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Elf Monate Kindergarten? Nur schwer

Ein Gespräch mit Angelika Hofer, Generalsekretärin der Fachgewerkschaft „Öffentlicher Dienst“ des AGB/CGIL, zur Diskussion um den elfmonatigen Kindergarten.
Hinweis: Dies ist ein Partner-Artikel und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.
Kindergarten
Foto: Pixabay

Juli, die Sonne scheint ins Zimmer, die Hitze ist bereits am Morgen erdrückend. Trotzdem müsste man zeitig zur Arbeit starten, was aber tun mit dem Kind? Es allein daheim lassen ist keine Option, Kindergärten sind geschlossen, Alternativen gibt es nicht immer. Dies ist mitunter einer der Gründe, weshalb für Eltern ein elf Monate lang geöffneter Kindergarten eine große Hilfe wäre. Diese Stimmen wurden umso lauter, seit im Trentino ein derartiges Gesetz verabschiedet wurde. In Südtirol stößt die Idee des elfmonatigen Kindergartens jedoch auf Widerstand und Probleme. Nun hat ein erstes Treffen zwischen dem Bildungslandesrat Philipp Achammer und den betroffenen Fachgewerkschaften stattgefunden. Ein Interview mit Angelika Hofer, Generalsekretärin der Fachgewerkschaft „Öffentlicher Dienst“ des AGB/CGIL über die aktuelle Situation und wieso elf Monate Kindergarten in Südtirol vorerst nicht möglich sind.

Salto.bz: Frau Hofer, können Sie erklären, was beim Treffen am Freitag besprochen wurde?

Angelika Hofer: Nachdem nun im Trentino die Öffnungszeiten der Kindergärten auf elf Monate verlängert werden sollen, war dieses Gespräch ein erster Versuch, politische Vertreter und Vertreterinnen des pädagogischen Fachpersonals zusammenzubringen und die Einwände gegen einen länger geöffneten Kindergarten aus verschiedenen Seiten anzuhören.

Was hindert die Kindergärten in Südtirol daran, die Öffnungszeiten auf elf Monate zu verlängern?

Die Verlängerung der Öffnungszeiten der Kindergärten mit demselben Personal, so die Forderung, ist unmöglich, weil das Personal bereits in den 10 Monaten seine Arbeitszeit geleistet hat und im Kindergarten ein fast schon chronischer Personalmangel herrscht. Ohne zusätzliche Arbeitskräfte wird es nie möglich sein, die Kindergärten elf Monate offen zu halten. Schon mit den heutigen Öffnungszeiten kommt es zu Personalknappheit. Jedes Jahr werden Rangordnungen der befristeten Fachkräfte erstellt, die nach dem unbefristeten Personal eine Stelle wählen können. Diese Ranglisten sind meist schon im Sommer ausgeschöpft, sodass die Verwaltung auf „Direktberufungen“, also auf Arbeitskräfte außerhalb der Rangordnungen, zurückgreifen muss, diese besitzen auch oft keine entsprechende Ausbildung. Würden die Kindergärten jetzt noch länger geöffnet bleiben, muss sich die Verwaltung die Frage stellen, mit welchem Personal dieser Dienst gewährleistet werden soll. Wie gesagt, mit demselben Personal ist dies schlichtweg unmöglich und dagegen sprechen wir uns als Gewerkschaft eindeutig aus.

Wo liegt der Unterschied zum Trentino?

In Südtirol haben Kindergartenpädagog*Innen einen Kollektivvertrag, der die Arbeitsstunden genau regelt. Da kann man nicht so leicht eingreifen. Im Trentino hingegen gibt es keinen solchen Kollektivvertrag, weshalb eindeutige Regelungen dort nicht selbstverständlich und flexibler auslegbar sind.

Wie ist das Arbeitsjahr einer Kindergartenpädagogin oder eines Kindergartenpädagogen aufgebaut?

Der Kollektivvertrag besagt, dass die Pädagog*Innen in Vollzeit 33 Stunden pro Woche direkt mit dem Kind arbeiten und zusätzlich ein Jahresstundenkontingent für Vorbereitungen, verpflichtende Weiterbildungen und andere Tätigkeiten wie etwa Elterngespräche erfüllen müssen. Auf diese Weise arbeitet das Personal die vertraglich festgelegte Zeit in den 10 Monaten voraus und die zweimonatige Sommerpause dient einer Art Zeitausgleich und natürlich für den Urlaub, den das Personal nur in dieser Zeit beanspruchen kann. Das Kindergartenpersonal darf den Urlaub nur während der vom Schulkalender vorgesehenen Unterbrechung der pädagogischen Tätigkeiten beanspruchen. Eine Anhebung der pädagogischen Zeit würde auch dieses Recht merklich beeinflussen. Damit sind wir natürlich nicht einverstanden.

"Wir haben in Südtirol auch eine Menge an Sommerbetreuungs-Angebote, das ist eine ernstzunehmende Alternative." - Angelika Hofer

Was müsste passieren, um einen elfmonatigen Kindergarten zu ermöglichen?

Die Diskussion muss auf ein breiteres Spektrum erweitert werden und sich nicht ausschließlich auf das „gleiche“ Personal fokussieren. Es gibt schon viele Sommerangebote für Kinder aller Altersstufen und es gilt, diese eventuell in den Kindergarten hereinzuholen. All dies ist natürlich auch eine Kostenfrage, denn eines muss klar sein, zum Nulltarif kann es keine Verlängerung geben. Wird eine langfristige Lösung angepeilt, dann wird man nicht umhinkommen, das gesamte System zu überdenken. Der Haken wird dabei sicherlich, die dafür notwendigen zusätzlichen Fachkräfte zu bekommen. Fakt ist, dass die Abgänger*Innen der Uni heute schon zum Großteil die Grundschule bevorzugen und wir in den nächsten Jahren mit gar nicht wenigen Pensionierungen haushalten werden müssen. Es werden keine leichten Zeiten auf den Kindergarten zukommen.

Das heißt, das Thema „11 Monate Kindergarten“ ist jetzt vom Tisch?

Nein, Fazit der Sitzung war, dass jetzt konkret geschaut wird, was machbar ist. Lösungen müssen umsetzbar sein und die bestehenden Rahmenbedingungen berücksichtigen. Die Forderung nach einer Verlängerung der Kindergartenzeit ist ja kein neues Thema und der Bedarf berufstätiger Eltern muss natürlich ernst genommen werden. Ernst zu nehmen ist aber auch, dass unsere Kindergartenpädagog*Innen eine qualitativ sehr hohe pädagogische Arbeit leisten und ich finde es schade, wenn das einfach übergangen wird. Auch die Bedürfnisse der Kinder müssen in den Vordergrund gerückt werden, ansonsten reden wir an der Realität vorbei und die Diskussion geht aus meiner Sicht in eine ganz verkehrte Richtung.

„Momentan fehlt uns teilweise sogar das Personal, die bestehenden Kindergartendienste zu füllen“ – Angelika Hofer

Was sind die Alternativen zum elfmonatigen Kindergarten?

Unser derzeitiges System darf man nicht unterschätzen. Im Sommer gibt es eigentlich reichlich Angebote zur Sommerbetreuung, die auch sehr gut genutzt werden. Die Angebote können natürlich auch ausgebaut werden und es ist sicher von Nutzen, sich auch Modelle anderer Staaten anzuschauen. Das heißt allerdings nicht, dass das Modell von Norwegen oder das Modell von Deutschland eins zu eins auf Südtirol übertragbar ist. Deshalb ist unser Ansatz der, genau zu erörtern, was es alles bereits gibt, wo es Lücken gibt und wie und mit welchen Ressourcen darauf reagiert werden kann. Dabei dürfen wir nie aus den Augen verlieren, was für Kinder überhaupt gut ist.

Wie meinen Sie das?

Bei uns würden elf Monate Kindergarten elf Monate Bildungsarbeit bedeuten. Das ist der Auftrag, den unsere Pädagog*Innen haben. Hier stellt sich schon die Frage, ob das für die Kinder überhaupt das Richtige ist. Auch Kinder brauchen eine Pause, eine Ablenkung, Abwechslung. Unser Personal hat nicht die Aufgabe, Sommertätigkeiten anzubieten. Und aus dieser Sicht ist ein 360° Blick so wichtig, damit auch wirklich alle Bedürfnisse in den Mittelpunkt der Diskussion gestellt werden. Der Ausbau der Sommerangebote kann und darf nicht nur auf den Kindergarten abgewälzt werden. Unsere Aufgabe ist es hingegen, den Kindergarten wieder attraktiv für pädagogisches Fachpersonal zu machen und ihn in dieser spezifischen Diskussion als einen kleinen Teil des Großen Ganzen zu sehen. Die Perspektive der Kinder muss dabei zentral sein.

Inwiefern?

Wir sind die Vertreter des Fachpersonals, in der ganzen Diskussion fehlt mir die Vertretung der Kinder. Es ist nicht ohne, 3 bis 6-jährigen Kindern einen elfmonatigen Kindergarten zuzumuten! Berufstätige Eltern haben natürlich einen präzisen Bedarf, der, wie ich schon gesagt habe, ernst zu nehmen ist. Wir fordern deshalb, eine umfassendere Diskussion mit verschiedenen Partnern, um für alle die bestmögliche Lösung zu finden. 

Interview: Nathanael Peterlini