Meloni, Giorgia
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Politics | Gewinnt Meloni ?

"So come governare questo paese"

In Europa wächst die Besorgnis über den möglichen Wahlsieg von Giorgia Meloni

Je näher der Wahltermin rückt, desto sorgenvoller wirkt der Blick der internationalen Medien auf Italien. Anlass dazu ist der mögliche Wahlsieg der rechten Spitzenkandidatin Giorgia Meloni, deren Fratelli d´Italia in den Umfragen vorne liegen. In der New York Times zeichnet der Historiker David Broder ein bedrohliches Bild der ultrarechten Spitzenkandidatin: "Ms. Meloni, whose party carries the symbol adopted by defeated liutenants of the Mussolini regime and describes itself as "post-fascist", is hardly a mainstream political figure". Das britische Tagblatt The Guardian sieht "dunkle Wolken über Italiens Zukunft": "Could Giorgia Meloni became Italy´s first far-right leader since Mussolini?"

 

First far-right leader since Mussolini

 

Der Berliner Tagesspiegel sorgt sich ernsthaft um Italiens Zukunft: "Eine Frau, die ihre politische Karriere in einer neofaschistischen Jugendorganisation begonnen hat. Und die aktuell eine Partei anführt, in deren Wappen die grün-weiss-rote Flamme prangt, die in der Symbolik der italienischen Rechten für die ewige Flamme auf dem Grab Mussolinis steht". Wenn Meloni in Fernsehdebatten aufgefordert wird, sich vom Faschismus zu distanzieren, windet sie sich: "Es gibt nichts, für das ich mich in meinem Leben entschuldigen müsste." SZ-Korrespondent Oliver Meiler - zweifelsohne einer der kompetentesten Auslandskorrespondenten in Rom, zeichnet in der Süddeutschen Zeitung ein gelungenes Porträt : "Wenn sich Giorgia Meloni öffentlich in Rage redet, was recht oft passiert, im Parlament und bei Wahlveranstaltungen, dann verzerrt sich ihr Gesicht, die tiefe Stimme übersteuert, und in einer reissenden Kaskade brechen Schimpftiraden aus ihr heraus: gegen die "Bürokraten aus Brüssel", gegen die "Masseninvasion von Migranten", gegen die "Islamisierung unserer christlichen Identität". Okay, ich habe meinen Stil und meine Art", sagt sie. Aber wer kann ernsthaft denken. dass ich eine Gefahr für die Demokratie bin"?

 

 

Okay, ich habe meinen Stil und meine Art", sagt sie. Aber wer kann ernsthaft denken, dass ich eine Gefahr für die Demokratie bin"?

Es war der langjährige MSI-Vorsitzende Gianfranco Fini, der die Aktivistin des faschistischen Fronte della gioventù  im römischen Garbatella-Sadtviertel 2008 mit nur 31 Jahren zur jüngsten Ministerin Italiens ernannte und sie aus der Anonymität holte. Das - gesteht er heute - sei ein folgenschwerer Fehler gewesen: "Una grande delusione. Una ragazza che si è montata la testa.

 

In der Schule verspottet

 

Es besteht kein Zweifel daran, dass die mittlerweile 45-jährige Römerin beste Chancen hat, Nachfolgerin von Mario Draghi und damit erste Frau an der Spitze der italienischen Regierung zu werden. Genau 100 Jahre nach Mussolinis Marsch auf Rom 1922 könnte damit eine Person in den römischen Chigi-Palast einziehen, die ihre gesamte politische Laufbahn im Dunst postfaschistischer Parteien absolviert hat. Zweifel lässt die selbstsichere Politikerin nicht aufkommen: "So come governare questo paese." Verwundern kann ihr Aufstieg kaum. Denn im italienischen centrodestra ist das centro nur noch durch Silvio Berlusconi vertreten und längst zur Beilage geschrumpft. Und es ist einmalig in der Europäischen Union, dass ein Parteichef aus dem gemässigten Lager der Mitte eine ultrarechte Kandidatin unterstützt. Gute Beziehungen pflegt Meloni vor allem zu zwei europäischen Parteien: jener des ultrarechten ungarischen Präsidenten Viktor Orban und zur spanischen Franchisten-Formation Vox.

 

 

Seit sie in allen Umfragen führt, versucht Meloni, auffällig moderat zu wirken. In ihrer jüngst erschienenem Biographie Io sono Giorgia stellt sie sich vor allem als dynamische Frau und Mutter dar und legt Wert darauf, aus einer "ganz normalen Familie" zu stammen, schildert das schwierige Verhältnis zum Vater und dass sie als Übergewichtige in der Schule verspottet worden sei. Sie trägt gerne dick auf - sowohl beim Lippenstift als in ihren politischen Parolen und zeigt bei ihren Auftritten gerne ein kleines Transparent, das die Quintessenz ihrer Weltanschauung in drei Begriffen zusammenfasst: dio, patria e famiglia - eine Art Rückkehr ins vorige Jahrhundert.  An ihrem ausgeprägten Nationalbewusstsein lässt sie freilich nie Zweifel aufkommen: sono sempre, ovunque e prima di tutto italiana. Dem entspricht ihre Distanz zur Europäischen Union, der sie weitgehend ablehnend bis spektisch gegenübersteht. Die bevormunde Italien seit Jahrzehnten und verhindere eine eigenständige und unabhängige Politik Roms.  

Die tiefe Abneigung gegen die EU war in in der italienischen Rechten schon immer stark verankert. Italien opfere damit seine Souveränität und setzte sich der Fremdbestimmung aus.

Besonders die Einheitswährung gilt ihr als rotes Tuch: "La bassa crescita è colpa della gestione di una moneta unica pessima" der Bürokraten aus Brüssel. Die "Masseininvasion von Migranten" und die "Islamisierung unserer christlichen Identität" wertet sie als bedrohliche Gefahren für die Halbinsel. In der EU sieht sie einen Angriff auf die "Souveränität Italiens". Das geringe Wachstum Italiens wiederum sei eine Folge der ungeliebten und von Brüssel aufgezwungenen Einheitswährung: "La bassa crescita è colpa della gestione di una moneta unica pessima."

Der Fd'I-Senator Andrea De Bertoldi sieht in Draghis recovery found gar ein "manuale della banalità". Die tiefe Abneigung gegen die EU war in in der italienischen Rechten schon immer stark verankert. Italien opfere damit seine Souveränität und setzte sich der Fremdbestimmung aus. War Draghi für Brüssel ein Garant für Stabilität, so gilt das für Meloni in keiner Weise. Kein Zweifel: mit ihrem Einzug  in den römischen Chigi-Palast wird man in etlichen Hauptstädten Europas Roms Entscheidungen mit grosser Aufmerksamkeit und kritischem Blick verfolgen. Und jede unliebsame Entscheidung könnte sich unmittelbar an den Börsen auswirken.