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Es brennt im Revier

Weil man sich zwischen zwei Sektionen im Staatsrat nicht einig ist, kann es bei der Verlängerung des Waffenpasses für viele Jäger zu einem bösen Erwachen kommen.

„Es brennt im Revier“, sagt der Malser Rechtsanwalt Giovanni Egua. Gemeinsam mit seinem Mitarbeiter Ludwig Thoma hat er sich in eine Sache eingearbeitet, die an der Rechtssicherheit rüttelt. Es geht um die Verlängerung des Waffenpasses für die Jäger. In einem internen Memorandum beschreiben die beiden Juristen den Sachverhalt so: „Mehr als ein normaler Bürger hat sich der Inhaber eines Waffenpasses an die gesetzlichen Regelungen der öffentlichen Sicherheit zu halten. Diese stammen aus dem Jahr 1931. Legt man diesen Gesetzesartikel wörtlich aus, dürfen wegen bestimmter Delikte vorbestrafte Personen nie mehr eine Waffe tragen. Nun ist es aber so, dass Gesetze immer im Einklang mit der Verfassung sein müssen. Diese wiederum besagt, dass „Strafen die Umerziehung des Verurteilten anstreben sollen“. Deswegen kann ein Verurteilter unter bestimmten Voraussetzungen die Weidereinsetzung in die früheren Rechte (riabilitazione) beantragen, wodurch er wieder zu einem unbescholtenen Bürger wird. Viele Jäger und Anwärter, die von 20 oder gar 30 Jahren in Konflikt mit der Justiz geraten sind, haben die Wiedereinsetzung der früheren Rechte erlangt, und in Folge den Waffenpass bekommen. In letzter Zeit aber häufen sich die Nachrichten, dass Waffenpässe nicht erteilt oder nicht verlängert werden, was im übrigen Jäger in ganz Italien betrifft. Es kommt zu paradoxen Situationen, die Personen betreffen, die vielleicht wegen einer „Jugendsünde“ verurteilt wurden, dann die Wiedereinsetzung (riabilitazione) beantragt und bekommen aheben, die Jägerprüfung abgelegt, den Waffenschein erhalten haben und dann jahrelang ihrer leidenschaftlichen Tätigkeit nachgegangen sind, ohne anderweitig aufzufallen. Solche Personen sehen sich nun mit einer unerklärlichen Nichtverlängerung des Waffenpasses konfrontiert. Die Gründe dafür sind folgende:

Die Ausstellung des Waffenpasses ist ein Verwaltungsakt, der von der Quästur durchgeführt wird. Grundsätzlich können Verwaltungsakte angefochten werden. Die letzte Instanz dafür ist der Staatsrat in Rom. In den letzten Jahren haben sich im Staatsrat zwei Interpretationslinien zur Ausstellung und auch zur Verlängerung des Waffenpasses herauskristallisiert. Einerseits wurden die Gesetze aus dem Jahr 1931 wörtlich ausgelegt und bei bestimmten Vorstrafen der Waffenpass nicht gewährt und nicht verlängert. Und zwar ungeachtet der Wiedereinsetzung der früheren Rechte und ungeachtet davon, dass die Straftat oft Jahrzehnte zurückliegt und der Bürger seither nicht mehr straffällig geworden ist. Andererseits wurde verfassungsmäßig argumentiert, eine frühere Verurteilung könne nicht automatisch zu einer Absage führen. Vielmehr sei das Verhalten der Personen nach der Straftat ausschlaggebend und seitens der Quästur eine Abwägung der Interessen vorzunehmen.

Die Quästuren, verunsichert durch die unterschiedlichen Interpretationen, unterstehen dem Innenministerium. Und das Innenministerium hat vom Staatsrat ein Gutachten angefordert. In diesem Gutachten kam der Staatsrat vor gut einem Jahr zum Schluss, dass die wörtliche Auslegung der Gesetze von 1931 die einzig richtige sei. Mittels Rundschreiben vom November 2014 sind die Quästuren angehalten worden, diese Auslegung anzuwenden.

Während sich die Quästuren  an dieses Gutachten halten, hat der Staatsrat in jüngsten Entscheidungen wieder die andere Interpretationslinie angewandt. Das heißt, dass der Waffenpass bei bestimmten Straftaten eben nicht automatisch abgelehnt werden kann. Daher ist damit zu rechnen, dass in Zukunft vermehrt Rekurse eingereicht werden.

Der Waffenpass ist alle 6 Jahre zu erneuern. Die Juristen schätzen, dass in Südtirol gar einigen Jägern der Waffenpass nicht verlängert werden könnte. Nicht nur im Obervinschgau war es vor einigen Jahrzehnten nicht nur in Jägerskreisen nahezu Volkssport, durch Wilderei oder „Widerstand gegen die Staatsgewalt“ zu provozieren. Was natürlich zu Vorstrafen geführt hat. Teure Wiedereinsetzungsanträge der früheren Rechte waren die Folge. Und nun sollen diese „Jugendsünden“ zu einer Nichtverlängerung des Waffenpasses führen können? Die absurde Situation: Frühere Straftäter sind seit Jahren in Besitz des Waffenpasses, ausgestellt von den Quästuren. Wird die Situation durch die Nichtverlängerung des Waffenpasses dann die sein, dass die Wilderei regelrecht gefördert wird? Dann brennt’s im Revier tatsächlich.

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