Politics | Landwirtschaft

„Wahlkampfthema Wolf“

Der Direktor des Amtes für Jagd und Fischerei, Gigi Spagnolli, über die plötzliche Wolfshysterie in Südtirol und den Frontalangriff der Dolomiten gegen seine Person.
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Foto: upi
Salto.bz: Herr Spagnolli, die Tageszeitung Dolomiten greift Sie heute in einem anonymen Kommentar frontal an, weil Sie nicht in das Bauernbund-Geheul gegen die Wölfe einstimmen?
 
Gigi Spagnolli: Ich verstehe nicht, warum man so etwas schreibt. Es schaut so aus, dass man den Bauern sagen will, dass ich ein „Stadtler“ sei, der sich nie aus Bozen hinausgetraut hat. Dabei wissen alle, dass eine meiner persönlichen Leidenschaften das Bergwandern ist. Tausende von Südtirolern haben mich in den vergangenen Jahrzehnten auf einem Gipfel oder in einer Hütte treffen können.
 
Anlass für den Angriff ist Ihre Aussage: „Wildtiere kennen keine Grenzen, wenn der Wolf aber erst einmal versteht, dass er nicht so einfach an Schafe und Ziegen herankommt, wird er seinen Speiseplan automatisch auf Wildtiere umstellen“. Verständnis für die Wölfe wird in Südtirol nicht geduldet?
 
Zumindest in den Dolomiten schaut es so aus. Auch beim Bauernbund ist es so. Was diese Herren und Damen aber nicht verstehen, ist die Tatsache, dass die europäischen Regelungen uns in Südtirol nicht erlauben zu tun, was wir wollen. Niemand will hier Wölfe ansiedeln. Die Frage ist, was wir tun, wenn die Wölfe, wie in jedem anderen europäischen Land auch zu uns kommen? Wir müssen dafür Spielregeln aufstellen. Denn wir haben keine andere Wahl. Und wir als Amt sind dafür zuständig, dieses Zusammenleben zwischen Wolf und Mensch so umzusetzen, dass möglichst wenige Schäden entstehen. Das ist meine Aufgabe.
 
Sie haben eine Einladung in die Fernseh-Diskussionssendung „Pro & Contra“ der RAI zum Thema Wolf abgelehnt. Warum?
 
Das ist ganz einfach. Wir als Amt sind weder für noch gegen den Wolf. Unsere Aufgabe ist es die Gesetze umzusetzen. Ich werde mich sicher nicht in die Ecke des Wolfsschützers drängen lassen. Sondern ich werde das tun, was ich tun muss.
 

Sie sagen: Südtirol ist hier an europäische Richtlinien gebunden. Der Bauernbund fordert hingegen eine Sonderregelung.
 
Hier braucht es eigentlich nur ein bisschen Hausverstand. Glauben der Bauernbund und der Dolomiten-Kommentator wirklich, dass alle anderen Länder in Europa jubilieren, wenn die Wölfe kommen? Ganz sicher nicht. Überall gibt es Bauern und Tierzüchter. Sie sind sicher nicht froh, wenn Wölfe ihre Tiere bedrohen. Vor diesem Hintergrund ist klar, dass die EU niemals für uns eine Ausnahme machen kann. Denn dann kommen hundert andere Regionen und wollen dieselbe Ausnahmeregelung.
„Wir als Amt sind weder für noch gegen den Wolf. Unsere Aufgabe ist es die Gesetze umzusetzen.“
Sie sind der Meinung, dass es eine Koexistenz zwischen Land- und Viehwirtschaft und den Wölfen geben kann?
 
Die muss es geben. So wie ich mich gut auf den Südtiroler Almen auskenne, so gut kenne ich mich auch in Rom und Brüssel aus. Ich weiß, dass die Sympathie in Rom für unsere Anliegen sehr gering ist. Dort ist man sicher nicht bereit, den Südtirolern einen Gefallen zu tun, weil sie angeblich besser sind als alle anderen. Das wird man weder in Rom noch in Brüssel tun.
 
Das Thema Wolf scheint für manche bereits ein Wahlkampfthema zu sein?
 
Das ist sicher so. Man weiß, dass man heutzutage Wahlen nicht mit Arbeit oder Inhalten gewinnt, sondern mit Emotionen. Das Thema „Wölfe“ weckt ganz automatisch Emotionen.
 
Die Frage wird sein, welche Strategie Ihr Landesrat Arnold Schuler fahren wird?
 
Ich bin der Meinung, dass wir als Land die Maßnahmen setzen müssen, damit die Tierzüchter ihre Arbeit gut machen können, auch wenn die Wölfe in der Nähe sind. Aber dafür müssen die Viehzüchter mit uns gemeinsam marschieren. Wenn man nur gegen die Wölfe schreit, dann erreicht man sicher nichts.
„Ich weiß, dass die Sympathie in Rom für unsere Anliegen sehr gering ist. Dort ist man sicher nicht bereit, den Südtirolern einen Gefallen zu tun, weil sie angeblich besser sind als alle anderen. Das wird man weder in Rom, noch in Brüssel tun.“
Gibt es derzeit überhaupt Wölfe in Südtirol?
 
Wölfe gibt es in Südtirol seit 2010. Wir als Amt haben jeden Wolf beobachtet und lange Erhebungen gemacht. Wir haben mit den Video- und Fotofallen nicht nur Aufnahmen gemacht, sondern auch Haar- und Kotanalysen machen lassen. Wir wissen genau, woher diese Wölfe gekommen sind und wohin sie gewandert sind. Denn die meisten haben Südtirol schon längst wieder verlassen. Derzeit gibt es noch ein Wolfspaar an der Grenze zwischen Südtirol und dem Trentino. Es scheint, dass sie Nachwuchs bekommen. Aber das ist noch zu klären.
 
Gibt es auch Erhebungen über die Schäden, die diese Wölfe in Südtirol angerichtet haben. Etwa durch das Reißen von Schafen?
 
Wir haben in den vergangenen Jahren durchschnittlich jährlich zwischen 15.000 und 25.000 Euro für Schäden am Viehbestand ausgegeben, die von Wölfen verursacht wurden. Zum Vergleich: Die Toskana hat rund 700 Wölfe und man gibt im Jahr mehr als eine Million Euro für die Schäden aus. In Südtirol ist es so, dass weit mehr Tiere von Autos überfahren als von Wölfen gerissen werden.
 
Sie wissen, dass der Bauernbund in diesem Land eine besondere Macht ist. Ein Spitzenbeamter des Landwirtschaftsassessorates, der sich gegen diese mächtige Bauernbund-Lobby stellt, kann auch schnell auf die Nase fallen?
 
Ich war immer an der Seite der Südtiroler Bauern. Ich habe auch in Rom in der Diskussion um den „piano del lupo“ versucht, die besondere Situation der Südtiroler Bauern zu verteidigen. Ich habe das auch teilweise geschafft. Es sind Kompromisse herausgekommen, die uns auch die Möglichkeit geben, mit unserer Tradition der Berglandwirtschaft weiterzumachen. Wenn wir auf einigen Almen in Südtirol Schutzmaßnahmen gegen den Wolf umsetzen müssen, dann ist das ganz sicher nicht eine Tragödie. Das Land wird jedenfalls den Bauern zur Seite stehen.
 
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alfred frei Wed, 02/15/2017 - 09:59

Könnte sich Herr Spagnolli nicht eine ähnliche Sonderregelung, wie im Sinne des Art. 55 quinqiues L.G. 13/19967 (Plan für eine städtebauliche Umstrukturierung) einfallen lassen, natürlich ohne jeden Bezug auf den Überfall der Wölfe und die Änderung ihres Speiseplanes auf die heruntergekommenen Stadtviertel Bozens.

Wed, 02/15/2017 - 09:59 Permalink
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luigi spagnolli Wed, 02/15/2017 - 15:31

Die rechtliche Voraussetzungen sind leider unvergleichbar, aber hätten wir nicht europ. Richtlinien, staatl. Bestimmungen und Landesregelungen, die oft nicht übereinstimmen, dann würde ich gerne eine Sonderregelung für Südtirol auch bezüglich der Wölfe vorschlagen, wobei der Art. 55 quinquies, obwohl in einem total anderen Bereich, eine beispielhafte transparente und effiziente Prozedur vorsah....

Wed, 02/15/2017 - 15:31 Permalink
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martin hilpold Fri, 02/17/2017 - 12:16

Das Karpatenschaf ist ein mutiges und wehrhaftes Schaf, das sich gegen Wölfe wehrt. Herr Spangnolli macht seine Arbeit in Bezug auf Herdenschutz gut. Die Liste der jagdbaren Tierarten, also wenn ich mir die anschaue, dann erinnert mich das an den Speisezettel von Ötzi, da befinden wir uns auf Steinzeitniveau. Was den Herdenschutz angeht, leistet das Land und seine Beamten gute Arbeit.

Fri, 02/17/2017 - 12:16 Permalink