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Fair-Trade-Charta: Südtirol kreiert mit

Der Bozner Rudi Dalvai hat als Präsident der World-Fair-Trade-Organization (WFTO) maßgeblich zum weltweiten Leitbild des Fairen Handels beigetragen.
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Foto: https://www.fair-trade.website/the-charter-1

Vor genau drei Jahren hat die UN-Generalversammlung die 17 Nachhaltigen Entwicklungsziele verabschiedet. Seit 25. September wird weltweit die einheitliche Charta des Fairen Handels verabschiedet. 

Ein Meilenstein in der Geschichte des fairen Handels ist gesetzt. Weltweit unterschreiben in diesen Tagen hunderte nationale und internationale Organisationen und Netzwerke die neue Charta des fairen Handels. Dieses Leitbild dient in Zukunft als Referenzdokument für die globale Bewegung des Fairen Handels. Die neue Charta des Fairen Handels wurde von World-Fair-Trade-Organization WFTO (www.wfto.com) und Fairtrade International (www.fairtrade.net) erarbeitet. WFTO ist ein globales Netzwerk von Produzentenorganisationen, Importeuren und Einzelhändlern, die sich zur Gänze dem fairen Handel verschrieben haben und die 10 Fair-Handels-Prinzipien (siehe Info am Ende des Textes) in ihrer Lieferkette anwenden. Die WFTO ist in 75 Ländern vertreten. Ihr Präsident ist Rudi Dalvai. Der 60-jährige Bozner ist ein Urgestein des fairen Handels. Seit Jahrzehnten setzt er sich gemeinsam mit einer breiten Fair-Trade-Bewegung in Südtirol, Italien und vielen Teilen der Welt für mehr Gerechtigkeit im weltweiten Handel ein.

Die neue Fair-Trade-Charta inkludiert alle bisherigen Dokumente zu Definition und Handlungsansätzen des Fairen Handels und steht ab sofort als weltweites Leitbild für den Fairen Handel. Das Dokument bezeichnet mit „Fair-Handels-Organisationen“ all jene Organisationen und Netzwerke, deren Kampf gegen Armut und Ungerechtigkeit durch Handel Teil ihres Auftrages ist. Das beinhaltet Produktion, Austausch und Vermarktung von Produkten als Teil von Fair-Handels-Initiativen sowie Informationsarbeit, Bewusstseinsbildung und politische Arbeit für das Konzept des Fairen Handels. Zugrunde liegen der Charta die 10 Fair-Handels-Prinzipien.

Der globale Handel ist in den vergangenen Jahrzehnten spektakulär gewachsen. Das hat in vielen Ländern zu einem erheblichen Wirtschaftswachstum beigetragen. Doch die Gewinne sind nicht gleichmäßig verteilt. Die von globalen Institutionen und großen Konzernen beworbenen Handelsmethoden wurden als Modelle angekündigt, die Armut beseitigen. Doch das Gegenteil ist eingetreten. Der unkontrollierte globalisierte Handel habe ein noch nie dagewesenes Ausmaß an Ungleichgewicht verursacht, unterstreicht Rudi Dalvai: „Die reichsten ein Prozent der Menschen besitzen heute so viel wie der Rest der Welt“, sagt er. Nur acht einzelne Menschen besaßen 2017 so viel wie die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung. 
Eine Handvoll internationaler Unternehmer hat die Macht, die Handelsbedingungen für ihrer Zulieferer zu diktieren, indem sie die Preise häufig unter Produktionskosten-Niveau drückt. Für Kleinproduzentinnen und -produzenten wird es so unmöglich, ihr Auskommen zu verdienen. „Sie sind anfällig für Ausbeutung“, erfährt Rudi Dalvai immer wieder. Viele Menschen verlassen deshalb ihre Orte und Länder und suchen anderswo nach einem menschenwürdigen Leben.

Der Faire Handel setzt einen Kontrapunkt zum globalisierten Handel: Er unterstützt Produktions- und Handelsweisen, bei denen Mensch und Umwelt über dem finanziellen Profit stehen. Der Faire Handel verbindet Produzent*innen und Verbraucher*innen durch hohe Transparenz in den Handelsketten.

Brigitte Gritsch koordiniert in Südtirol die 15 Südtiroler Weltläden: „Beim Fairen Handel geht es nicht um Wohltätigkeit, sondern um eine Partnerschaft für Veränderung durch Handel“, sagt sie. Der Faire Handel helfe den Konsument*innen, verantwortlich zu handeln, indem sie Produkte wählten, die den Menschen am anderen Ende der Lieferkette ein besseres Auskommen ermöglichen. Die Südtiroler Weltläden betrachten inzwischen auch den Handel von lokalen Produkten, die von Kleinproduzent*innen unter fairen Bedingungen hergestellt werden, als Fair-Trade-Produkte.

Durch die Unterstützung für Kunsthandwerker*innen, Bäuer*innen und Arbeiter*innen beim Aufbau demokratischer Strukturen versucht der Faire Handel außerdem, sie zu befähigen, mehr Kontrolle über ihre eigene Zukunft zu bekommen und Fortschritte zu erzielen, die nicht zu Lasten von Mensch und Umwelt gehen. Auf diese Weise trägt der Faire Handel zu vielen der Nachhaltigen Entwicklungsziele (SDGs – Sustainable Development Goals – www.un.org/Depts/german/gv-70/band1/ar70001.pdf) bei. Die neue Charta des Fairen Handels wird in diesen Tagen weltweit vorgestellt und verankert, weil genau vor drei Jahren Sustainable Development Goals verabschiedet wurden.

Am 28. November 2018 findet in Bozen der Tag der Entwicklungszusammenarbeit statt. Er steht im Zeichen fairer Handelspraktiken. Dabei werden internationale Fachleute erwartet. Finanziert wird die Tagung vom Amt für Kabinettsangelegenheiten und in Zusammenarbeit mit verschiedenen Organisationen organisiert. Der Anteil von fair gehandelten Produkten in Bezug auf das Gesamtvolumen des Südtiroler Handels beträgt nicht einmal 1 Prozent.

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Definition des Fairen Handels

Die wichtigsten globalen Netzwerke der Fair-Handels-Bewegung einigten sich 2001 auf folgende Definition. Diese ist nach wie vor aktuell.

Fairer Handel ist eine Handelspartnerschaft, die auf Dialog, Transparenz und Respekt beruht und nach mehr Gerechtigkeit im internationalen Handel strebt. Durch bessere Handelsbedingungen und die Sicherung sozialer Rechte für benachteiligte Produzent*innen und Arbeiter*innen – insbesondere in den Ländern des Südens – leistet der Faire Handel einen Beitrag zu nachhaltiger Entwicklung. Fair-Handels-Organisationen engagieren sich (gemeinsam mit Verbraucher*innen) für die Unterstützung der Produzent*innen, die Bewusstseinsbildung sowie die Kampagnenarbeit zur Veränderung der Regeln und der Praxis des konventionellen Welthandels.

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Die 10 Fair-Handels-Prinzipien

1) Chancen für benachteiligte Produzent*innen

2) Transparenz und Rechenschaftspflicht

3) Faire Handelspraktiken

4) Faire Bezahlung

5) Keine ausbeuterische Kinderarbeit, keine Zwangsarbeit

6) Versammlungsfreiheit; keine Diskriminierung; Geschlechtergerechtigkeit

7) Gute Arbeitsbedingungen

8) Aus- und Weiterbildung

9) Förderung des Fairen Handels

10) Schutz der Umwelt