Umwelt | Bienenstudie

Summende Warnung

Wie geht es der Biene? Wie sehr leidet sie unter Spritzmitteln? Antworten darauf sollte APISTOX liefern. Die nun vorliegenden Ergebnisse zeichnen ein bedenkliches Bild.
Bienenstock
Foto: Südtirolfoto/Marion Lafogler

Sieben Buchstaben, hinter denen drei Jahre intensive Forschung stecken: APISTOX. Die sieben Lettern stehen für ein Versuchsvorhaben, das am Forschungszentrum Laimburg 2013 gestartet wurde. Auch auf Drängen einiger Imker hin, die bereits in den Vorjahren Bedenkliches beobachtet hatten. Ihre Bienenvölker schienen zu schrumpfen und zu kränkeln – zum Teil massiv waren die Ausfälle, die vor allem in der Zeit um die Apfelblüte auftraten.
Der Verdacht: Das vermehrte Bienensterben hängt mit dem Einsatz von Pflanzenschutzmitteln, die um und vor allem nach der Blütezeit ausgebracht werden, zusammen. APISTOX sollte Gewissheit schaffen.
Zwischen 2013 und 2016 wurden Schadensfälle an Bienenvölkern sowohl in Obstbauanlagen erhoben, in denen ein intensiverer Einsatz von Pestiziden und Insektiziden erwartet wurde, als auch in solchen, wo weniger Pflanzenschutzmittel eingesetzt werden. Ziel des Monitorings: “Aussagen über den Einfluss der in den Versuchsgebieten durchgeführten Pflanzenschutzmaßnahmen im Obstbau auf die untersuchten Bienenvölker” ermöglichen. So heißt es im APISTOX-Vorbericht, der im Oktober 2016 veröffentlicht wurde. Nun sind die endgültigen Ergebnisse da. Und sie sind alles andere als vielversprechend. “Wenn sie heute Nachmittag ehrlich sind, ist es nun amtlich: Den Bienen bei uns geht es wirklich nicht so gut”, heißt es aus Imkerkreisen.

Langer Verdacht gegen Pestizide

Am Montag Nachmittag werden die Resultate des dreijährigen Forschungsprojektes bekannt gegeben. Viel Prominenz wird da sein, wenn Landwirtschaftslandesrat Arnold Schuler vor die Presse tritt: Michael Oberhuber, Direktor des Versuchszentrum Laimburg; Manfred Wolf, Wissenschaftler, der APISTOX mit betreut hat; Georg Kössler, Obmann des Südtiroler Apfelkonsortiums; Harald Weis, Obmann der Arbeitsgruppe für Integrierten Obstanbau; und nicht zuletzt Engelbert Pohl, Obmann des Südtiroler Imkerbundes.

Letzterer hatte bereits Ende 2015 dem Landwirtschaftslandesrat, der Obst- und Weinwirtschaft die Rute ins Fenster gestellt und “weitere Maßnahmen zum Schutz der Bienen” gefordert, nachdem zahlreiche Mitglieder “teils massive Verluste” bei ihren Bienenvölkern beobachtet hatten, wie es in einem Schreiben hieß. Zudem hatte der Imkerbund Entschädigungszahlungen verlangt, falls der zuständige Amtstierarzt feststellen sollte, dass Vergiftungsfälle an Völkern eindeutig von Pflanzenschutzmitteln herrührten. “Ich habe gesagt, dass es so nicht weitergehen kann”, sagte Pohl im November 2015 zu salto.bz, “aber außer gutem Willen, hat es nichts konkret gegeben”. Mit Schönreden und Ausflüchten, wie sie aus der Obstwirtschaft und vonseiten der Politik immer wieder zu hören waren, dürfte es jetzt, gut ein Jahr später, wohl vorbei sein.

Schwünde und Rückstände

Wer den Bericht zum APISTOX-Monitoring bereits gesehen hat, weiß: Bienensterben in großem Stil gibt es sowohl dort, wo intensiv Pflanzenschutzmittel eingesetzt werden als auch dort, wo weniger gespritzt wird. Die Rede ist von Verlusten von bis zu einem Drittel, was tausende Tiere bedeutet. Ein erster Indikator für den drastischen Rückgang ist das Verhältnis Brut–Bienen, das, wie festgestellt wurde, nicht stimmt. Auch wenn, zum Beispiel, anfangs 35.000 Brutzellen vorhanden sind, weist ein Volk trotzdem nur geschätzt 20.000 Bienen auf. “Das bedeutet, dass die Bienen entweder schon beim Schlüpfen zugrunde gehen, erst gar nicht schlüpfen, weil es irgendwelche Defizite gibt oder eben dann jene Bienen, die hinausfliegen, nicht in den Stock zurückkehren”, erklärt ein erfahrener Imker. Ein Problem war bisher, dass viele Imker keine Meldungen über Bienenschäden oder -verluste machten. Zum Teil aus Unerfahrenheit, zum Teil aber auch aus Resignation, weil man sich nicht ernst genommen fühlte.

Neben den stark reduzierten Bienenvölkern hat APISTOX noch etwas weiteres zutage gefördert. Im Rahmen der Erhebung wurden auch Pollen analysiert – mit erschreckendem Ergebnis. “Es wurden viele Spritz-Rückstände gefunden, wobei man nicht weiß, wie sich die auf die Tiere, aber auch auf Konsumenten auswirken können”, berichtet einer, der die Forschungsergebnisse bereits vorab in Erfahrung gebracht hat. Doch dem nicht genug. Denn so sind auch bei sämtlichen Bienenvölkern, die beobachtet wurden, hohe Rückstände von Pflanzenschutzmitteln gefunden worden – auch bei jenen, deren Stöcke eigentlich in weniger intensiv bespritzten Zonen aufgestellt sind. Der Insider weiß: “Zur gleichen Zeit als die zahlenmäßigen Defizite bei den Bienen festgestellt wurden, wurden auch enorm Rückstände gefunden.” Was nahe legt, dass der Zusammenhang zwischen Pflanzenschutzmitteln und Schäden wohl nicht von der Hand gewiesen werden kann. Immer wieder war nämlich versucht worden, andere Gründe für das Bienensterben ins Feld zu führen, etwa Krankheiten oder Parasitenbefall. “Es stimmt schon, dass man Schäden durch Spritzmittel nicht so einfach beweisen kann, weil es viele andere Phänomene gibt, die Bienensterben und -schäden bewirken. Aber deswegen kann man doch auch nicht hergehen und sagen, es ist alles in Ordnung?”, so ein Imker, der gespannt auf die Pressekonferenz am Nachmittag wartet.

An der Zeit

In seinen Kreisen ist klar, was nun geschehen muss: “Es muss in eine andere Richtung gehen, und das rasch.” Gewisse Pflanzenschutzmittel gehörten verboten beziehungsweise durch weniger bedenklichere ersetzt. Außerdem müssten, und darauf beharren die Imker schon lange, Pflanzenschutzmittel von den Bauern konsequent zu einem anderen Zeitpunkt ausgebracht werden: “In den Bienenflug, also in die Blüte, dürfte gar nichts mehr gelangen, beziehungsweise abends oder eben außerhalb des Bienenflugs gespritzt werden.” Die Frage, die sich unter den Imkern gar einige, und speziell jene, die seit Jahren professionell und tagtäglich mit den Bienen zu tun haben, stellen, ist: Was wird jetzt passieren? “Ob die Pressekonferenz am Montag der Vertuschung, Wahrheitsfindung oder Problemlösung dient, kann ich nicht beurteilen”, sagt einer, der sich die Statements von Politik und Obstwirtschaft, aber auch des Imkerbunds, genau anhören will. Doch abgesehen, was nun an Ergebnissen verkündet und an Maßnahmen getroffen wird, schon APISTOX allein ist für die bisher schwache Bienen-Lobby allemal ein Erfolg: “Jetzt steht es Schwarz auf Weiß, was wir seit Jahren erfolglos versucht haben, aufzuzeigen: Der Biene in Südtirol geht es nicht so gut, wie vielfach getan wird.”