Umwelt | Dolomitenpässe

Kein Sommer wie damals

Das Pilotprojekt #dolomitesvives verschwindet in der Schublade. Die neuen Verkehrs-Pläne für das Sellajoch rufen bei Umweltschützern Kritik und Gegenwehr hervor.
E-Motorräder am Sellajoch
Foto: LPA/Roman Clara

“Wir haben mit #dolomitesvives etwas begonnen, was für die Zukunft wichtig ist – wir haben einen Impuls gegeben, für eine neue nachhaltige Art die Berge zu erfahren und zu erleben.” Anfangs von vielen Seiten skeptisch beäugt, waren die “Green Days” im Sommer 2017 am Ende doch überwiegend als Erfolg gewertet worden – zumindest auf Südtiroler Seite, und auch von Mobilitätslandesrat Florian Mussner. An neun Mittwochen im Juli und August wurde das Sellajoch für den Verkehr gesperrt. Stattdessen gab es Veranstaltungen musikalischer, kulinarischer und kultureller Art. 203.000 Euro ließ man sich das Ganze kosten.
Ein Pilotprojekt, das Hoffnungen auf mehr geweckt hatte, heuer aber offenbar nicht fortgesetzt wird.

Wie der Alto Adige Mitte der Woche berichtet, wollen die Provinzen Bozen und Trient im heurigen Sommer auf eine komplett andere Strategie setzen, um den sommerlichen Verkehr auf dem Sellajoch – knapp 6.000 Fahrzeuge queren den Grödner Pass an einem Spitzentag im August – zu verringern. Keine Sperre, sondern eine Registrierungspflicht für Fahrzeuge. Zwischen 23. Juli und 31. August soll die Pflicht, sich für die Überfahrt des Sellajochs – mittels App oder an entsprechenden Stellen an den Taleingängen von Gröden und dem Fassatal – zu registrieren, gelten. Davon erwarte man sich eine “Reduzierung des Verkehrs um 20 Prozent”, verrät Landesrat Mussner dem Alto Adige.

Schon im Vorjahr war die Forderung nach “tief greifenden Lösungen” aufgekommen – die “Green Days” als “erste Testphase”, der “weitere, wirkungs- und sinnvolle Schritte” folgen müssten, bezeichnet. Im Jänner hatten die Grünen mittels Beschlussantrag im Landtag gefordert, das Projekkt #dolomitesvives auszudehnen. Wofür sie von Umweltlandesrat Richard Theiner eine Absage erhielten: Bereits 2017 sei klar gewesen, dass es sich um ein Pilotprojekt handle, meinte Theiner “und dass es 2018 anders ablaufen wird”. Man wolle “nicht mehr auf Events, sondern auf Sensibilisierung” setzen.

 

Experimentierphase vorbei?

Die nun angebahnte Registrierpflicht sei “ein völlig neuer Ansatz im Verlgeich zu den ‘Green Days’”, stellt man beim Dachverband für Natur- und Umweltschutz fest, “an deren Umsetzung zurecht gezweifelt werden darf”.

“Die im letzten Jahr eingeführten Green Days wurden vor, während und nach der Saison zumindest von den Verantwortlichen hochgelobt”, erinnern Klauspeter Dissinger und Andreas Riedl. “Dennoch hat man sich heuer für eine radikal andere Lösung entschieden.” Für den Vorsitzenden und den Geschäftsführer des Dachverbands bleiben eine ganze Reihe von Fragen offen: “Gibt es einen täglichen (oder stündlichen) Numerus Clausus? Wer ist von der Registrierung ausgenommen? Werden diese ausgenommenen Fahrzeuge dennoch gezählt? Gilt die Registrierung für die Zeitspanne von 9 bis 16 Uhr, oder muss man sich bei hin und retour zwei Mal registrieren? Wer, wie und wo wird kontrolliert? Wie wird sanktioniert? Wie wappnet man sich an den beiden Registrier-Häuschen bei einem größeren Ansturm, oder ist der Kollaps dort schon vorprogrammiert?” Für die Umweltschützer steht fest: Einfache und effektive Maßnahmen, den Verkehr auf den Passstraßen zu beruhigen, gäbe es bereits. Etwa durch Einführung einer zeitweiligen Sperre, wie sie der Dachverband für Natur- und Umweltschutz seit Jahren vorschlägt. “Aber lieber setzt man auf einen aufwändigen und somit kostenintensiven Murks, anstatt griffige Regelungen einzuführen”, schreiben Dissinger und Riedl in einer Stellungnahme.

Beim Dachverband ist man enttäuscht. Zum einen darüber, dass die Registrierungspflicht scheinbar wiederum nur für das Sellajoch gelten wird. “Was ist mit all den anderen Pässen in und außerhalb der Dolomiten, die in schöner Regelmäßigkeit von Blechlawinen überrollt werden?”, fragen sich Dissinger und Riedl.
Zum anderen wird kritisiert, dass es “weiterhin kein Konzept für die Verkehrsberuhgiung auf den Dolomitenpässen” zu geben scheint. “Mit diesen jährlichen Experimenten drückt man sich weiterhin um eine wirkliche Beruhigung des Verkehrs im UNESCO-Welterbe-Gebiet.” Im Dachverband für Natur- und Umweltschutz sei man “von dem jahrelangen politischen Unwillen und/oder Unvermögen, effektive Regelung einzuführen enttäuscht”. “Wir werden uns mit dem Thema der nach wie vor bestehenden Verkehrsproblematik an die nationale Vertretung der UNESCO wenden”, kündigen Dissinger und Riedl an.