Culture | Salto Weekend

"Die Filme reagieren auf das, was ist"

Vom 5. bis zum 10. April geht das Bolzano Film Festival live über die Bühne. Die Festivaldirektorin Helene Christanell macht auf das diesjährige Programm neugierig.
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Foto: Hinterland

Das Bolzano Film Festival geht in die 35. Runde: Vom 5. bis zum 10. April werden Kino- und Festivallocations in und rund um Bozen mit Filmen, Talks und anderen Events bespielt und nach zwei Jahren Pause wieder für Gäste und Publikum geöffnet.

Neben Filmen aus Österreich, Deutschland, Italien und der Schweiz wird in diesem Jahr der Scheinwerfer auf die Filmszene in Kosovo und Albanien gerichtet - eine vielen unbekannte europäische Realität, in der sich, wie Festivaldirektorin Helene Christanell erklärt, in den letzten Jahren eine blühende Filmszene entwickelt hat. 

 

Salto.bz: Die Ausgabe des heurigen Filmfestivals läuft unter dem Motto: Zurück ins Kino. Mit welchen Gefühlen blicken Sie diesem Neustart nach zwei Jahren Pandemie entgegen? 

Helene Christanell: Vor allem mit sehr großer Freude, dass es wieder möglich ist, ein Festival mit Publikum zu organisieren! Die eingeladenen Gäste haben sehr positiv auf den Neustart reagiert, viele von ihnen freuen sich, endlich wieder am Festival teilnehmen zu können, nachdem es 2020 ganz ausgefallen war und 2021 in einer ganz anderen Form abgehalten wurde. Es gibt aber eine gewisse Unsicherheit darüber, wie das Publikum reagieren wird.

 

Die letzten zwei Jahre waren für viele Kinos besonders schwierig. Die Auslastung des Filmclubs hat sich verglichen mit dem Zeitraum vor der Pandemie beispielsweise halbiert! Wie versucht das Filmfestival, die Menschen dazu zu motivieren, ins Kino zu gehen?

Wir hoffen mit der Filmauswahl und auch durch die vielen Gäste, die die Filmvorführungen begleiten werden, das Interesse der Menschen zu wecken. Es wird kurze Filmgespräche in den Kinosälen geben und das Publikum hat darüber hinaus die Möglichkeit, mit Regisseurinnen und Regisseuren, SchauspielerInnen und anderen Gästen zu sprechen. Die Sonderveranstaltungen, wie das Festival eine ist, sind in letzter Zeit eigentlich ganz gut gelaufen. Was schwieriger ist, ist das Tagesgeschäft wieder in Gang zu bringen. Hier ist der Andrang bis auf einige Ausnahmen noch verhalten.

In diesem Jahr sind wieder 74 Filme am Start - und zwar Filme aus Österreich, Deutschland, Italien und der Schweiz. Zudem werden die Scheinwerfer speziell auf Kosovo und Albanien gerichtet. Wie kam es zu dieser Wahl? 

Um das Festival etwas dynamischer zu gestalten, haben wir 2016 entschlossen, den Focus neben den Wettbewerbsländern Österreich, Deutschland, Italien und Schweiz jedes Jahr auf ein anderes europäisches Land zu legen. Über die Jahre hatten wir Filme aus Slowenien, Luxemburg, Litauen und Tschechien. In diesem Jahr fiel die Wahl auf Kosovo und Albanien. Wir haben die beiden Länder zusammengenommen, weil die Sprache dieselbe ist. Auch die kosovarischen Filme werden auf Albanisch gesprochen. Es gibt zwar leichte sprachliche Unterschiede zwischen den beiden Ländern, die Sprache ist aber grundsätzlich dieselbe. 

 

Kosovo ist ein winziges Land mit einer sehr, sehr aktiven Kinematografie.

 

Warum sind speziell diese beiden Länder interessant? 

Besonders in Kosovo hat sich in letzter Zeit eine extrem interessante Filmszene herauskristallisiert, wobei viele Filme von jungen Frauen gedreht wurden. “Hive” von Blerta Basholli ist im Oskar-Rennen beispielsweise sehr weit gekommen! Kosovo ist ein winziges Land mit einer sehr, sehr aktiven Kinematografie. Viele Themen sind dabei noch mit dem Krieg verbunden und arbeiten diese Erfahrungen auf. Zudem hat es uns interessiert, etwas herzubringen, das filmisch vielleicht nicht so bekannt ist. Das ist auch bei den albanischen Filmen der Fall, wobei diese auch aufgrund der großen albanische Community in Bozen sehr interessant sind.

 

Gibt es neben der Aufarbeitung des Balkankrieges noch weitere thematische Schwerpunkte, die durch das Programm des Filmfestivals führen? 

Bei den Wettbewerbsfilmen hat sich tatsächlich ein roter Faden entwickelt. Dadurch, dass wir im Spielfilm- und Dokumentarfilm-Wettbewerb Österreich, Deutschland, Italien und die Schweiz berücksichtigen, suchen wir eigentlich nicht nach einem Thema. Es geht eher darum, zu verstehen, was es in den einzelnen Ländern neues gibt und darauf aufbauend ein ausgewogenes Programm zu entwickeln. Trotzdem kristallisieren sich jedes Jahr spezielle Themen heraus. In diesem Jahr sind es Familienthemen, Muttersein, Beziehungen zwischen Mutter und Sohn. Familienthemen sind sowohl im Dokumentarfilm als auch im Spielfilm sehr präsent. Im Film “Sulla giostra” geht es beispielsweise um eine Familiengeschichte in Süditalien, wobei vor allem die Beziehung der Haushälterin zur Tochter des Hauses im Fokus steht. Ein anderer Film ist “Mein Sohn”, wo die Beziehung zwischen Mutter und Sohn ausgelotet wird oder der Film “Der menschliche Faktor”, in dem es um die Dynamiken geht, durch die eine ganze Familie auseinanderbricht. Auch in den Dokumentarfilmen ist das Thema sehr präsent: In “Eva Maria” geht es beispielsweise um eine junge Frau, die trotz ihrer spastischen Lähmung beschließt, Mutter zu werden.

 

Jedes Jahr kristallisieren sich spezielle Themen heraus.

 

Und all das hat sich zufällig ergeben? 

Man sieht immer wieder, wie Filme und Filmschaffende auf bestimmte Situationen reagieren. Das Thema Familie hat sich in den letzten zwei, drei Jahren sehr gefestigt. Wir haben keine Filme, die ganz konkret auf die Covid-Zeit reagieren, indirekt wurde das Thema Familie aber sicherlich dadurch mit ins Rollen gebracht.

Wie viel Arbeit steckt in so einem Festival? 

Die Arbeit zieht sich beinahe über ein ganzes Jahr hin. Natürlich gibt es Phasen, die ruhiger sind. Wir fangen aber schon im Sommer damit an, die ersten Filme zu sichten. Im Oktober gibt es die ersten Filmeinreichungen. Ab Mitte Jänner arbeitet dann das ganze Team intensiv am Event. Das Festival ist mit dem Ende der Kinoabende auch noch lange nicht vorbei!

 

Worauf freuen Sie sich am meisten bei dieser Ausgabe? Was ist das Highlight für Sie?

Dass wir wieder im Kino sind! Ich freue mich auf die vielen Gäste und Traditionsgäste, die wir haben und auf das wirklich sehr spannende und innovative Programm. Von den Filmen, die wir in den letzten Jahren gezeigt haben, wurde nur ein einziger vorher in Bozen gezeigt! Alle anderen sind neu. Wir werden in diesem Jahr zudem auch das Waaghaus in Bozen mit vielen verschiedenen Veranstaltungen und Gesprächen bespielen.