Culture | Gastkommentar

Einen Affront, eine Ohrfeige.

„Brixen Classics“: Ein Lehrstück zum Verhältnis zwischen Wirtschaft und Kultur
Klassische Musik
Foto: upi
Ab Mitte Juni 2021 soll die Konzertserie „Brixen Classics“ starten, mit Programmen aus bekannten Opern an attraktiven Standorten von der Hofburg bis Kloster Neustift in und um Brixen. Lanciert als Initiative der Tourismusgenossenschaft, getragen von der künstlerischen Leitung eines Tenors und einer Sängerin soll das hochklassige Event die Brixner Vorsaison beleben und der Destination eine klassische Marke verpassen. Tenor Piotr Beczala und Sängerin Camilla Nylund, die das Programm gestalten und mit zentralen Gesangsparts bestreiten, gehören, anders als von der Werbung für „Brixen Classics“ suggeriert, zwar gehobenem Leistungsstandard an, aber keinesfalls der A-Liga internationaler Opernstars. Das Brixen Classics Festival Orchestra wird mit weiteren Solisten die Aufführungsserie begleiten.
 
Anders als die Meraner Musikwochen oder andere qualifizierte Klassik-Reihen in Südtirol handelt es sich bei „Brixen Classics“ um einen „Einkauf von der Stange“, der - aufwändig und über fragwürdige Vermittler importiert - dem interessierten Publikum hohe Preise abverlangt.
Obwohl betont wird, dass „Classics“ vor allem von Sponsoren getragen wird, werden auch Landesmittel in erheblichem Ausmaß flüssig gemacht. Nicht über das Kulturressort, wo der Kulturbeirat dem Vernehmen nach abgewinkt hat, sondern über die Wirtschaftsförderung sollen für das Event hohe öffentliche Mittel fließen – angeblich rund 250.000 €, zu denen noch die Förderung der Gemeinde Brixen (50.000 €), Vahrn und Franzensfeste (je 15.000 €) und die Generosität privater Sponsoren kommen, worauf Christoph Franceschini in seiner erhellenden Story verwiesen hat..
 
 
Anders als die Meraner Musikwochen oder andere qualifizierte Klassik-Reihen in Südtirol handelt es sich bei „Brixen Classics“ um einen „Einkauf von der Stange“, der - aufwändig und über fragwürdige Vermittler importiert - dem interessierten Publikum hohe Preise abverlangt.
 
Obwohl die Initiative aus nicht-kulturellen Fördertöpfen der öffentliche Hand mitfinanziert wird, ist es allemal bedauerlich, ja sogar schändlich, dass in einer Phase, in der viele Südtiroler Kulturschaffende am Rand der Existenz entlang schrammen, Mittel in solcher Höhe auswärtigen Veranstaltern zugeschanzt werden. Brixner Kulturträger haben bisher zwar gute Miene zum bösen Spiel gezeigt, der wachsende Unmut ist aber unüberhörbar. .
Zu allem Überfluss sind die Preise des Events für Einheimische, Jugendliche, Musikliebhaber und Musiker, denen wegen fehlender Engagements die Einnahmen weggebrochen sind, so gut wie unerschwinglich. Schließlich ist die für „Brixen Classics“ gebotene Verbindung von Opernarien, Degustationsmenüs und Käseverkostung ein prekärer Mix, da mitunter zwar Liebe, aber gewiss nicht Musik durch den Magen geht.
 
 
Der Fall von „Brixen Classics“ demonstriert, wie der in der Pandemie oft beschworene Schulterschluss zwischen Kultur und Wirtschaft zu Lasten der ersten geht.
„Brixen Classics“ passt kaum zu dem Kulturentwicklungsprogramm, das sich die Gemeinde 2018 gegeben hat und ist für die landesweite Kulturpolitik ein bedenkliches Signal.
Der Fall von „Brixen Classics“ demonstriert, wie der in der Pandemie oft beschworene Schulterschluss zwischen Kultur und Wirtschaft zu Lasten der ersten geht. Aus der Sicht des Tourismus ist Kultur oft leider nur ein Standortfaktor, um eine Destination attraktiv zu gestalten. Örtlich gewachsene, auch qualitativ hochwertige Initiativen haben das Nachsehen gegenüber importierten „Leuchttürmen“, in denen Events, Erlebnisgastronomie und Standardprogramme zum erfolgversprechenden Mix gebündelt werden.
 
 
Dass die Kirche allzu oft Marketing über Moral stellt, ist ohnedies längst klar.
 
Dagegen zählen örtlich gewachsene Initiativen und alternative Kunstformen nur als zweitrangig und werden als Zulieferer touristischen Marketings begriffen. In Brixen, wo ein partizipativ erstelltes Kulturentwicklungsprogramm der Gemeinde 2018 ausdrücklich bestimmte Schwerpunkte gesetzt hat, knallt „Brixen classics“ wie ein Meteor vom Kulturhimmel und setzt das örtlich gewachsene Gefüge unter Druck.
Mittel und Aufmerksamkeit fließen in hohem Maße dem Event zu, das auch die höheren Weihen von Hofburg und Kloster Neustift genießt. Aber dass Kirche allzu oft Marketing über Moral stellt, ist ohnedies längst klar. Und zu allem Überfluss scheinen hier dubiose Geschäftemacher als Vermittler ein ergiebiges Tätigkeitsfeld gefunden zu haben.
 
Kultur wird damit zum Mosaikstein der Destinationsentwicklung degradiert. Eine Initiative wie BC setzt keine neuen Akzente, sondern pflanzt Importe zwischen das örtliche Kulturgefüge. Künstler und kulturell Aktive im Lande sollten weniger flehentlich auf den eigenen Beitrag zur Wertschöpfung verweisen. Stattdessen sollten sie mehr denn je betonen, dass ihre Arbeit dieses Land in vieler Hinsicht erst lebenswert macht. Und nachdrücklich klarstellen, dass ein Event wie „Brixen Classics“ keinerlei Bereicherung für die Kultur darstellt, sondern einen Affront, eine Ohrfeige für die eigene Arbeit.