Umwelt | Pestizide

Missbraucht München Mals?

“Unser Land vergiftet sich nicht.” Der Landeshauptmann tadelt das Umweltinstitut München wegen seiner Kampagne zur Unterstützung der “Malser Pestizid-Rebellen”.
Arno Kompatscher
Foto: LPA/Horst Wagner

Böse Absichten unterstellt der Landeshauptmann keinem der über 14.000 Menschen, die sich bisher an der Aktion “Unterstützt die Pestizid-Rebellen von Mals” beteiligt haben. Aber antworten will er jedem Einzelnen von ihnen. Denn sie sollen wissen: “Das, was behauptet wird, entspricht nicht der Wahrheit.” Mit den Verantwortlichen der Aktion geht Arno Kompatscher hingegen hart ins Gericht. “Unangemessen, unredlich und unfair” sei die Art und Weise, wie man beim Umweltinstitut München versuche, die Südtiroler Landesregierung schlecht zu reden, wetterte der Landeshauptmann am Dienstag Mittag.

“Es ist sehr schade, dass eine an und für sich wichtige Debatte auf solche unverantwortliche Weise von einem Institut, das sich Umweltinstitut nennt, missbraucht wird.”
(Arno Kompatscher)

Noch am Vormittag hatte sich der Referent für Agrarpolitik am Umweltinstitut, Karl Bär, in einer Aussendung zu Wort gemeldet: “Die Malser sollen spüren, dass sie nicht alleine dastehen, sondern unsere volle Unterstützung haben”, rief er erneut zur Teilnahme an der Kampagne, die seit vergangenem Donnerstag läuft, auf. Denn “endlich ist da jemand, der aktiv gegen den massiven Pestizideinsatz in der Landwirtschaft vorgeht” – während die Landesregierung “mit allen Mitteln” die Umsetzung des von den Malser Bürgern im September 2015 in einem Referendum geforderte Pestizidverbot verhindern wolle. Das steht auch in dem vorgefertigten Brief, der bisher tausende Male an den Landeshauptmann verschickt wurde – gemeinsam mit der Androhung, Südtirol künftig als Urlaubsland zu meiden, sollte die Landesregierung nichts dagegen unternehmen, dass weite Teile des Landes “in Pestiziden versinkt”.

Kritik an Ton und Inhalt

Bereits der Südtiroler Kammerabgeordnete Florian Kronbichler hatte verlauten lassen, dass er sich an dem Tonfall, in dem der Brief an den Landeshauptmann verfasst sei, störe. Unter anderem stellte Kronbichler sich und den “Pestizid-Rebellen von Mals” die Frage: “Wollen wir wirklich dem Beispiel jener Leserbriefschreiber-Sorte folgen, die jeden Kummer mit dem Gastland gleich mit einer Boykott-Androhung verbindet?”

Während sich Kronbichler an der Wortwahl stößt, stört den Landeshauptmann so ziemlich alles an der Aktion des Umweltinstitutes: “Es sind Darstellungen auf der Homepage dieses Institutes zu finden, die mit der Wahrheit nichts zu tun haben. Es wird die Mähr verbreitet von einem kleinen Dorf der Unbeugsamen, das sich gegen die böse Lobby der Landesregierung auflehnt. Die Landesregierung hat in keinster Weise weder die Volksabstimmung verhindert – sonst hätte sie ja nicht stattgefunden – noch sonst irgendetwas verhindert. Es war von Anfang an eine Tatsache, dass eine Gemeinde laut europäischem und staatlichem Recht keine Zuständigkeit in diesem Bereich hat.” Auf den Vorwurf, dass es aber die Landesregierung gewesen sei, die vergangenen April die Kompetenzen der Gemeinden im Bereich Pflanzenschutz auch per Landesgesetz ausdrücklich beschnitten habe, antwortet Kompatscher: “Das stimmt einfach nicht, dafür hätten wir auch gar keine Zuständigkeiten, sondern müssen uns bei unserer Gesetzgebung an staatliche Vorgaben halten.” Das habe er auch stets so kommuniziert. In Richtung Promotoren des Anti-Pestizid-Referendums meint er: “Jetzt hat man das Problem, dass man ein gemachtes Versprechen schlecht umsetzen kann. Daher finde ich es nicht ganz fair, dafür der Landesregierung den Schwarzen Peter zuschieben zu wollen.”

Einer Landesregierung, die im Übrigen ihrerseits “unter Einhaltung der geltenden Regeln eine nachhaltige Lebensmittelpolitik betreibt”. Nicht umsonst stamme jeder zweiter in Europa produzierte Bio-Apfel aus Südtirol, nicht umsonst habe die Landesregierung 9 Millionen Euro zusätzlich für die Förderung der Biolandwirtschaft vorgesehen, und nicht umsonst habe er jüngst – äußerst erfolgreich – eine Initiative für eine nachhaltigere Lebensmittelproduktion im Europäischen Ausschuss der Regionen präsentiert, so der Landeshauptmann. “Ich kenne keine Region in Europa, die so etwas macht.” Und das werde er auch den 14.000 Unterzeichnern der Aktion mitteilen: “Sie werden alle ein entsprechendes Antwortschreiben erhalten, wo wir bestätigen, dass wir genau dafür arbeiten, was sie fordern: einen nachhaltigen Umgang mit der Umwelt und dass aber das, was auf der Homepage des Umweltinstituts behauptet wird, nicht der Wahrheit entspricht.”

“Stellen Sie sich vor, ganz Südtirol wäre pestizidfrei. Das hätte einen gewaltigen Werbeeffekt für den Tourismus. Die Politik der Landesregierung ist dagegen bestens geeignet, Urlauber zu verschrecken.”
(Karl Bär)

Landeshauptmann schreibt zurück

Prompt hat Arno Kompatscher seine Ankündigung in die Tat umgesetzt. Noch am Dienstag ging ein Schreiben an die über 14.000 Unterzeichner des Briefes hinaus. Darin heißt es unter anderem:
“Die Geschichte über eine kleine eingeschworene Gemeinschaft, die sich gegen eine übermächtige Industrielobby und unverantwortliche Politiker auflehnt, klingt zwar spannend und führt wohl auch zu automatischer Solidarisierung, entspricht aber nicht den Tatsachen. Schwarz-Weiß-Malerei bringt uns nicht weiter. So wie die Dinge beim Wunder von Malsdargestellt werden, sind sie nicht.”

Und weiter:
“Unser Land vergiftet sich nicht, das kann ich Ihnen versichern. Vielmehr hat es sich vor geraumer Zeit auf den Weg nachhaltiger Land- und Ernährungswirtschaft begeben und wird diesen weiter beschreiten. Aus meiner Sicht, gibt es jedenfalls keinen Anlass, Südtirol in Zukunft als Urlaubsziel zu meiden.”

Ob sich die Teilnehmer der Kampagne – darunter auch zahlreiche Südtiroler, die die Probleme, Debatten und Bedenken rund um Pestizide, die es immer wieder im Land gibt, zur Genüge kennen – mit diesem schriftlichen Tadel zufrieden geben werden? Wohl kaum. In einigen Wochen wollen die Münchner jedenfalls in Mals aufmarschieren, “um gemeinsam mit den Menschen vor Ort unsere Forderungen öffentlich und am Ort des Geschehens zu präsentieren”.