Culture | Salto Afternoon

Farblos, beklemmend und immer besoffen

Zwei Leuchtturmwärter, irgendwo vor der Küste, abgeschieden von der Außenwelt. Wie Robert Eggers in seinem The Lighthouse (2019) den Quarantäne-Wahnsinn prophezeite. 
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Foto: The Lighthouse

Der Lockdown wird verlängert, schon wieder. Bis nach Ostern, voraussichtlich. Für viele bekommt die Pandemie spätestens jetzt etwas Skurriles, Albtraumhaftes. Nur schade, dass man aus dieser Spirale aus Hiobsbotschaften nicht plötzlich aufwachen kann. Wie fängt man das Lebensgefühl in so einer Zeit am besten ein? Klar, mit einem Horrorfilm. Kurios dabei ist nur, dass dieser Film bereits ein Jahr vor Pandemiebeginn in Cannes seine Premiere feierte. Damals, als Corona einfach nur schlechtes, mexikanisches Bier war und die Stadien und Clubs nicht voll genug sein konnten. Worum geht es?

Den Verstand scheinen beide schon längst verloren zu haben. 

The Lighthouse (dt: Der Leuchtturm) spielt in Maine, im ausgehenden 19. Jahrhundert. Der ehemalige Seemann Thomas Wake (Willem Dafoe) und sein neuer Gehilfe Ephraim Winslow (Robert Pattinson) sollen vier Wochen auf einem schroffen Felsen weit vor der Küste Nova Scotias verbringen, um das Feuer des dortigen Leuchtturms am Laufen zu halten. Der ruppige, alte Wake, mit einem Hang zu Seemannsgarn und Seefahrermythen, teilt Winslow von Anfang an die niederen Aufgaben zu, wie das Säubern der Bettpfanne und das Reinigen der Zisterne, während er selbst nur das Feuer hütet. Der fleißige aber hitzköpfige Winslow entwickelt früh einen Hass auf seinen Tyrannen, doch trotz der steigenden Spannung zwischen den beiden schaffen sie es ihre vierwöchige Schicht zu absolvieren. 

The Lighthouse | Official Trailer 


Am Vorabend ihrer Abreise beginnt jedoch ein heftiger Sturm und das Boot der Wachablöse kann nicht auf dem Felsen anlegen. Die zwei Männer, die schon jetzt auf dem Zahnfleisch gehen, müssen wohl oder übel noch weiter auf der Insel ausharren, jedenfalls bis der Sturm vorüber ist. So weit vor dem Festland könne dies jedoch Monate dauern, meint Wake zu seinem Gehilfen. Mit der zunehmenden Abgeschiedenheit und dem fehlenden Kontakt zu irgendwelchen Mitmenschen verlieren beide nun endgültig den Verstand. Keiner weiß mehr, wie lange sie wirklich schon auf dem Felsen verbracht haben. Tage werden zu Monaten, jedes Zeitgefühl scheint verloren und vor allem der junge Winslow wird von grausigen Halluzinationen geplagt. Die einzige Zuflucht ist der Gin, doch als schließlich auch der alle ist, beginnen sie sogar Terpentin mit Honig zu vermischen und das Gesöff hinunterzukippen. 

Wie ein Jahr Quarantäne

Um die beklemmende, erstickende Stimmung für den Zuschauer noch greifbarer zu machen, hat sich Regisseur Robert Eggers („The Witch“) dazu entschieden, den Film in einem fast quadratischen 4:3 Format zu filmen, der an die Stummfilme der 1920er Jahre erinnert. Dazu kommt noch das konsequente Schwarz-Weiß, in dem der Film gehalten ist und das ständig dröhnende Geräusch der Leuchtturms-Sirene, das nicht nur die Protagonisten langsam in den Wahnsinn treibt. Früher oder später entwickelt wohl jeder Zuschauer so etwas wie Mitgefühl für die beiden Männer, die Defoe und Pattinson grandios absurd spielen. Zu ähnlich ist ihre Lage mit unser eigenen, in der wir uns seit mehr als einem Jahr befinden. 

Auch wir scheinen auf einer Insel gefangen und müssen daraus nun mal das beste machen.

Eggers psychologische Studie über Abgeschiedenheit und Isolation ist so treffend für die Corona-Pandemie, dass man an gewissen Stellen fast schmunzeln muss. Etwa als sich Winslow und Wake wie ein altes Ehepaar über das Essen kabbeln, das trotzdem irgendwie den Höhepunkt ihres Tages bildet. An manchen Stellen bleibt einem das Lachen über die absurden Szenen auf der Leinwand aber auch im Halse stecken. Und man fühlt sich erinnert an das Leiden von Millionen Menschen, die seit einem Jahr auf sich gestellt mit der Leere und dem Nicht-weg-kommen-können fertig werden müssen. An die eigenen vier Wände, die immer näher zu kommen scheinen. An Monate, die sich wie Tage anfühlen. Und an die Kapriolen, die einem der Verstand in diesen Zeiten manchmal schlägt. Auch wir scheinen auf einer Insel gefangen und müssen daraus nun mal das beste machen. Der Sturm da draußen tobt, und wie lange wir hier noch festsitzen weiß keiner. Aber das Gute an Leuchttürmen ist ja bekanntlich: irgendwo scheint immer das Licht.