen Agentur gutgeheißen wurde, müssen die Daten seit dem Start der EU-Förderperiode 2014–2020 dennoch mit den Katasterflächen in das staatliche EDV-System eingegeben werden. Und hier kommt es bei der Überlappung von Luftbildern und Katasterplänen nun zu groben technischen Problemen. Die sich in Folge auch zu einem großen politischen Problem auswachsen können, wie Rinner meint. Nämlich dann, „wenn die Leistungen unserer Bauern nicht entgolten werden, weil es an der bürokratischen Abwicklung scheitert.“

Politisch zum Handkuss kommt dafür einmal mehr Landwirtschaftslandesrat Arnold Schuler. Selbst wenn er einen Großteil der Probleme geerbt hat – „die politische Verantwortung gibt es immer“, sagt Rinner. Vor allem machen nicht nur die Flächenberechnungen, sondern auch das gesamte Eingabesystem zur Übertragung der Daten nach Rom Probleme. „Das hat schon 2015 nicht funktioniert und auch heuer mussten wieder 80 % der Gesuche per Hand gemacht werden“, kritisiert der Bauernbunddirektor. Probleme, die längst angegangen hätten werden müssen. Statt dessen ist man zuletzt mit einem Wechsel der verantwortlichen Softwarefirma vom Regen in die Traufe gekommen.

Können wir wirklich alles besser? 

Dennoch wird sich am heutigen Mittwoch weder das finanzielle Schicksal vieler Südtiroler Landwirte noch das politische von Arnold Schuler entscheiden. Denn der Stichtag 11. Mai war ein verwaltungsinternes Ziel, um die Auszahlung innerhalb Juni zu schaffen. Arnold Schuler spricht am Mittwoch von einer Verlängerung der Frist  bis Ende der Woche. Laut Siegfried Rinner müsste die Auszahlung auch noch gelingen, wenn die technischen Probleme innerhalb der kommenden vier Wochen gelöst werden.

Auf Nadeln sitzt man in der Bozner Kanonikus-Michael-Gamperstraße dennoch. „Im restlichen Italien wurden 60 % der Betriebsprämien bereits ausbezahlt“, sagt der Bauernbund-Direktor. In Südtirol sei dagegen noch nicht einmal klar, wie hoch die Prämien in der neuen Förderperiode ausfallen werden. „Doch wir behaupten ja immer, alles besser zu können“, so Rinner. Den politischen Super-Gau, die millionenschweren Förderungen tatsächlich zu verlieren, will aber auch er gedanklich keinen Raum lassen – und zählt auf Arnold Schulers „Wir schaffen das.“ „Der Landesrat will schließlich, dass man ihn an den Fakten misst – und genau das ist zu tun.“

Selbst wenn Südtirols Landwirtschaft diesmal knapp an der Katastrophe vorbeischrammen sollte, sieht Siegfried Rinner für die Zukunft dennoch schwarz. Er erlebt mit dem Zeitraum 2014 bis 2020 bereits die dritte EU-Förderperiode. „In jeder dieser Perioden ist die Komplexität der Abwicklung noch einmal exponentiell gestiegen“, sagt er. „Wenn es hier nicht gelingt, einen klaren Schnitt zu machen, werden wir kläglich untergehen.“

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Sigmund Kripp Mi., 11.05.2016 - 15:57

Sehr gut, dass dieses Thema endlich die Öffentlichkeit erreicht! Immerhin geht es um EU-Gelder, die schon längst im Topf des Landes angekommen sind! Hier zeigt sich eklatant, dass das Lob der "effizienten Landesverwaltung" nur leeres Geschwätz war! Jahrelang hat auch der Bauernbund seine politischen Vertreter ausschliesslich aus den Reihen der SVP bestimmt, weil die anscheinden soo viel besser sind, als anderen Mitbewerber! Jetzt dürfte hoffentlich auch der SBB erkennen, dass diese politische Inzucht zum Kollaps führt! Die EU-Umweltbeiträge, die dazu beitragen sollen und können, dass Südtirols Landwirtschaft grüner und nachhaltiger wird, sollten als erstes zur Auszahlung kommen, und nicht noch durch interne Schlampereien und Unfähigkeit verloren gehen! Sollte hier etwas wirklich verlustig gehen, dürfte eine Sammelklage wohl nicht lange auf sich warten lassen!

Mi., 11.05.2016 - 15:57 Permalink