Umwelt | Bienen

Tod im Stock

Auf zahlreichen toten Bienen im Vinschgau sind drei Pestizide nachgewiesen worden, darunter eines mit Neonikotinoiden. “Eine bedenkliche Realität”, warnt Rudi Maurer.
Bienen
Foto: Südtirolfoto/Marion Lafogler

Einen traurigen Fund musste ein Vinschger Imker diesen Sommer machen. Anstatt fleißig Pollen und Nektar zu sammeln, lagen viele seiner Bienen tot in der Gegend herum. Er wandte sich an die Umweltschutzgruppe Vinschgau. Alsbald reifte der Verdacht heran, dass die kleinen Tiere mit Pestiziden belastet sein könnten. Um Gewissheit zu haben, wurden die Bienen an ein spezialisiertes Labor nach Deutschlang geschickt. “Soweit ich weiß, gibt es in Südtirol kein derartiges Labor, das solche Analysen durchführen könnte – zumindest ist mir keines bekannt”, gesteht Rudi Maurer von der Umweltschutzgruppe Vinschgau. “Im Übrigen haben wir mehr Vertrauen in das deutsche Labor, wo wir die Bienen hingeschickt haben.”

Das Verhältnis zwischen Bienenliebhabern und Imkern einerseits und der Obstwirtschaft andererseits ist seit Langem gestört. Immer wieder hatten Imkerbund, aber auch einzelne engagierte Imker auf die Zusammenhänge zwischen dem Einsatz von Pflanzenschutzmitteln und Bienenschäden hingewiesen. Doch die Bienenlobby ist schwach. Ein kleiner Erfolg war dann der Start eines gezielten Monitoring-Programms am Landwirtschaftlichen Versuchszentrum Laimburg, das 2014 auf Druck aus den Reihen der Südtiroler Imker gestartet wurde. Dort war man bereits in den Jahren zuvor auf “Einzelfälle von ‘Bienenvergiftungen’ durch Fehlanwendungen bienengefährlicher Mittel” aufmerksam geworden. Dazu seien “massive Flugbienenverluste sowie schleppende Volksentwicklung” gekommen. Die Ergebnisse des auf drei Jahre angelegten Programms APISTOX wurden im Februar 2017 präsentiert. Ja, es gibt mehr tote Bienen, und zwar zu Zeiten mit vermehrtem Einsatz von bienengefährlichen Pflanzenschutzmitteln in der Obstwirtschaft. So lautet eine der Erkenntnisse. “Der Biene könnte es besser gehen”, nickt Manfred Wolf von der Laimburg. Er ist der Wissenschaftler, der APISTOX mit betreut hat.

Zurück in den Vinschgau. Das Labor in Deutschland hat den Verdacht des Imkers und der Umweltschutzgruppe bestätigt: Auf den toten Bienen “wurden drei verschiedene Wirkstoffe gefunden, darunter zwei Fungizide und ein Insektizid”, berichtet Rudi Maurer. Bei einem der gefundenen Wirkstoffe handle es sich um ein Insektizid aus der Klasse der Neonikotinoide.
Der Wirkstoff ist als bienengefährlich eingestuft, Insektizide, die ihn enthalten, werden auch in Südtirol eingesetzt.

Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) erklärt auf seiner Webseite: “Neonikotinoide gehören zu einer neueren Stoffklasse von Insektiziden. Sie sind außergewöhnlich stark giftig. Neonikotinoide werden in vielen Kulturen wie Obst, Gemüse, Raps oder Zuckerrüben aber auch im Hobbygarten gegen Blattläuse und andere ungeliebte Insekten eingesetzt. Die Neonikotinoide greifen bei Insekten in das zentrale Nervensystem ein. Nicht nur die sogenannten Schädlinge, sondern auch wichtige Insekten wie Honigbienen und Wildbienen werden durch sie getötet oder geschädigt. Neonikotinoide schwächen das Immunsystem von Bienen, stören ihre Orientierung und beeinträchtigen die Fortpflanzung.”

Neonikotinoide stehen weltweit unter großer Kritik. “Allerdings wegen ihres unkontrollierten Einsatzes auf Flächenkulturen wie Getreide oder Mais”, präzisierte Andreas Platzer, Fachberater für Bienenzucht im Imkerbund, auf Nachfrage Anfang Februar. Neonikotinoide sind in den Flächenkulturen mittlerweile EU-weit verboten, in Südtirols Raumkulturen mit ihren Obstbäumen sei aber vielmehr Chlorpyrifos-ethyl das Hauptproblem, so Platzer. Chlorpyrifos-ethyl ist seit heuer südtirolweit verboten. Der Wirkstoff steht unter Verdacht, für massives Bienensterben verantwortlich zu sein. “Trotzdem gibt es die Tendenz, auch Neonikotinoide zu ersetzen”, so Platzer. Das Problem ist laut AGRIOS-Obmann Harald Weis, dass noch kein gleichwertiger, für Bienen weniger bedenklicher Ersatz gefunden worden sei.

Eine Antwort, mit dem man sich in Imker- und Umweltschutzkreisen nicht zufrieden gibt. “Neue Studien belegen die Schädlichkeit dieser Wirkstoffe”, zeigt Rudi Maurer auf. Ebenso sei laut diesen aktuellen Studien eine verstärkte Giftwirkung der Neonikotinoide durch das Zusammentreffen mit Fungiziden möglich. “Experten weisen immer wieder auf das nicht abschätzbare Risiko der so genannten Wechselwirkungen von Pestiziden hin, die sich durch das Zusammentreffen verschiedener Wirkstoffe ergeben”, gibt Maurer zu bedenken. Er weist darauf hin, dass Frankreich Neonikotinoide ab 2018 verboten hat. In Österreich fordern die Grüne dieser Tage das Aus für Neonikotinoide in der Landwirtschaft. Den jüngsten Vorfall im Vinschgau nimmt Rudi Maurer zum Anlass, Gesellschaft, (Land-)Wirtschaft und Politik zum Nachdenken anzuregen: “Zahlreiche tote Bienen sind immer wieder eine bedenkliche Realität und sollten immer Anlass dazu sein, sich ernsthafte Gedanken über unseren Umgang mit der Natur und deren Zustand zu machen.” Für die toten Bienen kommt dieser Appell zu spät.

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Stereo Typ Mo., 18.09.2017 - 10:36

Mir tun die Imker sehr leid, die mit viel Idealismus und Engagement ihrer Arbeit nachgehen. Wie frustrierend muss es sein, immer wieder tote Bienen zusammenzuklauben. Wenn die Natur für eine Auslese sorgt, ist das eine Sache. Wenn aber Chemie mit im Spiel ist, um unseren ach so tollen Apfel zu produzieren, ist das mehr als bitter. Die rückwärtsgewandte Obstwirtschaft muss einfach andere Wege gehen.

Mo., 18.09.2017 - 10:36 Permalink
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gelber enzian Di., 19.09.2017 - 14:37

er setzt es voraus, kann sich etwas anderes vermutlich nicht vorstellen: weil nicht sein kann was nicht sein darf.
mit scheuklappen in den tag, na dann: ... alle hopp!!

Di., 19.09.2017 - 14:37 Permalink