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Jahrhundertprojekt A22

7,2 Milliarden Euro wollen die A22-Betreiber in den Ausbau und die Modernisierung der Infrastruktur der Brennerautobahn stecken – falls sie die Konzession erhalten.
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Foto: Salto.bz
Ende Mai haben Landeshauptmann Arno Kompatscher, Verkehrslandesrat Daniel Alfreider und die A22-Vertreter die Anrainergemeinden über das ÖPP-Projekt zur A22 informiert. Die Summen, um die es dabei geht, sind gewaltig: 7,2 Milliarden Euro sollen in den Ausbau und die Modernisierung der Infrastruktur entlang der Brennerautobahn investiert werden. „Wir haben die Konzession noch nicht in der Tasche“, stellte der Landeshauptmann gleich zu Beginn klar. Seit die Konzession für die A22 im Jahr 2014 ausgelaufen und immer wieder nur provisorisch verlängert wurde, bemüht sich die Landesregierung um eine definitive Vergabe an die Brennerautobahn AG. Grund dafür ist: Man wollte und will unter allen Umständen eine offene und europaweite Ausschreibung verhindern, wo möglicherweise spanische oder chinesische Anbieter den Zuschlag erhalten, die sich nicht um die Probleme und Anliegen der Anrainer scheren.
 
 
 

Hoffen auf die Konzession

 
Nachdem die Inhouse-Lösung scheiterte, versucht man nun über ein ÖPP-Projekt die Konzession zu erhalten. Die Voraussetzung dafür hatte das Parlament mit der Verabschiedung eines eigenen Gesetzes erst schaffen müssen, erklärte Kompatscher und berichtete, dass das Verkehrsministerium sehr aufgeschlossen für die Vorschläge der A22-Betreiber sei – schlicht und ergreifend deshalb, weil die Verantwortlichen inzwischen selbst verstanden haben, dass die Kapazitätsgrenzen der Brennerautobahn erreicht sind und man nach neuen Wegen suchen muss, um das steigende Verkehrsaufkommen sicher bewältigen zu können. Als Konzessionsgeber schreibt Italien bestimmte Vorgaben wie die Tarifgestaltung oder Infrastrukturen vor, an welche man sich halten müsse. Mitte Mai hat die Brennerautobahn AG das ÖPP-Projekt eingereicht, das zuständige Ministerium hat nun 90 Tage Zeit für die Begutachtung, in welcher auch Nachbesserungen gefordert werden können. Anschließend erfolgt eine Ausschreibung, bei der auch mögliche Alternativen bewertet und das Siegerprojekt bestimmt werden. Schneidet das Siegerprojekt besser als das Projekt der Autobahngesellschaft ab, kann die Brennerautobahn AG ihr Vorzugsrecht geltend machen und die Konzession unter Erfüllung derselben Voraussetzungen wie das Siegerprojekt erhalten.
 

Lebensader und Problem zugleich

 
Die A22 ist nicht nur Verursacher vieler Probleme, sondern auch die Lebensader, die den Südtirolern den wirtschaftlichen Aufschwung ermöglicht hat, betonte der Landeshauptmann und verwies auf eine Tatsache die gern vergessen wird: Hauptanteil des Verkehrs auf der Autobahn ist nämlich Ziel- und Quellverkehr und nicht der vielgescholtene Transit. So kommt die wichtigste Verkehrsader hauptsächlich den Südtirolern selbst zugute. „Wir wollen erstens und vor allem, dass die negativen Auswirkungen für die Bevölkerung minimiert werden“, wies Kompatscher auf die Zielsetzungen hin, zu denen auch ein sicherer und flüssiger Verkehr zählt.
 
Dazu steigt das Verkehrsaufkommen in einem zu hohen Maße!
 
Die dafür notwendige Maßnahmen beginnen bei den Lärmschutzwänden und führen über neue Asphaltbeläge bis hin zu den Schnellladestationen für die E-Mobilität und Digitalisierung mit der Möglichkeit des Parkplatzmanagements, autonomes Fahren und Platooning. In die Überlegungen miteingeschlossen sind die Einführung einer Umweltmaut, bei welcher diejenigen weniger zahlen, die weniger Emissionen verursachen, und – zumindest der technischen – Möglichkeit eines Buchungssystems. In die Verkehrspläne miteinbezogen wird natürlich der BBT, wie Kompatscher erklärte und darauf hinwies, dass man sich nicht der Illussion hingeben dürfe, dass mit dem BBT sämtlicher Schwerverkehr auf die Schiene verbannt werden könnte. „Dazu steigt das Verkehrsaufkommen in einem zu hohen Maße!“
 

„Kann so ein System überhaupt noch funktionieren?“

 
Auf das steigende Verkehrsaufkommen kam auch Hartmann Reichhalter, Präsident der Brennerautobahn AG, zu sprechen. Der Feiertag an Christi Himmelfahrt in einigen deutschen Bundesländern und in Österreich hat für einen neuen Verkehrsrekord gesorgt. Knapp 38.000 Fahrzeuge, die den Brenner Richtung Norden passiert haben, markieren ein sattes Plus von acht Prozent gegenüber dem Vorjahr. Zählt man die Fahrzeuge, die auf der Staatsstraße und den Landstraßen unterwegs waren, hinzu, kommt man auf knapp 50.000 Autos.
 
Man darf sich aber nicht der Illusion hingeben, dass alles eitel Sonnenschein ist.
 
Man könne dieser Herausforderung nur begegnen, indem man Taten setzt, betonte Reichhalter. Angesichts der bürokratischen Hürden in Form von Genehmigungen und Auflagen müsse man sich allerdings die Frage stellen: „Kann so ein System überhaupt noch funktionieren!“ Die Betreiber und Mitarbeiter der Autobahn tun ihr Möglichstes, um die Situation in den Griff zu bekommen – großteils gelingt dies auch. „Man darf sich aber nicht der Illusion hingeben, dass alles eitel Sonnenschein ist“, fand der Präsident deutliche Worte. Nichtsdestrotz wolle man sich mit diesem ehrgeizigen Projekt der Herausforderung stellen und nicht aufgeben.
 
 
 

Massive Investitionen

 
Während der Konzessionsdauer sollen nach und nach 15 aufeinander abgestimmte Ziele in 12 Bereichen umgesetzt werden, um die Mobilität auf der wichtigen Nord-Süd-Verbindung, aber auch in damit verbundenen Bereichen nachhaltig zu gestalten und die A22 als Green Korridor zu etablieren. Direktor Carlo Costa erklärte eine Reihe von Vorhaben, in die Gelder investiert werden sollen, so zum Beispiel Überführungen, Lärmschutzwände, Instandhaltung, Parkplätze, Raststätten oder Bahnprojekte.
Konkrete Beispiele sind die zeitweilige Freigabe der Pannenstreifen auf der A22 im Abschnitt Bozen Süd-Verona Nord (ca. 250 Millionen Euro), die Anpassung der Etschbrücke in Pfatten (ca. 9,5 Millionen Euro), der Bau von Lärmschutzwänden entlang der Brennerautobahn auf den Gemeindegebieten von Sterzing, Brixen, Villnöss, Feldthurns, Ritten und Bozen (knapp 20 Millionen Euro), verbesserte Ein- und Ausfahrten wie der vollständige Ausbau in Brixen Süd (ca. 8,5 Millionen Euro), eine verbesserte Zufahrtsstraße zur Mautstelle Vahrn (ca. 14,5 Millionen Euro), der Bau einer LKW-Kontrollstation und einer neuen Autobahnmeisterei in Sterzing (ca. 15 Millionen Euro), die Umgestaltung des Knotens Bozen Süd für eine bessere Anfahrt zur Mautstelle (über 35 Millionen Euro), neue Raststätten, ein Ausbau der Ladeinfrastruktur für LNG und Wasserstoff sowie die Investition ins Umschlagszentrum Isola della Scala für die Verlagerung des Warentransports auf die Schiene.
 
 
 

„Wir können nicht mehr!“

 
Bei den anschließenden Wortmeldungen war dann natürlich das vergangene Rekordwochenende ein beherrschendes Thema: „Wir können nicht mehr!“, erklärte beispielsweise die Bezirkspräsidentin des Wipptales Monika Reinthaler Trenkwalder und Sterzings Bürgermeister Peter Volgger fügte hinzu: „Die schiere Menge an Fahrzeugen, die sich durch das Eisacktal und das Wipptal – rund 38.000 Fahrzeuge auf der A22 und rund 11.000 auf der Staatsstraße – gezwängt haben, war kaum zu bewältigen und hat die Sicherheit der Bevölkerung gefährdet.“ Es sei ein Wunder gewesen, dass der Verkehrsansturm ohne gröbere Zwischenfälle bewältigt werden konnte. In seiner unnachahmlichen und direkten Art schilderte Costa das Rekord-Wochenende aus seiner Sicht: Das Problem war, dass sich der Großteil der Touristen zur gleichen Zeit auf den Weg Richtung Norden gemacht hatte. Die maximale Kapazität liegt bei rund 3.200 Fahrzeugen pro Stunde, bei 5.000 im gleichen Zeitraum ist sie mehr als überschritten. Gäbe es eine bessere Verteilung, wären die negativen Auswirkungen entsprechend kleiner. Somit liegt es auch in der Verantwortung der Verkehrsteilnehmer, dass die Infrastruktur nicht kollabiert.