Politics | Skandal

Bozner Rassengesetze

Casa Pound hat im Bozner Gemeinderat einen Beschlussantrag eingereicht, um Einwanderern das Radfahren zu verbieten. Der Antrag zeigt wie alltäglich Rassismus längst ist.
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Foto: upi
Der Vorfall ist so skandalös, dass man es geschafft hat, das Ganze bisher diskret vor der Öffentlichkeit zu verbergen. Dabei macht diese Geschichte deutlich, wie weit die politischen Sitten auch in Südtirol inzwischen verfallen sind. Und wie alltäglich der Rassismus in diesem Land bereits geworden ist.
Diese Art von Vorgehen hatten wir zum letzten Mal im 3. Reich unter den Nazis“, sagt Rudi Benedikter, langjähriger Präsident des Bozner Gemeinderates. Eine Aussage, die auf den ersten Blick zwar übertrieben anmuten mag, in Wirklichkeit aber genau das beschreibt, was in der Gemeinde Bozen passiert ist.
 

Der Beschlussantrag

 
Der Skandal beginnt am 5. Dezember 2017. An diesem Tag reichen die Gemeinderäte von Casa Pound Sandro Trigolo, Andrea Bonazza und Maurizio Puglisi Ghizzi beim Sekretariat des Bozner Gemeinderates einen Beschlussantrag mit dem Titel „Straßenverkehrsicherheit – Verbot für Einwanderer auf dem gesamten Gemeindegebiet Rad zu fahren“.
Der Inhalt des Beschlussantrages:
 
„Der Bürgermeister und der Stadtrat werden aufgefordert, auf dem gesamten Gemeindegebiet von Bozen das Verbot für alle Einwanderer einzuführen, mit dem Fahrrad zu fahren, um bei eventuellen Verkehrsunfällen die Stadtbürger und – bürgerinnen zu schützen, die anderenfalls gezwungen wären, auch die Kosten für die Reparatur der eigenen Fahrräder zu übernehmen“.
 
So jedenfalls lautet die offizielle Übersetzung des Beschlussantrages. Denn es passiert in der Gemeinde Bozen etwas, was in einer Kommunalverwaltung eigentlich nicht passieren dürfte. Laut Geschäftsordnung muss das Generalsekretariat vorab alle Anträge auf ihre Rechtmäßigkeit prüfen. Verstößt ein Beschlussantrag gegen bestehende Gesetze, kann er nicht auf die Tagesordnung gesetzt werden.

 
 
Genau das ist beim Beschlussantrag von Casa Pound aber augenscheinlich. Es ist ein klarer Fall von rassistischer Diskriminierung und ein eindeutiger Verstoß gegen das sogenannte Mancino-Gesetz. Doch in der Gemeinde Bozen fällt das anscheinend niemand auf.
Der Beschlussantrag wird unbeanstandet unter der Nummer 136/17 und dem Betreff „Radfahrverbot für Einwanderer“ auf die Tagesordnung des Gemeinderates gesetzt.
 

Die Handbremse

 
Über ein Jahr lang bleibt dieser Beschlussantrag auf der offiziellen Tagesordnung des Gemeinderates. Weil es unzählige Beschlussanträge und Initiativen gibt, ist die Tagesordnung des Bozner Gemeinderates traditionell sehr lang. Im Frühjahr 2019 soll der Casa Pound Antrag dann zur Behandlung kommen.
Dass man im allerletzten Moment doch noch an die Handbremse zieht, liegt nicht etwa an Bürgermeister Renzo Caramaschi, seinem Stellvertreter Christoph Baur oder der Präsidentin des Gemeinderates Judith Kofler Peitner.
Es ist ausgerechnet ein Stadtviertelrat, der seinen normalen Menschenverstand gebraucht und gegen diese skandalöse, rassistische Initiative mobil macht. Rudi Benedikter, der viele Jahre im Bozner Gemeinderat saß und lange dessen Präsident war, sitzt heute für die Bozner Grünen im Stadtviertelrat Bozen-Quirein.
 
 
Benedikter fordert in einem Schreiben vom 26. Februar 2019 an Bürgermeister Renzo Caramaschi und an den Generalsekretär Antonio Travaglia „diesen Beschlussantrag sofort von der Tagesordnung zu streichen und nicht zur Debatte im Gemeinderat zuzulassen“.
Rudi Benedikter in diesem Schreiben: 

"Diese Initiative dreier öffentlicher Amtsträger ist eindeutig rassistisch und damit gesetzeswidrig. Sie verstößt schon mit ihrem Titel ganz offensichtlich gegen das italienische Strafgesetz, die Immigrationsnormen, die Europäische und die UN-Menschenrechtskonvention.“
 
Der grüne Kommunalpolitiker ersucht deshalb den Bürgermeister und den Generalsekretär auch das Dokument der Bozner Staatanwaltschaft weiterzuleiten.
Wäre der Bürgermeister nicht tätig geworden“, sagt Benedikter zu salto.bz, „hätte ich eine Strafanzeige eingebracht“.
Nachdem auch die grüne Gemeinderätin Chiara Rabini gegen den Beschlussantrag energisch protestiert, dürfte man an der Spitze der Stadtgemeinde den Ernst der Lage erkannt haben.
Es folgt eine „politische Lösung“. Am 20. März 2019 erhält Rudi Benedikter ein Schreiben aus dem Sekretariat des Bürgermeisters: „Der im Betreff genannte Beschlussantrag wurde zurückgezogen“.
Der Skandal soll so still und leise beendet werden. Weder der Bürgermeister noch die Präsidentin des Gemeinderates müssen sich exponieren und die drei Casa Pound Gemeinderäte glauben durch den Rückzieher vor einer möglichen Strafverfolgung sicher zu sein.
Augen zu, Ohren zu und Mund zu. Wie die drei Affen.
So macht man den Alltagsrassismus auch in diesem Land hoffähig.