Das Fünf-Punkte-Paket
Sie ist ein politischer Dauerbrenner, der in einem Vorwahljahr und vor dem Hintergrund der omnipräsenten Flüchtlingskrise noch ein Stück explosiver wird: Wie viele nicht-deutschsprachige Kinder verträgt der deutschsprachige Kindergarten? Angeheizt von einem offenen Brief der SVP Meran und Dolomiten-Schlagzeilen zu Kindergartengruppen ohne ein einziges Kind deutscher Muttersprache wird diese Frage seit Tagen mit gewohnter Leidenschaftlichkeit diskutiert. Nach einem SVP-parteiinternen Treffen mit Gemeindevertretern aus Bozen, Meran und Leifers am Montag hat die Landesregierung am heutigen Dienstag ein Fünf-Punkte-Programm beschlossen. Ziel der Maßnahme? „Zu gewährleisten, dass die deutsche Sprache auch in Zukunft in deutschsprachigen Kindergärten gefördert werden kann - trotz der teils sehr komplexen und sprachlichen kulturellen Zusammensetzung“, wie es Bildungslandesrat Philipp Achammer formulierte. Dass vor allem in den Städten eine solche Sprachkomplexität in den Kindergärten deutscher Muttersprache zugenommen hat, belegte der Landesrat mit Zahlen. So besuchen in Bozen 42,5 Prozent der Kinder einen deutschsprachigen Kindergarten, in Meran sind es 53,7 und in Leifers 45,5 Prozent. Vor allem in Bozen und Leifers liegt dieser Anteil also deutlich über dem dortigen Sprachgruppenanteil der Bevölkerung.
Bessere Verteilung sprachlich schwacher Kinder
Eine Tatsache, der nicht einfach mit Ausschlussprinzipien beigekommen werden kann, wie Achammer erneut unterstrich. Schließlich sei die Wahlfreiheit im Kindergarten ein verfassungsmäßig geschütztes Recht. Doch mit fünf konkreten Maßnahmen will man nun zumindest politisch versuchen, die Zusammensetzung der Kindergartengruppen ab dem Kindergartenjahr 2018/19 zu beeinflussen. Angefangen bei den Beratungsgesprächen im Rahmen der Einschreibung, bei denen Eltern stärker als bisher darauf hingewiesen werden sollen, wie viel Sprachbegleitung und -förderung für ihr Kind möglich ist. Und zwar vor allem bei Familien, in denen Eltern der deutschen Sprache nicht mächtig sind und Kinder bislang nicht damit konfrontiert wurden, unterstrich Achammer. Deutlicher als je zuvor will die Landesregierung auch Bewusstsein dafür schaffen, dass Sprachkenntnisse und die Begleitung und Förderung beim Erlernen der deutschen Sprache nicht allein an den Kindergarten delegiert werden können, sondern auch durch die Familie selbst gewährleistet werden müssen. Der einschneidenste Punkt zielt auf eine bessere Verteilung von Kindern ohne Deutschkenntnisse auf die einzelnen Kindergartensektionen ab. Je nach Einzugsgebiet gibt es bisher Kindergärten mit einem hohen Anteil an italienischsprachigen bzw. Kindern mit Migrationshintergrund. Deshalb soll bereits bei den Einschreibungen im kommenden Jänner eine Liste aller Kinder ohne Deutschkenntnisse erstellt werden – um diese dann gleichmäßiger auf alle Kindergärten zu verteilen.
Kleinere Gruppen
Zusätzlich wurde mit dem Beschluss der Landesregierung die Möglichkeit geschaffen, in anhaltend anspruchsvollen Situationen mit entsprechender Begründung die maximale Gruppengröße von 25 auf 18 bis 22 zu verkleinern. Dafür wird für das kommende Jahr auch mehr Personal zur Verfügung gestellt, versichert der Landerat. Ein Schritt, um auch im Kindergarten wie bereits in der Schule, noch stärker auf die individuellen Sprachkompetenzen der einzelnen Kinder eingehen zu können und diese bei der Bildung der Stammgruppen stärker zu berücksichtigen, so Philipp Achammer.
Unisono mit Landeshauptmann Arno Kompatscher unterstrich der Bildungslandesrat, dass die starke Nachfrage nach deutschen Kindergartenplätzen kein Zeichen für gemischtsprachige Kindergärten sei. „Im italienischen Kindergarten gibt es ein dreisprachiges Angebot und dennoch gibt es einen eindeutigen Trend hin zum deutschsprachigen Kindergarten mit seinem klar auf eine Sprache ausgerichtetem Angebot“, unterstrich der Landeshauptmann. Ob dieser Run nun zumindest ein wenig eingebremst werden kann, wird laut Achammer auch von der Zusammenarbeit mit den einzelnen Stadtverwaltungen abhängen. Eine Kooperation, die besonders bei der Umverteilung sprachlich schwacher Kinder gefragt sein wird, unterstrich der Landesrat. „Hier wird es sicher zu einzelnen Konflikten und unpopulären Maßnahmen kommen, da Kinder sicher nicht immer einen Platz im nächstgelegenen Kindergarten bekommen“, glaubt er. „Doch wenn wir weiterhin gewährleisten wollen, dass die deutsche Sprache gut gefördert wird, haben wir keine andere Wahl.“