Wirtschaft | Crowdfunding

Kraut was?

Neue Finanzierungsformen zu etablieren, kostet Zeit und Aufwand. Das zeigt sich auch auf der ersten Südtiroler Crowdfunding Plattform.
Crowdfunding
Foto: Sharing Italia

29 Tage bleiben dem Südtiroler Filmemacher Hubert Schönegger (geosfilm KG) und, dem ehemaligen Ahrntaler Grundschullehrer und Buchautor Hans Rieder noch, um 4467 Euro aufzubringen. 15.000 Euro Budget versuchen sie in einer Kampagne auf Südtirols erster Crowdfunding-Plattform für ihr Filmprojekt „Solange der Hergott will - Lebensgeschichten aus Südtirol“ aufzutreiben, 70 Prozent davon wurden ihnen in den ersten Wochen bereits zugesichert. Von Sponsoren, die zum Beispiel 4000 Euro dafür ausgeben, ihr Produkt im Film zu platzieren – oder als Dankeschön für einen kleinen Beitrag von 25 Euro zur Filmpremiere eingeladen werden. Unabhängig von Betrag und damit verbundener Leistung tragen sie alle dazu bei, ein Filmprojekt zu ermöglichen, mit dem das Leben einer langsam wegsterbenden Generation festgehalten werden soll - um so „wertvolle Zeitzeugnisse und ein Stück Südtiroler Kulturgeschichte festzuhalten“, wie die Filmemacher in ihrer Projektpräsentation beschreiben. In einem Trailer wird dort auch ein Vorgeschmack auf einige Zeitzeugen und die Machart der Dokumentation gegeben, mit der sich Schönegger auf Filmfestivals wie dem Bergfilm Festival Trento-Film-Festival oder der Viennale zu bewerben plant.


Für eine Idee zu begeistern und Finanziers dafür zu finden: Das ist nicht nur Teil des Geschäfts von Filmemachern, sondern generell eine unternehmerische Herausforderung. Als eine der Alternativen zur traditionellen Kapitalbeschaffung hat sich dabei in den Jahren der Bankenkrise immer stärker das Crowdfunding, also die Finanzierung durch eine Menschenmenge etabliert, wie die wörtliche Übersetzung des englischen Begriffs lauten würde. Vor einem Jahr ist in Südtirol der Wirtschaftsverband Handwerk und Dienstleister (lvh) auf den Trend aufgesprungen – mit Crowdfunding Südtirol, einer Webplattform, die nicht nur Handwerksbetrieben, sondern für alle innovative Ideen offen steht. „Gerade infolge der Bankenkrise hatten viele Betriebe Schwierigkeiten neue Ideen umzusetzen,“, begründet lvh-Präsident Gert Lanz die Initiative. Doch nicht nur die Finanzierung, auch die Markteinführung würde Unternehmen immer wieder Probleme  bereiten. Eine Crowdfunding-Plattform könne in diesem Bereich gewissermaßen als Markttest fungieren. „Denn die Kampagne funktioniert wie ein Vorverkauf, bei dem ich eine erste Kundegruppe für das Produkt oder den Prototypen begeistern muss“, so Lanz.

 

80.000 Euro frisches Kapital

 

Zehn Projekte wurden im ersten Jahr auf der Plattform präsentiert – sechs davon wurden mit insgesamt über 80.000 Euro finanziert, zwei sind noch am Laufen und zwei weitere erreichten die selbst gesetzte Hürde dagegen nicht. Die Aktivitäten, für die Geldgeber gefunden wurden, sind bunt gemischt: darunter findet sich genauso ein Inklusionsprojekt im Sozialsektor wie ein EU-zertifizierter Verarbeitungsraum für einen Rittner Züchter von Wagyu-Rindern, ein mobiler Aufsatz zum unkomplizierten Transport von Fahrrädern im Kofferraum wie Hängelampen aus Marmor und anderen Natursteinen. Erreicht ein Produkt oder Projekt dagegen nicht das veranschlagte Budget, erhalten auch all jene, die zur Finanzierung bereit waren, ihr Geld zurück.

Martin Gluderer und seine Südtiroler Filmritter haben die Summe, die sie über Crowdfunding für die Kostüme ihrer Verfilmung von Südtiroler Sagen aufbringen wollen, mit 2500 Euro bewusst nieder gehalten – „weil wir verhindern wollten, dass es ein Reinfall wird“, sagt Gluderer. Neun Tage und 280 Euro fehlen den Ritter-Freunden noch bis zur Deadline. Im Durchschnitt erhielten sie bisher für ihr Projekt Summen in Höhe von 100 bis 120 Euro. „Das Höchste waren 450 Euro“, erzählt Gluderer. „Vieles kam auch aus unserem Bekanntenkreis.“ Denn obwohl der LVH die Promotion und Kommunikation der Projekte tatkräftig – und dank eines EU-Projektes derzeit noch kostenlos – unterstützt, bringe die Kapitalbeschaffung auch über eine solche Plattform noch viel Arbeit mit sich. „In Deutschland geht das nach Erfahrungen von Kollegen schon viel leichter“, meint Gluderer. „Die Südtiroler sind dagegen bei Crowdfunding noch nicht besonders spendabel.“

Auch weil die alternative Finanzierungsform hierzulande noch weitgehend unbekannt war, wie man auch beim lvh erfahren hat. „Wir mussten wirklich Sensiblisierungsarbeit leisten“, sagt Gert Lanz. „Kraut – was?“ – das gängige Missverständnis, wenn es um die Erklärung der alternativen Finanzierungsform geht, war nicht nur einmal zu klären. „Crowdfunding war vielfach absolut unbekannt“, so der lvh-Präsident. „Immer wieder wurde die Idee als utopisch abgetan." Einem international tätigen Filmemacher wie Hubert Schönegger war Crowdfunding dagegen schon lange ein Begriff. Dennoch wagte auch er sich mit seinem aktuellen Projekt nach einem missglückten ersten Anlauf auf einer anderen Plattform – „damals hatten wir viel zu wenig Zeit“,  erst zum zweiten Mal an diese Finanzierungsform heran. Mit ausreichend Vorlaufzeit und einer Plattform, die für dieses Projekt mit ihrer Südtirol-Bezogenheit die richtige Zielgruppe anspricht, ist Schönegger beim zweiten Anlauf weit zuversichtlicher. „Es steckt zwar trotzdem noch sehr viel Arbeit dahinter“, sagt er. „Nur ins Netz stellen allein reicht sicher nicht aus“, sagt er. Doch wer dran bleibe und das Instrument gezielt nutze, könne sicherlich Erfolge sehen. Ob dies auch für sein Filmprojekt gilt, wird spätestens in 29 Tagen feststehen.