Economy | Tourismus

Die Gastro-Gladiatoren

Bereits zum zweiten Mal findet das Event „Sölden sucht das Gastro Supertalent“ statt. Ganz vorne wirbeln auch Bewerber aus Südtirol mit. Eine Reportage.
Kaiserhof und Hellenstainer
Foto: SALTO
  • Graue Wolken hängen an diesem Aprilmontag über Innsbruck. Die am Vortag so präsent gewesene Sonne hält sich hinter einem Schleierkleid versteckt. Nach einer warmen Nacht bei einem alten Schulfreund in der Alpenstadt geht es am nächsten Morgen los Richtung Ötztal. Dort soll in den kommenden zwei Tagen unter sechs Tourismus- und Hotelfachschulen aus Österreich und Südtirol Söldens Gastro Supertalent gekürt werden. Mit dabei sind gleich zwei Gruppen aus der Provinz Bozen, zum einen die Landesberufsschule für das Gast- und Nahrungsmittelgewerbe Emma Hellenstainer aus Brixen und zum anderen die Landeshotelfachschule für das Gastgewerbe Kaiserhof aus Meran. Nach einer etwa eineinhalbstündigen Zug- und Busfahrt und einer mehr oder weniger angenehmen Reise vorbei an beeindruckenden Wasserfällen und idyllischen Dörfern ist das Ziel erreicht. Das fast menschenleere Sölden präsentiert sich in einer Art Frühjahrsschlaf, die Wintersaison ist zu Ende und die meisten Bars und Hotels haben bereits die Stühle auf die Tische gestellt und ihren Betrieb vorübergehend eingestellt. 

  • Der Ort des Geschehens: Das Tiroler Dorf, Sölden am Fuße des Gletschers ist fast wie leergefegt. Foto: SALTO
  • Die 40 Schülerinnen und Schüler, die am Event teilnehmen, können jedoch kaum von Entspannung sprechen, sie müssen am nächsten Tag abliefern. Über den ganzen Tag verteilt werden verschiedene Challenges stattfinden, um Söldens Gastro Supertalent zu finden. Der Wettbewerb gliedert sich in drei Bereiche: Küche, Service und Marketing. Beim ersten Bereich haben die Teilnehmer eineinhalb Stunden Zeit, zu zweit ein süßes und ein salziges Gericht für sechs Personen zuzubereiten. Im Service müssen die Wettbewerber einen Tisch für vier Personen eindecken, zwei Cocktails kreieren und eines der beiden Gerichte aus der Küche vor der Jury anrichten. Bei der dritten und letzten Aufgabe, dem Marketingbereich, besteht die Aufgabe darin, ein kurzes Social Media Video des Tages sowie eine Vision, wie Gastfreundschaft in Zukunft aussehen kann, zu erstellen und beides zu präsentieren. Jede Schule ist mit 6 Teilnehmern, also zwei pro Bereich angereist. Das Event „Sölden sucht das Gastro Supertalent“, kurz SSDGST, verfolgt das Ziel, den künftigen Fachkräften im Tourismus eine wertschätzende Bühne zu bieten, Möglichkeiten zum Austausch mit Gleichaltrigen zu ermöglichen sowie Insiderinfos von Stars der Branche zu erhalten. Veranstaltet wird das Ganze von „Zukunft Sölden“, eine Initiative, die sich für Entwicklungsprozesse für Wirtschaft, Leben und Freizeit in Sölden engagiert. 

  • Wir müssen etwas tun. Man sieht heute beim Event wieder, was für einen wahnsinnig talentierten Nachwuchs wir in allen Bereichen dieser Branche haben.“ Philipp Stohner, Spitzenkoch und Juror bei SSDGST ist schon zum zweiten Mal beim Organisationsteam der Veranstaltung dabei: „Wir müssen den Nachwuchs fördern, denn wenn wir nichts tun, dann schläft alles noch mehr ein und ich glaube, dass wir uns das nicht leisten können. Den Jugendlichen werden hier viele Chancen wie Leistungsvergleich und Austausch geboten, sie können hier viel mitnehmen.

    Foto: SALTO
  • Vor dem großen Trubel am Dienstag finden sich alle Teilnehmer und ihre Begleitpersonen bei einem vorabendlichen „Get-together“ zusammen. Im Rahmen dessen werden die Teams und das Programm vorgestellt, sowie einige Grußworte der Organisatoren gesprochen. Auch ein ganz besonderer Gast war anwesend: Marco Müller, Küchenchef im „Das Rutz Restaurant“, das erste und einzige Restaurant in der deutschen Bundeshauptstadt Berlin mit drei Michelin-Sternen. Müller erklärt, dass Berufe im Gastgewerbe in vergangenen Jahren zwar an Popularität verloren hätten, gleichzeitig jedoch Jobs voller Leidenschaft seien. Nach einer kurzen Besprechung der Teamaufgaben klingt der Abend mit einem lockeren Buffet aus. Dies nutzen einige, um sich bei einem Glas Wein (oder gleich mehreren) auf den nächsten Tag einzustimmen, während andere bereits einen Schlachtplan austüfteln. Das Selbstbewusstsein sprießt förmlich aus allen Ecken – vorbereitet fühlen sich alle hier. 

  • „An die Töpfe, fertig, los“

    Der Austragungsort: Mitten im Skigebiet liegt auf 2.176 Metern das Falcon Restaurant. Foto: SALTO

    Am nächsten Tag geht es bereits frühmorgens los. Bei leichtem Schneefall und dunklem Himmel starten die ersten drei Gruppen, darunter die beiden Südtiroler Teams, sowie die Schülergruppe der Tourismusschulen am Wilden Kaiser aus St. Johann Tirol, um 8.15 Uhr mit der Gaislachkoglbahn auf 2.176 Meter hinauf, wo es um neun Uhr für die erste Gruppe „An die Töpfe, fertig, los“ heißt. Die Stimmung ist angespannt, die Luft im Restaurant Falcon an der Mittelstation der Gaislachkoglbahn steht, Spannung ist vorprogrammiert. Die Ersten, die ins Rennen gehen, sind die Brixner. Während sich die zwei Köche an ihrem Arbeitsplatz zurechtfinden, bereitet das Serviceteam unter strenger Beobachtung der Juroren die Tische für den anschließenden Service vor. Auch die Marketingbeauftragten der Gruppe schwirren zwischen Küche und Saal umher und versuchen jedes noch so kleine Detail für ihr Video festzuhalten. 

  • Schweres Gerät: Das Marketingteam des Kaiserhofs hatte sogar eine Drohne für Luftaufnahmen dabei. Foto: SALTO
  • Kurz nach Beginn der ersten Teilnehmer startet auch das zweite Team, jenes aus St. Johann und kurz darauf auch das Dritte ins Rennen. Die Kaiserhöfler aus Meran wirken angespannt, aber im selben Zug auch konzentriert. Ab jetzt heißt es voller Fokus, denn es gilt abzuliefern. Nachdem die Eisacktaler Mannschaft als Erstes ihren gedeckten Tisch präsentiert hatte, müssen sie nun ihre Cocktail-Affinität unter Beweis stellen. Dasselbe gilt im Anschluss auch für die anderen beiden Teams. Die jungen Talente legen sich voll ins Zeug, ihre selbst kreierten Cocktails zu mixen und anschließend der Jury vorzustellen. Währenddessen laufen in der Küche die Pfannen heiß. Unter purer Konzentration und voller Leidenschaft und Talent werden hier Gerichte auf höchstem Niveau gezaubert. Immer wieder verlassen die Köchinnen und Köche ihren Posten, um neue Zutaten zu holen. Beobachtet werden sie dabei sowohl von ihren Begleit- und Ausbildungspersonen als auch von den Juroren. 

  • Natalie Rainer ist Servicelehrkraft an der Landeshotelfachschule Kaiserhof Meran. Nach Ende der Wettbewerbe gibt sie sich zuversichtlich: „Unser Gefühl ist gut, natürlich passieren durch die Nervosität kleine Fehler, doch ich denke, dass dies allen Teams passiert ist. Ganz zu 100 Prozent kann man sich auf so einen Wettbewerb nicht vorbereiten. Die Organisation begann bereits bei der Auswahl der Kandidaten und reicht vom Kennenlernen der Jurymitglieder bis hin zum Training und Mentalcoaching. Konkret haben wir uns für die Vorbereitung zweimal pro Woche getroffen, um Rezepturen auszuarbeiten und Spezialeffekte zu finden. Die Woche vor dem Event haben wir uns sogar jeden Tag getroffen.

    Foto: SALTO
  • Gegen 10.45 Uhr ist es so weit, die Vorbereitungsarbeiten der drei Küchen- und Serviceteams sind vorüber, jetzt muss das Geschaffene an den Mann gebracht werden – der letzte große Coup, eine letzte Hürde: Der Mittagsservice. Die Gerichte sind bereit, die Cocktails fertig und die Gäste, darunter auch die Presse, werden zu Tisch gebeten.

  • Das Menü der Emma Hellenstainer: Bis auf zwei Pflicht-Überraschungszutaten kennen die Köche die Produkte, die ihnen zur Verfügung stehen. Foto: Landesberufsschule Emma Hellenstainer

    SALTO sitzt am Tisch der Brixner Hotelfachschule. Was daraufhin folgt, ist ein Zwei-Gänge-Menü der Extraklasse. Während ihre Kollegen die Gäste verwöhnen und ihre Kenntnisse noch einmal zum Besten geben, lassen die Marketingbeauftragten keine Gelegenheit aus, das perfekte Video zu drehen. Und dann, urplötzlich, als ob die hervorragenden Kreationen der Junggastronomen einen Einfluss darauf genommen hätten, reißt die Wolkendecke auf, die Sonne scheint durch die großen Fenster des Restaurants und erhellt den ganzen Raum. Der Ausblick, malerisch, eine Filmkulisse. Die nicht vor langer Zeit auch genau hierfür genutzt wurde. Ein Teil von „James Bond 007: Spectre“ wurde hier in Sölden gedreht, daran erinnert auch ein demolierter Geländewagen an der Talstation der Seilbahn – Ein Relikt aus dem Film. Oben an der Mittelstation sind die Gemüter nun erleichtert, die ersten drei Gruppen haben die Aufgaben hinter sich und können aufatmen.

  • Drei Spitzenköche

    Für die anderen Mannschaften der Berufsschule Altmünster, der Gastgewerbefachschule Wien und der Tiroler Fachberufsschule für Tourismus und Handel Landeck stehen nun dieselben Herausforderungen auf dem Plan: Kochen, servieren, Cocktails mixen und Videos drehen. Auch diese drei legen sich voll ins Zeug, um die Juroren von sich zu überzeugen. Wer zu diesem Zeitpunkt die Nase vorn hat, ist nicht zu erkennen. Bei noch immer strahlendem Sonnenschein geht es dann gegen circa 16 Uhr wieder ins Tal. Von dort aus bringt ein Bus alle Beteiligten nach Obergurgl, wo die Präsentation der Video-Clips und die Preisverleihung stattfinden wird. Während die Marketinggruppen letzte Feinschliffe an ihrer Präsentation vornehmen und mit Mikrofonen verkabelt werden, trudeln auch die anderen Schüler im Gurgl Carat Kongresszentrum ein. Wieder sind es die Wettbewerber der Emma Hellenstainer, die den Startschuss geben. Genauso wie der Kaiserhof und alle anderen Schulen nach ihnen, präsentieren sie ihr Video und ihre Zukunftsvision für Sölden. Über 100 Schaulustige aus Presse, Tourismus und Politik haben sich versammelt und lauschen gespannt den Vorträgen der insgesamt 12 jungen Marketer, es klatscht großen Beifall. Nach den anschließenden Grußworten des Ötztal CEOs, des Tiroler Landesrat für Tourismus Mario Gerber und der drei Spitzenköche Marco Müller („Das Rutz Restaurant“), Peter Fankhauser („GuatzEssen“) und Michael Ploner („s‘kammerli“) ist es endlich so weit, die Spannung steigt noch ein letztes Mal: Die Preisverteilung steht an. 

  • „Ich bin der Meinung, dass jeder, der sich für den Nachwuchs starkmacht und sich für ihn einsetzt, etwas für die Zukunft tut“, Marco Müller der Küchenchef des drei Michelin-Sterne-Restaurants „Das Rutz Restaurant“, vertritt eine starke Position, „ebenso glaube ich, dass in der Vergangenheit in der Gastronomie viele Fehler begangen wurden, vielleicht auch, weil es unsere Vorgänger nicht besser wussten.“ Bereits nach der ersten Hälfte der Wettbewerbe ist der Starkoch beeindruckt: „Alle waren sehr stark, man muss bedenken, dass es sich hier um Leute handelt, die noch am Anfang stehen. Das Niveau bis jetzt war sehr hoch.

    Foto: SALTO
  • Der zweite Platz

    Verteilt werden insgesamt sechs Preise. Jeweils ein bestes Team für jede Disziplin sowie die Plätze eins bis drei in der Kombination aus Küche, Service und Marketing. Das beste Küchenteam war die Mannschaft der Schulen am Wilden Kaiser, den Marketing-Titel holt sich die Schule Landeck und dann kommt es zum ersten großen Moment für Südtirol, die Servicekräfte der Emma Hellenstainer können in ihrem Bereich als beste abschneiden. Letztlich fehlt also nur noch der große Titel: Söldens Gastro Supertalent 2024. Dabei spiegelt sich ein ähnliches bis gleiches Ergebnis wie bei den Einzelprämierungen wider. Die Bronzemedaille sichern sich die Schülerinnen und Schüler der Schulen am Wilden Kaiser, der zweite Platz geht mit der Emma Hellenstainer erneut nach Südtirol. Zum Supertalent gekürt wird schließlich die Tiroler Fachberufsschule für Tourismus und Handel, Landeck. Somit geht Südtirols zweite Vertretung, der Kaiserhof, in diesem Jahr leer aus. 2023 hatten die Meraner den dritten Platz erreicht und somit das Podium besetzt. Die Brixner Schule hingegen holt sich den Titel des Zweitbesten bereits zum zweiten Mal in Folge. 

  • Die Zweitplatzierten, die Gruppe der Landesberufsschule für das Gast- und Nahrungsmittelgewerbe Emma Hellenstainer hatten bereits vor der Prämierung ein gutes Gefühl: „Wir denken, dass wir ganz gut waren und haben auch alle unser Bestes gegeben. Anfangs waren zwar alle ziemlich nervös, wir hatten uns jedoch gut auf den heutigen Tag vorbereitet und sind deshalb im Großen und Ganzen zufrieden.“ Nach Erhalt ihres Preises sind die Silbergewinner überglücklich: „Wir sind der Meinung, dass wir alles richtig gemacht haben und viele unserer Kontrahenten durch Teamarbeit, Ehrgeiz und Kopf schlagen konnten.“ Zwei der sechs nutzten diese Gelegenheit, auch ihren Lehrpersonen und den Eventveranstaltern zu danken: „Großes Kompliment an unsere Lehrer, sie haben uns sehr gut vorbereitet. Wir möchten uns auch bei den Organisatoren für diese tollen Tage in Sölden bedanken.“

    Foto: SALTO
  • Die Veranstaltung findet, mit einer Party samt DJ und Buffet ein würdiges Ende und während die Teilnehmer am nächsten Tag noch ihre Zeit mit Skifahren und Wellness in Sölden genießen, macht sich SALTO wieder zurück auf den Weg nach Südtirol. Zuerst bietet sich jedoch noch ein allerletztes Highlight: Während sich der Redakteur am Frühstückstisch noch mit der Delegation des Kaiserhofs unterhält und die Geschehnisse einordnet, spaziert plötzlich Ski-Weltstar Lucas Braathen vorbei, der zufällig im selben Hotel logiert. 
    Ein würdiges Ende für zwei abenteuerliche Tage im Ötztal. 

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Josef Fulterer Mon, 04/22/2024 - 07:33

Die Jugend misst sich gern in fairen gerecht abgewickelten Wettbewerben.
Dabei sollte aber wieder "die Gastlichkeit mehr in den Mittelpunkt gestellt werden" + nicht nur, wie man mit den sich zwanghaft laufend veredelnden Energie-verschleudernden 4 + 5 Sterne-Klitschen, dem Gast noch mehr Geld abknöpfen kann.

Mon, 04/22/2024 - 07:33 Permalink