Vergeudete Energie
Da Erdölfelder auch Gas enthalten, fällt bei der Erdöl-Gewinnung sogenanntes Begleitgas* an (englisch: associated gas), das sehr oft nicht genutzt, sondern abgefackelt/verbrannt wird (englisch: gas flaring). 2019 wurden nahezu 4% der globalen Gasproduktion abgefackelt. Durch das Abfackeln von Gas gelangen jedes Jahr Millionen Tonnen CO2 in die Atmosphäre. Die Verbrennung erfolgt an der Spitze von hohen Fackeltürmen oder auch nahe an der Erdoberfläche. Riesige Feuer, die kilometerweit zu sehen sind, lodern Tag und Nacht, manche schon seit vielen Jahren oder gar Jahrzehnten. Vor allem in abgelegenen, nicht bewohnten Gegenden oder manchmal auch auf Offshore-Förderplattformen ist für die Ölfirmen das Abfackeln von Gas die kostengünstigere Alternative als die Nutzung.
2019 wurden weltweit geschätzte 150 Milliarden Kubikmeter Gas abgefackelt, das entspricht in etwa dem jährlichen Gasverbrauch von Italien und Deutschland zusammen oder macht fast 4% des weltweiten Gasverbrauchs aus. Mit 15% der weltweit abgefackelten Gasmengen steht Russland an erster Stelle, gefolgt vom Iraq, den USA und dem Iran, diese 4 Länder zusammen machen fast 50% der verbrannten Gesamtmenge aus. Über 85 % des weltweit nicht genutzten Erdölbegleitgases wird in nur zwanzig Ländern abgefackelt, insbesondere in den erdölproduzierenden Ländern des Mittleren Ostens, in Afrika, in Russland und in anderen GUS Staaten**. In den vergangenen 10 Jahren ist es auch in den USA als Folge der hohen Schieferölförderung zu einem massiven Anstieg von Gas-Abfackelung gekommen***. Weltweit wurde im Jahr 2019 weltweit 5% mehr Gas abgefackelt als 2018. 2020 wird es voraussichtlich als Folge der durch die Coronakrise verursachten geringeren Erdölnachfrage einen Rückgang beim Gas-"Flaring" geben.
Warum wird das Gas nicht genutzt, welche Möglichkeiten zur Nutzung gibt es?
Wenn es keine Infrastruktur zur Nutzung des Gases gibt, wird das Gas verbrannt und es werden Kohlendioxid (CO2), Schwermetalle, Ruß, Schwefel- und Stickoxide freigesetzt. Im Klartext heißt das, wenn keine Pipelinestruktur oder Gasverflüssigungsanlagen vorhanden sind oder wenn es keine Möglichkeit gibt das Gas in Strom umzuwandeln, ist es für die Erdölförderfirmen die kostengünstigere Alternative das Gas abzufackeln oder einfach in die Atmosphäre abzulassen****, als teure Infrastruktur zu errichten. Es gäbe auch noch die Möglichkeit das Gas wieder in das Öl/Gasfeld zu verpressen (englisch gas re-injection), um so den Druck im Erdölfeld zu verbessern und die weitere Erdölförderung zu erleichtern, aber auch das erfordert kostspielige Investitionen. Zur Erdölförderung braucht es auch Energie, meist wird dazu Dieselkraftstoff verwendet, dieser könnte durch das Gas ersetzt werden. Selbst bei vorhandenen Pipelines, lohnt sich der Verkauf in manchen Fällen nicht, da die Gaspreise in vielen Öl/Gas-Förderländern sehr niedrig sind.
Manchmal wird das Gas gar nicht verbrannt, sondern gelangt unverbrannt in die Atmosphäre. Der Hauptbestandteil vom Gas ist Methan (CH4), ein noch viel schädlicheres Treibhausgas als CO2. Neben Methan enthält das Gas auch andere toxische Substanzen, wie Schwefelverbindungen und Quecksilber. Neben dem negativem Klimaeffekt kommt es auch durch Freisetzung von giftigen Stoffen zu Gesundheitsschäden für die Manschen, welche in der Umgebung der Erdölförderanlagen wohnen.
Gas Flaring im Nigerdelta
Eine besonders dramatische Situation besteht schon seit Jahrzehnten in Nigeria im Nigerdelta, dem erdölreichsten Gebiet des Landes. Dort gibt es in bewohntem Gebiet eine Vielzahl von Erdölförderanlagen und Gas-Abfackelungs-Anlagen. Riesige Feuer schießen aus dem Boden, manche brennen schon seit 40 Jahren und riesige Rauchschwaden verdunkeln den Himmel. Die Gesundheit der dort lebenden Menschen ist durch die Freisetzung von giftigen Substanzen massiv beeinträchtigt . Auch die Felder werden durch die Umweltverschmutzung unbrauchbar gemacht. Das Wasser im Nigerdelta wird zusätzlich zur Verschmutzung durch lecke Erdölleitungen auch durch das Gas-Abfackeln vergiftet und das gesamte Ökosystem wird zerstört.
Im Niger-Delta in Nigeria leben und arbeiten die Menschen in unmittelbarer Nähe der Erdölförder-Anlagen und der Gas-Abfackelungsanlagen.
Obwohl Gas-Flaring offiziell seit 1984 in Nigeria verboten ist, war die Regierung bis jetzt nicht imstande die Umwelt- und Klima-schädlichen Praktiken der Erdölförderfirmen zu unterbinden. Immer wieder hat es Initiativen gegeben das Flaring zu reduzieren, aber bis jetzt gibt es nur mäßige Erfolge. Die Erdölgesellschaften und die Nigerianische Regierung, die in sogenannten Joint Ventures zusammenarbeiten, beschuldigen sich gegenseitig, dass es bis jetzt noch viel zu wenig Infrastruktur gibt, um das Gas zu sammeln und entweder über Pipelines zu den Konsumenten zu liefern oder in Verflüssigungsanlagen zu verarbeiten und dann mit LNG Tankern zu exportieren. In vielen Teilen Nigerias fehlt es an Elektrizität, dort würde Gas dringend gebraucht, aber auch diesbezüglich wurden wenig Fortschritte gemacht. Es ist für die Ölgesellschaften schlichtweg billiger das Begleitgas, das bei der Ölförderung anfällt, zu verbrennen, als die notwendige Infrastruktur zu errichten und das Gas zu nutzen.
Initiativen zur Reduktion des „Flaring“?
Um die Rohstoffverschwendung und die Umweltbelastung durch das Abfackeln zu beenden oder wenigstens stark zu reduzieren, startete die Weltbank 2002 eine Initiative namens “Global Gas Flaring Reduction Initiative” (GGFR). Im Rahmen dieses Programms werden die geschätzten Zahlen der verbrannten Gasmengen in den diversen Ländern publiziert, um so einen gewissen Druck auf die Verursacher auszuüben. Zudem werden Informationen über technische Lösungen angeboten. Erfolge gibt es bis jetzt nur in wenigen Ländern, in manchen Ländern sind die Zahlen sogar angestiegen. Infolge der vermehrten Schieferölförderung durch Fracking hat das Gas-Abfackeln in den USA stark zugenommen. Das Schieferöl besteht vorwiegend aus leichten Erdölsorten***, bei deren Förderung relativ große Mengen von Begleitgas anfallen. Zudem gibt es eine sehr hohe Anzahl von Bohrungen, alles Gründe, die das Sammeln in Pipelines schwierig und kosten-intensiv machen. Deshalb ist es für die Förderfirmen rentabler das Gas zu verbrennen als zu nutzen.
2015 haben sich verschiedene Energiefirmen, Staaten und Institutionen verpflichtet die „Zero Routine Flaring by 2030“ Initiative , die von der Weltbank und von den Vereinten Nationen ins Leben gerufen wurde, zu unterstützen. Dabei geht es darum bis 2030 das Abfackeln von Gas auf Null zu reduzieren.
In den vergangenen Jahren machen Umweltaktivisten, staatliche Behörden und zunehmend auch Investoren immer mehr Druck auf Ölförderfirmen, um die nötigen Investitionen zur Nutzung des Begleitgases zu tätigen und das Umwelt- und Klima-schädliche Abfackeln zu beenden. Bleibt zu hoffen, dass diese Initiativen erfolgreich sind und dazu führen einerseits die Energievergeudung zu beenden und das Umwelt- und Klima-schädliche Abfackeln von Gas zu stoppen.
Fazit
Durch das Abfackeln von Gas gelangen jedes Jahr Millionen Tonnen CO2 in die Atmosphäre. Die diversen Initiativen zur Verringerung des „Gas Flaring“ haben bis jetzt nicht den erhofften Erfolg gebracht. Solange es keine rechtlichen Vorschriften gibt, die zwingend vorschreiben das Begleitgas zu nutzen, und deren Nichtbeachtung zu hohen Strafen führen, werden die Ölförderfirmen weiter Gas verbrennen, anstatt es durch die Errichtung entsprechender Infrastruktur zu nutzen. Das durch die Gasverbrennung frei werdende Kohlendioxid (CO2) wird weiter in die Atmosphäre emittiert werden und zur Steigerung desTreibhauseffektes beitragen.
*In den meisten Ölfeldern ist auch Gas enthalten. Bei der Erdölförderung gelangt das sogenannte Begleitgas auch an die Oberfläche. In vielen Fällen wird dieses Gas verbrannt (=abgefackelt)
** GUS-Staaten = Die Gemeinschaft Unabhängiger Staaten ist ein Staatenbündnis aus Mitgliedsländern, das 1991 aus verschiedenen Nachfolgestaaten der Sowjetunion entstand: Armenien, Aserbeidschan, Weißrussland, Kasachstan, Kirgisistan, Moldawien, Russland, Tadschikistan, Turkmenistan, Ukraine, Usbekistan.
*** Viele Schieferölfelder in den USA inkludieren „leichtes“ Erdöl, welches größere Mengen an Begleitgas beinhaltet. Vor allem in Texas und Nord-Dakota werden bei der Erdölförderung mit der Fracking-Methode große Mengen an Begleitgas verbrannt.
**** Wenn das Gas einfach in die Luft abgelassen wird, gelangt Methan (CH4) in die Atmosphäre, das noch eine viel stärkere Treibhauswirkung hat, als CO2.
Interessanter Beitrag, danke!
Interessanter Beitrag, danke!
„Zero Routine Flaring by 2030“
Wenn man schaut, wohin die Gelder derzeit fließen, nämlich in den Energieträger Wasserstoff und in die damit zusammenhängenden Technologien, dann wird für diese Initiative nicht mehr viel übrig bleiben.
Trotzdem wird sich das Problem langsam lösen, wenn durch Investitionen in alternative Energieträger, immer weniger fossile Brennstoffe verbraucht und somit gefördert werden.
Russland kennt seit
In Russland ist das Problem von Flaringgas-Emissionen seit Jahrzehnten bekannt. Das Land würde gerne das Gas benutzen und ggf verkaufen. Ich war lange im Lande als Berater für Energiefragen tätig und kenne die Problematik aus erster Hand. Europa hätte eine Riesenchance gehabt in dieser und anderen Fragen zu helfen, vor Ort eine aktive Rolle zu spielen, hat dies aber nicht gemacht. Für sämtliche Projekte der Energieeffizienz und der Minderung von Treibhausgasemissionen an denen ich mitgewirkt habe, ein davon mit der möglichen Teilnahme Südtirols, gab es in Russland großes Interesse, im Westen (bzw Südtirol) keines. Dagegen bekam Moskau aus Brüssel jede Menge Anweisungen und Besserwisser-Ratschläge, jedoch keine direkten Beteiligungen und keine Finanzierungen, als das Land sie noch brauchte. Etwa 2010 hat dann Russland den Wunsch einer besseren Beziehung zur EU ganz aufgegeben. Ein enormes Goodwill-Potential wurde somit verschwendet. Was wir Europäer heute über Flariggas denken ist jetzt den Russen, zu Recht, völlig egal.
Die Fragestellung des Artikels könnte umformuliert werden. Sollte Russland Flaringgas über die neue Nord Stream 2 Pipeline nach Europa übertragen wollen, was wäre dann wichtiger? Der Zugang zu einer relativ sauberen Energiequelle oder die geopolitischen Betrachtungen Polens, des Baltikums, der Ukraine sowie der USA gegen die Nutzung von russischem Gas?
Es gibt jedoch eine Chance für die Nutzung vom Flaringgas mit der Bereitstellung der dafür notwendigen Finanzierungen - sobald die Chinesen das einsehen und ins Geschäft einsteigen. Übrigens arbeitet Russland bereits seit langem an Gas-Pipelines Richtung China. Die EU schaut zu - und kritisiert.
In reply to Russland kennt seit by Gianguido Piani
Ob sich Europa zu sehr von
Ob sich Europa zu sehr von Russland abhängig machen soll widerspricht der derzeitigen Entwicklung. Tatsache ist, dass der Seeverkehr sich vom Nordatlantik Richtung Suezkanal, in das Mittelmeer verlagert hat und nach dem Austritt Englands Europa und auch Afrika sich dorthin orientieren sollten. Dazu eine Buchempfehlung: „Afrika Europas Gemeinschaftsaufgabe Nr. 1" mit der Aussage: Für Europa muß der Atlas der Ural sein und Afrika Sibirien“ von Anton Zischka, einem hervorragenden Kenner der Welt in den 1950 Jahren. www.tirol-adria.com C-Ausblicke